Der Kampf der Northwest Company gegen die Hudson Bay Company, die ihren Herrschaftsbereich immer noch mehr zu vergrößern suchte, wurde immer erbitterter. Sir Alexander hatte inzwischen geheiratet und eine Familie gegründet, mit der er auf einem Landgut in Avoch, Ross-shire, lebte. 1820 verstarb sein größter Feind, Lord Selkirk, doch Sir Alexander konnte daraus für seine Gesellschaft keinen Nutzen mehr ziehen. Er überlebte ihn nur um ein paar Wochen. Am 11. März 1820 erlag er in Mulnair bei Dunkeld einer plötzlichen Krankheit.
Ein Jahr nach seinem Tod zeigte sich der Erfolg seiner Bemühungen: Hudson Bay und Northwest Company schlossen sich unter der Flagge der Hudson Bay Company zusammen. Im selben Jahr (1821) erhielten die vereinigten Gesellschaften vom Parlament in London das Handelsmonopol über folgende Gebiete: 1. das Nord-Department, zwischen der Nordgrenze der USA und der Arktis im Norden, der Hudson Bay im Osten und den Rocky Mountains im Westen; 2. das Süd-Department, zwischen der James Bay, den Provinzen von Ober- und Unterkanada und der östlichen Küste der Hudson Bay; 3. das Montreal-Department, Ober- und Unterkanada und die Königlichen Außenposten, das spätere Labrador, und 4. den Columbia-District.
Lord Selkirk
Im Jahre 1867 kam die kanadische Konföderation zustande. Das Land wurde zu einem selbstständigen Staat deklariert und unter eine eigene Verwaltung gestellt. Für die britische Kolonialmacht und ihren Repräsentanten, die Hudson Bay Company, bedeutete dies das Ende ihrer Regierungsgewalt und der unbegrenzten Ausbeutung in diesem Teil der Erde.
Alexander MacKenzies Reisebericht erschien 1802 in London unter dem Titel: Voyages from Montreal, on the River St. Laurence, through the Continent of North America, to the Frozen and Pacific Oceans; in the Years, 1789 and 1793. With a preliminary Account of the Rise, Progress, and present State of the Fur trade of that Country.
Dieses Werk enthält die Tagebuchaufzeichnungen MacKenzies über beide Reisen. Was dabei besonders auffällt, ist sein Stil: MacKenzie muss mit einer scharfen Beobachtungsgabe ausgestattet gewesen sein, denn es entging ihm nicht die geringste Kleinigkeit. Minutiöse Beschreibungen ermöglichen dem Leser, der Expedition auf auch noch so kleinen Streckenabschnitten zu folgen. MacKenzie notiert jede Windung des Flusses, jede Steigung der zu überwindenden Höhen, berechnet mehrmals täglich die zurückgelegten Etappen und die dafür benötigte Zeit. Er zählt alle Tiere auf, die er zu Gesicht bekommt, beschreibt aufs Genaueste die Vegetation der durchfahrenen Landstriche und schildert bis ins kleinste Detail seine Begegnungen mit den Eingeborenen, ihr Aussehen, ihre Sitten, Waffen und Geräte. Obwohl MacKenzie keinerlei wissenschaftliche Ausbildung genossen hatte und seine Expedition aus geografischen und wirtschaftlichen Gründen unternommen wurde, ist sein botanisches und vor allem ethnologisches Interesse bemerkenswert. Wenn man dazu bedenkt, unter welch schwierigen Bedingungen er seine Aufzeichnungen anfertigen musste, nach all den Strapazen, die sich Tag für Tag wiederholten, körperlich und geistig völlig erschöpft, so ist seine Präzision und sein Durchhaltevermögen geradezu bewunderungswürdig. Was der Leser in seinen Berichten vielleicht vermissen mag, sind Farbe und Stimmung: MacKenzie schildert selten irgendwelche Eindrücke oder persönliche Empfindungen. Kein persönliches Wort verliert er über sich selbst, über seine Gefährten, über das große Abenteuer und die Gefühle, die die Männer nach der täglichen Überwindung zahlloser Gefahren gehabt haben müssen. Auch kein Wort über den eigentlichen Zweck der Expedition, über ihre Probleme und die Zweifel an ihrem Gelingen. Doch geben die Aufzeichnungen dadurch ein wahrheitsgemäßes Bild des spröden Charakters ihres Verfassers wider. Der deutsche Übersetzer des Werkes schreibt 1802 in seinem Vorwort: »Ohne Zweifel würde mancher andere, der solche Entdeckungen gemacht und solche Gefahren und Schwierigkeiten besiegt hätte, es seinem Zwecke angemessener gefunden haben, durch eine mehr für das größere Lesepublikum berechnete Verarbeitung seiner Materialien, allenfalls mit Zuziehung einer geübten Feder, einen vorteilhafteren Eindruck zu machen. Der bescheidene und in der Kunst der Schriftstellerei nicht geübte Verfasser gab der ursprünglichen Tagebuchform den Vorzug und lieferte auf diese Art ein freilich wenig anziehendes, aber des Vertrauens der Leser desto würdigeres Werk, das die nach und nach entdeckten Flüsse und Gegenden nebst deren Bewohner und die täglichen Abenteuer bloß der Zeitfolge nach, jedoch mit aller ihm in seiner Lage möglichen Genauigkeit darstellt.«
Es scheint fast, als habe Alexander MacKenzie seinen Bericht zu einem Handbuch für die ihm auf dem Fuße folgenden Pelzhändler bestimmt, mit der Intention, sie über alle Vorkommnisse, denen sie in diesen Gebieten begegnen könnten, zu informieren.
Als Grundlage für die hier vorliegende Bearbeitung diente die erste deutsche Übersetzung, die schon 1802 in Hamburg erschien. Waren betreffs der Übersetzung Zweifel angebracht, wurde parallel dazu die englische Originalausgabe herangezogen. Etwa ein Viertel des Textes fiel Kürzungen zum Opfer – zum größten Teil Stellen mit akribischen Zeit- und Ortsangaben und etwas ermüdenden Beschreibungen vereinzelter Streckenabschnitte. Dabei sollte jedoch der Verlauf der Reise nicht unterbrochen werden, sodass der Leser, gemäß der Intention MacKenzies, die Expedition Schritt für Schritt verfolgen kann.
Die dem Text hinzugefügten Anmerkungen sollen dazu dienen, die geografischen Angaben MacKenzies mit den heute bekannten Bezeichnungen zu bestimmen, Begriffe aus dem Alltagsleben der sogenannten »Nordmänner« zu erklären und den Verlauf der Reise, soweit im Text nicht ohne Weiteres verständlich, zu kommentieren. Anmerkungen des Verfassers selbst oder des Übersetzers wurden entsprechend gekennzeichnet.
Um die Übersetzung ihres zeitspezifischen Kolorits nicht zu berauben, wurde sie bis auf stilistische, grammatikalische und orthografische Korrekturen unverändert übernommen, lediglich bei allzu antiquierter Diktion etwas modernisiert. Eigennamen und geografische Bezeichnungen wurden, wenn sie in ihrer englischen Schreibweise in deutschen Atlanten und Lexika zu finden sind, wieder rückübersetzt bzw. dem Original entnommen.
Sicher ist dem aufmerksamen Leser nicht entgangen, dass im Titel des Werks von Alexander MacKenzie nicht nur seine beiden Reisen aufgeführt sind, sondern auch eine Abhandlung über Entwicklung und Organisation des kanadischen Pelzhandels: … With a preliminary Account of the Rise, Progress and present State of the Fur trade of that Country. Diese »Abhandlung« dient sowohl zum Verständnis der Zustände im Pelzgeschäft Nordamerikas der damaligen Zeit als auch der Ansichten MacKenzies über neue Möglichkeiten. Außerdem werden hier Begriffe erläutert, die in den Reiseberichten ganz selbstverständlich verwendet werden und die dem Leser nicht unbedingt bekannt sind. Deshalb erschien es mir sinnvoll, den Reiseberichten eine bearbeitete Kurzfassung jener auch von MacKenzie als Einführung gedachten »Geschichte des Pelzhandels« voranzustellen. – Leider kam aus Platzgründen eine Aufnahme des gesamten Textes nicht in Frage. – Durch diese nachfolgende Kurzfassung wird dem Leser ein leichterer Zugang zu den Reiseaufzeichnungen ermöglicht, und zudem kann der Charakter von MacKenzies Gesamtwerk doch einigermaßen bewahrt werden. Textgrundlage ist die in einer Reihe verschiedener Reisebeschreibungen veröffentlichte Ausgabe: Alexander Mackenzie’s Reise nach dem nördlichen Eismeere … (Weimar 1802).
Susanne Mayer
1Samuel Hearne, Abenteuer im arktischen Kanada. Auf der Suche nach der Nordwest-Passage 1769–1772. Edition Erdmann.
GESCHICHTE DES PELZHANDELS IN KANADA
Als 1763 den Engländern Kanada abgetreten wurde, hatten die Clerks der Hudson Bay Company, die seit 1670 an der nördlichen und nordwestlichen Küste dieser Gegend ihre Niederlassungen hatten, nur die Ufer einiger Flüsse untersucht, die von Süden her in jenen Meerbusen münden; ebenso hatten sie dessen westliche und nördliche Buchten und Einfahrten erforschen lassen, jedoch ohne die seit Langem gesuchte Durchfahrt zu finden und ohne irgendeinen Gewinn für die Geografie zu erzielen. Die französischen Pelzhändler und Kundschafter waren dagegen von Montreal aus weit nach Westen