Der Held von Björnnäs. Nordische Erzählung. Karl Friedrich Kurz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karl Friedrich Kurz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788711518526
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wiederkommen, wenn ein so liebes Bräutchen auf dich wartet.“

      Und eine dritte Stimme, die tiefste von allen, rief:

      „Das nächste Mal soll’s dir noch anders gehen als heut. Nun zeig doch, wie gross deine Liebe ist!“

      Und während die drei Stimmen sprachen, regnete es ohne Unterlass Prügel. Daraus schloss Daniel Storekjäft, dass er auf dem Dalegaard ebenso wenig willkommen sei wie beim Hügelbauer. Und schneller noch, als er gekommen, trat er den Heimweg an.

      „Weiss der Henker, das hat auch seine Haken und Widerhaken, das Freien. Hätt’ mir nicht gedacht, dass es so schwer hält.“

      Am folgenden Sonnabend blieb er zu Hause, weil er seine Liebe zu Astrid nicht gross genug fühlte, um eine weitere Probe zu bestehen. In einem andern Hause aber konnte er sich nicht wohl blicken lassen, da sein Gesicht noch mancherorts blauunterlaufen war und er noch nicht recht aus den Augen sehen konnte.

      Am zweiten Sonnabend aber ging er von neuem auf die Suche. Diesmal galt sein Gang der blonden Maria. Aber auch mit ihr wollte es nichts werden. Sie lachte ihn aus, kaum dass er zu sprechen anfing, und sagte ihm gerade ins Gesicht, dass sie nicht die geringste Lust habe, Herrin von Björnnäs zu werden.

      Und so ging’s weiter. Bald mit Gelächter und Spott, bald mit bösen Worten und Prügeln wurde sein Werben zurückgewiesen. Obschon er im Laufe des Winters in allen Gehöften einkehrte, wo es heiratsfähige Mädchen gab, war doch keine zu finden, die ihm Gehör schenken wollte.

      Erst gegen das Frühjahr zu geriet er an eine, die gerne begriff, wo er hinauswollte und mittat. Das war die Trine von Kraakösund, die Tochter seines einzigen Nachbarn auf drei Meilen. Die war so mager, flach und lang wie der Daniel selbst, ausserdem aber schielte sie noch und lahmte am rechten Beine. Sie hätte dem Alter nach gut seine Mutter sein können.

      Auf Kraakösund diente eine pralle Magd. Brita hiess sie; hatte rote Pausbacken und volle Brüste, die bei jedem Schritte verführerisch hüpften.

      Die Brita wurde dem Daniel zum Verhängnis.

      Wenn er am Sonnabend zur Trine ging, kam er nie am Kuhstall vorbei, in dem er die Brita hantieren und singen hörte.

      Es war warm und wohlig im Stall, und die blinde Laterne konnte kaum den Winkel erleuchten, in welchen sie hing. Auf kaum zwei Schritte erstarb ihr Licht zu einem heimlichen Dämmerschein.

      Der Daniel strich um die Dienstmagd herum, sobald sie im Dunkeln war.

      Zuerst hatte er sie nur so an ihrem Rock gezupft — im Vorbeigehen; fast zufällig, als wär nichts weiter dabei; später an den strohblonden Haaren. Und noch immer war er nicht zufrieden.

      Die Brita lachte und tat so, als merke sie nichts. Aber sie merkte etwas.

      Und die Trine drängte zur Heirat. In ihre Haare mischten sich schon die ersten lichten Fäden. Da haben die Weiber bekanntlich Eile. Dem Daniel war’s anfänglich ganz recht so.

      Er gab der Trine den Ring, den er von seiner Mutter ererbt, und ging zum Pfarrer, dass sie am Sonntag in der Kirche „ausgekündet“ wurden.

      Seit diesem Tage aber fühlte sich Daniel Storekjäft nicht mehr wohl.

      Denn die strohblonde Brita lachte nicht mehr, als sie von seiner Verlobung Wind bekam. Da er ihr im Stall in die dunklen Winkel folgte, wollte sie’s nicht mehr leiden. Zu seinem masslosen Staunen ward sie zornig bei seinen Liebkosungen und schlug ihm schliesslich, als all ihr Abwehren nichts helfen wollte, den gefüllten Melkkübel über den Kopf, dass die warme Milch zu seinem Hemdkragen hereinfloss und alle Taschen füllte.

      Da merkte er, dass die Brita nichts mehr von ihm wissen wollte.

      An jenem Sonnabend ging er vom Stall geradewegs nach Hause, ohne seine Braut zu sehen. Und zum erstenmal in seinem Leben konnte er in der Nacht nicht schlafen. Kein Auge voll. Er wälzte sich hin und her, fluchte zuerst und stöhnte hernach.

      Am Sonntag stand er gar nicht auf, obschon die Kuh im Stalle muhte und das Ross wieherte.

      Und die folgende Nacht war’s noch schlimmer als die erste.

      Auf den kleinen, buckligen Wiesen rund ums Höflein lagen hausgrosse Steinblöcke. Der Daniel glaubte nichts anderes, als dass einer derselben auf seiner Brust läge. Ganz flachgedrückt kam er sich vor. Überdies gab es ihm noch alle Augenblicke einen Stich — du heilig Kleinodium — nicht anders, als wenn ein ungespitzter Zaunpfahl durch und durch getrieben würde. Wie das hämmerte und sägte, wie das zog und zerrte! Nicht zum Aushalten war’s.

      Das könne nichts anderes sein, als die Lungenentzündung oder die Auszehrung, kam er mit sich selbst ins Reine. Darum stand er am Montagmorgen auf, ging in den Stall, um die Kuh zu melken. Mit der Milch und einer Handvoll Hafermehl kochte er eine Grütze. Die legte er sich auf die Brust und kroch abermals auf seinen Strohsack.

      Aber es half nichts — rein gar nichts. Im Gegenteil. Schlimmer und schlimmer werkte und rumorte es in seiner Brust. Er hätte laut aufschreien mögen vor Pein.

      Ohne Unterlass plagte ihn der Gedanke, dass ihm die schiefe Trine von Kraakösund am nächsten Sonntag angetraut werden sollte.

      In seiner höchsten Seelen- und Leibesnot heizte er den mächtigen Backofen und legte sich darauf. Und schwitzte und schwitzte.

      Doch das Übel wollte nicht weichen.

      So kämpfte er mit sich selbst die ganze geschlagene Woche lang. Er versuchte alle Mittel und Arzneien, holte sich im nahen Sumpf so viel Blutegel, als er finden konnte, setzte sie auf seine Brust und trank, als auch das nicht helfen wollte, eine halbe Flasche Haaröl, welche seine Mutter vor langen Jahren aus der Stadt mitgebracht hatte.

      Es war alles umsonst.

      Als aber der Sonnabend wieder gekommen war, zog er seine Festtagskleider an und machte sich auf den Weg nach Kraakösund.

      Die Trine eilte ihm, als sie ihn den Berghang herunterkommen sah, entgegen. Nun durfte sie es ja, da sie seinen Ring am Finger trug und der Pfarrer sie von der Kanzel herab als des Daniels Braut ausgerufen.

      Aber der Daniel drehte sein Haupt zur Seite, da sie bei ihm angekommen war. Als sie ihn darob zur Rede stellen wollte, schritt er stumm an ihr vorbei und spuckte verächtlich auf den Erdboden.

      Ohne sich umzublicken, marschierte er geradewegs auf den Kuhstall los. Diesmal war die Brita doch überrascht, wie sie ihn in seinem sonntäglichen Staat vor sich auftauchen sah. Wusste im Augenblicke nicht, ob sie lachen sollte oder zornig tun.

      Der Daniel aber liess ihr gar nicht die nötige Zeit, um einen Entschluss fassen zu können. Er stürzte sich auf sie wie ein wütiger Stier und presste sie mit seinen langen, sehnigen Armen an sich, obschon sie ihn mit den Nägeln blutig kratzte und sich gebärdete wie eine wilde Katze. Er schien davon gar nichts zu merken. Ein unbändig Verlangen war in ihm.

      „Dich will ich haben, Brita!“

      Wie ein unnatürlicher Schrei kam es keuchend aus seiner Brust. In diesem Schrei aber war etwas, das den Widerstand der Magd überwand. Schlaff liess sie die Arme niedersinken.

      „Du bist ja verlobt,“ stammelte sie, „morgen soll eure Hochzeit sein.“

      „Dich will ich haben, Brita!“ wiederholte er. „Die andre kann gehn und stehn, wo sie will. Keine andre will ich haben als dich!“

      Das hörte die Trine, die ihrem Bräutigam gefolgt und unter die Stalltür getreten war; überdies sah sie die enge Umarmung der beiden. Wut und Scham färbten ihr Gesicht brandrot. Mit einem hastigen Ruck riss sie den goldenen Ring vom Finger und warf ihn dem Paar vor die Füsse.

      „So magst den auch dazu haben!“ schrie sie, ging und schlug die Tür hinter sich ins Schloss.

      Da wich die Krankheit vom Daniel Storekjäft, da liess er die Brita los und tat einen tiefen Seufzer. Dann suchte er das Ringlein. Dieweil stand die Brita, zupfte an ihrem Fürtuch herum und wusste nicht aus noch ein.

      Der Daniel war über sie gekommen wie der Wirbelwind.