Mit Knurren können Hunde vokalisieren, wie sie sich fühlen. Falls die Möglichkeit, diese Warnung zu nutzen, wegfällt, weil der Hund fürs Knurren bestraft worden ist – was bleibt ihm da noch? Wie kann er sein Unbehagen zum Ausdruck bringen? Genau wie im Supermarkt bliebe keine andere Möglichkeit, als auf körperliche Maßnahmen zurückzugreifen, um auf die Notlage aufmerksam zu machen. Einen Hund fürs Knurren zu bestrafen ist eine extrem schlechte Idee! Als Verhaltensexpertin habe ich zahllose Hunde gesehen, die ohne Vorwarnung zubissen, weil sie beim Knurren mit der Stimme gemaßregelt oder körperlich bestraft wurden. Wenn Ihr Hund knurrt, sei es bei Ihnen oder einem anderen Hund, nehmen Sie die Spannung aus der Situation – und kommen dann wieder zusammen, um zu überlegen, wie man das Problem lösen könnte. Natürlich werden Ihre Hunde im Idealfall keine Veranlassung haben, sich gegenseitig oder irgendjemanden anzuknurren. Doch indem Sie Knurren als Kommunikationsmittel ansehen anstatt als etwas, das bestraft werden müsste, zeigen Sie Verständnis und Wertschätzung für die Gefühle Ihres Hundes. Dadurch können Sie die Situation richtig einschätzen und angemessen handeln. Denken Sie daran: Knurren ist nicht dazu da, um Gewalt hervorzurufen, sondern um diese zu verhindern.
Offensives Zähneblecken und Unterwürfigkeitsgrinsen
Haben Sie jemals eine Naturdoku gesehen, bei der zwei Wölfe aufeinandertreffen und die Kamera das Gesicht eines Wolfes in Großaufnahme zeigt? Plötzlich scheint es, als ob der gesamte Bildschirm nur aus Zähnen bestünde! Die obere Lefze des Wolfes ist zurückgezogen, als wollte er dem anderen Wolf sagen „Siehst du meine perlweißen Zähne? Beachte die zwei langen, spitzen da. Sie könnten in deinem Nacken stecken, wenn du noch einen Schritt weiter gehst!“ Dieses spektakuläre Detail der Körpersprache nennt man offensives Zähneblecken und es ist bei Hunden ebenso zu beobachten. Wenn es vollständig zur Schau gestellt wird, dann ist die obere Lefze so weit zurückgezogen, dass die Schnauze faltig wird. Die beiden Fangzähne – diese langen, gebogenen, mit denen es zur Sache geht – werden voll zur Schau gestellt, gemeinsam mit der oberen dazwischen liegenden Reihe an Zähnen. Der Kiefer kann geschlossen oder geöffnet sein. Die Zungenspitze mag dabei schnell hinein und hinausschnellen, was man nicht mit dem zuvor genannten Lefzenschlecken verwechseln sollte, mit welchem er einem anderen Hund mitteilt, „Ich bin keine Bedrohung.“ Dieses Tier zeigt ganz bestimmt eine bedrohliche Haltung! Manchmal zieht ein Hund seine Lefzen hoch, ohne in das komplette offensive Zähneblecken überzugehen. Und manche Hunde heben nur eine Ecke der oberen Lefze, was ich – ich kann nicht anders – als „die Elvis-Oberlippe“ bezeichne.
Ein offensives Zähneblecken sollte nie mit einem Unterwürfigkeitsgrinsen verwechselt werden. Beim offensiven Zähneblecken ist die obere Lefze gerade hochgezogen und die Mundwinkel sind nach vorne geschoben, um ein C zu formen. Bei einem Unterwürfigkeitsgrinsen werden zwar die Vorderzähne gezeigt, aber die Mundwinkel sind straff nach hinten gezogen und mehrere Backenzähne können sichtbar sein. Manche Hunde grinsen, wenn sie sich ambivalent oder sogar glücklich fühlen, und vielen hat man beigebracht, es auf Kommando vorzuführen. Manche zeigen es, wenn sie gemaßregelt wurden, nervös sind oder sich bedroht fühlen. Vor einiger Zeit gingen Videos mit Hunden, die „lachen“, im Internet viral. Tatsächlich waren diese Hunde von ihren Besitzern mit Sätzen wie „Was hast du angestellt?“ ausgeschimpft worden und haben alles andere als gelächelt, sondern ein Unterwürfigkeitsgrinsen gezeigt. Da das Unterwürfigkeitsgrinsen nicht so häufig gezeigt wird, wird es manchmal als Bedrohung aufgefasst. Glücklicherweise erkennen Hunde den Unterschied zwischen einem offensiven Zähneblecken und einem Unterwürfigkeitsgrinsen bei anderen Hunden. Für uns Menschen ist es wichtig, dass wir diesen Teil der Körpersprache im Zusammenhang mit anderen Signalen bewerten, die der Hund zeigt, damit wir ihn richtig einschätzen können.
Offensives Zähneblecken.
Unterwürfigkeitsgrinsen.
Bodhi (links) zeigt widersprüchliche Körpersprache. Obwohl er die Zähne zeigt, hat er den Körper abgewendet, eine Pfote erhoben und die Ohren nach hinten gelegt. Sierra sieht jedenfalls nicht aus, als würde sie streiten.
Bekäme ich jedes Mal einen Dollar, wenn ich jemanden sagen höre: „Er wollte mich beißen, aber ich konnte meine Hand gerade noch wegziehen!“, würde ich am Strand von Tahiti sitzen und schreiben. Hunde sind schneller als Menschen. Wenn ein Hund beißen will, dann beißt er. Ein Luftschnapper, bei dem der Hund anscheinend in die Luft beißt, anstatt zuzubeißen, ist eine klare Bedrohung. Der Hund sagt „Die Leere hättest Du sein können. Wenn Du so weiter machst, dann wirst es Du sein!“ Hunde schnappen auch während des Spiels in die Luft, aber wo es Spannungen zwischen Hunde gibt, achten Sie auf dieses vielsagende Bisschen an Körpersprache.
Obwohl ein Biss eher eine Aktion als ein Teil der Körpersprache ist (und wahrlich keine unterschwellige), muss man darüber reden. Der Schweregrad reicht durch das ganze Beiß-Spektrum von einem Hund, der rasch vorschnellt und das Fell des anderen kaum streift (im Grunde nur eine Warnung) bis hin zu dem Hund, der einen anderen packt und im Versuch, diesen umzubringen, am Nacken schüttelt. Die meisten Bisse sind irgendwo zwischen diesen beiden Extremen einzuordnen. Wie groß der Schaden ist, hängt nicht nur von der Bissintensität ab, sondern auch von der Größe und Stärke der beteiligten Hunde; ein ernsthafter Biss von einem Chihuahua wird wahrscheinlich nicht so viel Schaden anrichten wie der von einer Bullrasse oder einem Mastiff.
Die meisten Konflikte unter Hunden sind laut und erscheinen heftig, aber tatsächlich entsteht dabei kein körperlicher Schaden. Besonders zwei Rüden können klingen, als ob sie in eine Kneipenschlägerei verwickelt wären! Jede Menge Gebell und Knurren sind am Start und auch Luftschnappen kann dabei sein. Das alles klingt furchterregend, aber meistens ist diese Art von Geplänkel oft mehr Getöse als sonst etwas und es resultieren keine körperlichen Verletzungen daraus.
Bei Hundezankereien gibt es oft minimale Schäden bei einem oder beiden Hunden in Form von Kratzern oder kleinen Rissen, verursacht von Zähnen, die die Haut erwischt haben. Ohren und besonders die Schnauze sind anfällig für kleine Blutungen, was erschreckend aussehen kann. Es kann wechselweise zu kleinen Warnbissen kommen, die die Haut tatsächlich gar nicht durchdringen. In beiden Szenarien wollen die beteiligten Hunde keinen ernsthaften Schaden anrichten.
Wenn wir auf der Skala weitergehen, kommen wir zu Bissen, die absichtlich durch die Haut dringen. Diese können von sehr oberflächlichen Bissen bis hin zu tiefen Punktutationswunden reichen. Je ernstgemeinter ein Biss, desto tiefer dringen die Zähne in den Körper. Die Schwere von Punktuationswunden kann man anhand ihrer Tiefe, Menge und Anordnung am Körper beurteilen. Am unteren Ende der Skala liegt ein einziger, oberflächlicher Biss. Zum Beispiel wenn ein Hund herangeschossen kommt, zubeißt und wieder davonschießt oder der andere Hund wegrennt. An deutlicheren Punktuationswunden ist schätzungsweise die halbe Länge eines Hundezahns involviert. Am oberen Ende wären dann mehrfache Punktuationswunden, in die der Hund seine Zähne bis zum Anschlag versenkt hat. Wenn das Opfer sich wegzieht, kann es auch zu Risswunden kommen.
Bei einem extremen Angriff klammert ein Hund seine Zähne um das Genick des anderen Hundes und schüttelt dann seinen Kopf hin und her. Möglicherweise haben Sie Ihren Hund schon einmal dabei beobachtet, wie er dies mit einem Stoffspielzeug tut. In diesem Zusammenhang geht es ums Spielen, doch dieselbe Bewegung nutzen viele Tiere dazu, ihre Beute zu töten. Einmal hatte ich eine Kundin im Training, die mir berichtete, dass ihr größerer den kleineren Hund am Genick gepackt und geschüttelt