Abenteuer auf den Inseln: Nonnis Erlebnisse auf Seeland und Fünen. Jón Svensson. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jón Svensson
Издательство: Bookwire
Серия: Nonni
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9788711446119
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      „Ja, es tut mir furchtbar weh. Es ist, wie wenn Gift in die Wunde gekommen wäre.“

      Der junge Mann schien jetzt ernstlich bange zu werden. Er sagte:

      „Nein, Gift ist das nicht, es ist nur etwas Schmutz. Unsere Hausfrau wird das schon waschen und einen Verband anlegen.“

      Ich zog die Jacke an, nahm den Rucksack und wollte ihn wieder auf den Rücken schnallen. Der Bauernbursche bot sich an, ihn für mich zu tragen. Ich nahm diesen Dienst aber nicht an, sondern bat wiederum Valdemar, mir behilflich zu sein.

      „Siehst du, Valdemar, dem Burschen ist bange geworden“, flüsterte ich Valdemar ins Ohr.

      „Ich merke es auch“, sprach der Kleine leise zurück. „Aber wie wird es mit dem Bauern gehen?“

      „Wenn wir beide mutig sind, wird es ihm geradeso gehen wie dem Burschen.“

      „Gut, Nonni“, sagte Valdemar, „ich werde versuchen, mutig zu sein.“

      6. Der zornige Bauer

      Nun kamen wir bei dem Bauernhof an. Vor dem Eingang stand ein großer und kräftiger Mann. In der rechten Hand hielt er eine lange Birkenrute.

      Der Hund sprang gleich zu ihm hin und begrüßte ihn mit lautem Bellen und allerlei sonstigen Freundlichkeiten.

      Sein Herr wies ihn aber zornig von sich ab.

      Der Bursche trat näher und sagte:

      „Hier sind die beiden Diebe.“

      Der furchtbare Mensch gab keine Antwort, sondern schaute uns fortwährend mit grimmigen Augen an. Der Bursche verschwand, ohne ein weiteres Wort zu sagen, in den Hof hinein.

      Valdemar war blaß geworden wie eine Leiche. Er wagte kaum die Augen aufzumachen.

      Ich selber, der bisher dem kleinen Valdemar mit so vielem Eifer Mut zugesprochen hatte, fühlte jetzt meine eigene Zuversicht schwinden.

      Wir standen alle da, ganz still. Keiner sprach ein Wort. Selbst der Hund war hinter einen Steinblock gekrochen und hatte sich dort hingelegt.

      Es waren schreckliche Augenblicke. . . .

      Ich suchte mich innerlich aufzuraffen. Es gelang mir aber nicht recht.

      Ich rief Gott und alle guten Geister um Hilfe an und wartete, was geschehen werde.

      Endlich öffnete der Bauer seinen Mund — und indem er mit der Rute zu jedem Worte den Takt schlug, schrie er uns mit Donnerstimme zu:

      „Was — habt — ihr — bei — meinen — Kühen — zu tun — gehabt?“

      Ich wollte antworten, aber die Worte blieben mir im Halse stecken. Ich brachte einstweilen keinen Laut heraus.

      Der furchtbare Blick des Bauern lastete auf uns mit Zentnerschwere und drückte uns beide zu Boden.

      Plötzlich dachte ich an Valdemar, und ich fühlte dabei, wie das Blut in mein Gesicht stieg. Ich schämte mich unsäglich vor meinem jüngeren, schwächeren Gefährten, dessen Führer ich sein sollte, daß ich mich nun plötzlich selber so schwach und so feige hatte zeigen können.

      Dieser Gedanke stärkte mich, richtete mich wieder auf und half mir, meine Angst vollständig zu überwinden.

      Ich hatte immer noch nicht geantwortet, und nun wiederholte der Bauer seine Frage, diesmal aber in einem noch viel schärferen Tone:

      „Was — habt — ihr — bei — meinen — Kühen — zu — tun — gehabt?“

      Jetzt fühlte ich, daß sein Zorn auch mich angesteckt hatte. Ich schaute ihm fest in die Augen und antwortete mit der ganzen Kraft meiner Stimme:

      „Wir wollten Milch trinken, weil wir durstig waren.“

      Der schreckliche Mensch schien ein paar Augenblicke in Verwirrung geraten zu sein wegen meiner plötzlichen Umwandlung. Er gewann aber bald die Fassung wieder und rot vor Wut donnerte er mir die Worte entgegen:

      „So! — Ihr wolltet meine Milch trinken. Da ihr also Diebe seid, werde ich euch mit der Rute züchtigen.“

      Ich war jetzt in Erregung gekommen und ließ mich nicht mehr einschüchtern. Ich schrie ihm mit voller Stimme zurück:

      „Wir sind keine Diebe. Wir wollten nur ein wenig Milch trinken und es Ihnen nachher anzeigen.“

      „Bist du verrückt, Junge?“ brauste jetzt der zornige Bauer auf. „Meinst du, daß jemand dir so etwas glauben werde?“

      „Man muß es doch glauben, da es wahr ist!“ schrie ich ihm kräftig zurück.

      „Dann will ich dir aber etwas sagen, was noch mehr wahr ist. Und es ist dies: daß ich euch beide jetzt derart durchhaue, daß ihr heulen werdet wie die Ferkel, die man totsticht.“

      Meine bisherige Festigkeit war bedeutend erschüttert. Die Übermacht, der gegenüber wir uns befanden, war zu groß, und wir standen eine Weile wie gelähmt da.

      Schweigend und mit einem grausamen Vergnügen schaute uns der Bauer unterdessen an.

      Nachdem er uns so einige Augenblicke gepeinigt hatte, sagte er mit rauher Stimme:

      „Nun kann’s beginnen. — Legt eure Rucksäcke ab.“

      Valdemar und ich warfen uns gegenseitig einen bangen Blick zu, machten aber keine Anstalten, zu gehorchen.

      Dann aber erdröhnte die Stimme des Bauern mit doppelter Gewalt:

      „Legt eure Rucksäcke ab!“

      Mechanisch führten wir den Befehl aus, nahmen die Rucksäcke herunter und legten sie auf den Boden.

      Valdemar fing schon halblaut zu weinen an.

      Jetzt kommandierte der Mann:

      „Marsch in die Vorstube hinein!“

      Wieder warf mir Valdemar einen angstvollen Blick zu. Wir sprachen aber kein Wort.

      Wir zauderten beide ein paar Augenblicke — dann kamen wir auch diesem Befehle nach.

      Der Bauer führte uns in ein kleines Stübchen nahe beim Eingang und schloß die Tür hinter sich.

      Kaum hatte der Prügelmeister die Tür zugeschlossen, da kam er auf mich zu und sagte:

      „Der Größere kommt zuerst an die Reihe.“

      Als er diese Worte gesprochen hatte, packte er mich ziemlich unsanft beim Arme und wollte mich nach einem Tische schleppen, der mitten in der Stube stand.

      Bei dieser Berührung erwachten auf einmal alle meine Lebensgeister. Mein Blut kam in Wallung, und ich fühlte plötzlich eine Kraft und eine Energie, die mich selber in Staunen setzten und die mich nun nicht mehr verlassen sollten.

      Ich riß mich von dem starken Manne durch einen heftigen Ruck los, sprang zu Valdemar hin und stellte mich an seine Seite.

      Dann rief ich dem Bauern in der heftigsten Gemütsbewegung zu:

      „Ich habe Ihnen schon gesagt, daß wir keine Diebe sind. Sie dürfen uns daher nicht schlagen.“

      „Du wagst, mir zu widerstehen!“ schrie mir der Bauer zu, zitternd vor Zorn.

      „Ja, und wagen Sie es nicht, uns anzurühren!“

      „Ich will dir zeigen, wer hier der Herr ist“, schrie nun der Bauer, ganz außer sich vor Wut.

      „Gewiß sind Sie der Herr, aber schlagen dürfen Sie uns nicht!“ wiederholte ich klar und entschieden.

      „So, Diebe darf man nicht züchtigen!“

      „Wir sind keine Diebe“, wehrte ich mich energisch. „Bei mir zu Hause ist es jedem Durstigen erlaubt, die Kühe und Schafe auf den Bergen zu melken und Milch zu trinken, soviel er will. Das habe ich oft getan. Und nie hat man mich deshalb einen Dieb