„In deiner Akte steht, dass du eine Gefahr für die Menschheit bist, deshalb habe ich sehr wohl das Recht, deine Geschichten zu lesen“, sagte die Psychologin trocken.
Die Wut kochte siedend heiß in mir, aber ich wollte die Galle nicht ausspucken, die mir bitter auf der Zunge lag, und blieb lieber stumm. Was brachte es schon, zu reden? So starrte ich Frau Dr. Gabriel nur zornig an und versuchte, ihre Ausführungen über meinen geistigen Gesundheitszustand zu ignorieren. Was für ein Schwachsinn. Was wusste sie schon über mich? Nichts! Trotzdem musste ich mir ihr dummes Geschwafel anhören, sonst nahmen die Wärter mir Papier und Stifte weg, denn sie wussten genau, dass mich das am härtesten traf. Damit hatten sie mich in der Hand.
„Emilia, ich habe dich etwas gefragt?“, drang es zu meinem Ohr.
Ich zuckte mit den Schultern, die Psychologin seufzte.
„Emilia, warum schweigst du?“, setzte sie erneut an.
„Schweigen ist das Schlimmste, was man mir antun kann“, sagte ich zu meiner eigenen Überraschung. Ich biss mir auf die Zunge. Warum hatte ich das bloß getan?
„Das musst du mir erklären. Es tut dir nichts mehr weh, als etwas nicht verstehen zu können? Und deshalb schweigst du auch?“, fragte sie nach.
„Ich weiß es nicht – eigentlich will ich nicht so sein, aber ich kann mich nur auf mich verlassen. Es versteht mich sowieso keiner“, kämpfte ich mit den Tränen. Diese Unterhaltung war schrecklich.
„Bist du dir da ganz sicher? Emilia, da steckt mehr hinter deinem Schweigen. Ich habe aber die Erfahrung gemacht, dass man sehr viel Heilung erfahren kann, wenn man etwas anspricht, sich sozusagen von der Seele redet. Ich bin sogar so sehr davon überzeugt, dass ich es zu meinem Beruf gemacht habe“, ergänzte Frau Dr. Gabriel.
„Ansonsten hätten Sie kein Interesse an mir, wenn es nicht um Ihre Bezahlung ginge?“, schrie ich, schnellte in die Höhe und schmiss wütend den Stuhl um, auf dem ich gerade noch gesessen hatte. Mein Gegenüber schreckte zurück. Der Wärter, der im Raum stand, um aufzupassen, hielt mich umgehend fest. Aber es war gar nicht mehr notwendig, denn ich wehrte mich nicht.
„Emilia, ich werte das als ersten positiven Schritt, aus dir herauszugehen. Das war ein guter Anfang, um weiterzuarbeiten. Überlege es dir gut, ob du mir nicht doch deine Geschichte erzählst. Ich verspreche dir, dass ich dir helfen kann. Ja, ich werde dafür bezahlt, aber ich würde diesen Beruf nicht ausüben, wenn mir nicht der Mensch hinter seiner Geschichte an erster Stelle stehen würde. Es ist mir wichtig, dir zu helfen“, schloss die Psychologin ab, ehe ich abgeführt wurde.
In erneuter Lethargie verfallen, trottete ich in meine Zelle. Dort hatte ich wenigstens meine Ruhe.
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