Dergleichen herrliche Suppe hatte dieser aber noch niemals gegessen, sie floß wohltätig in seinen hungrigen Magen, und alsbald begann sein Blut so behaglich durch seine Glieder zu strömen, daß er meinte, sich nie im Leben so wohl gefühlt zu haben. Später gab es kleine gebratene Vöglein mit Apfelmus und dazu goldklaren Wein, der also duftete wie eitel Frühlingshauch und so kühl war, daß sich die Gläser mit feinen Perlentröpfchen beschlugen. Zuletzt kamen noch kleine Schmalzküchlein mit Himbeermus gefüllt, und gezuckerte Früchte. Wendelin, für den Pellkartoffeln und Hering schon ein Festgericht waren, glaubte, besser könne der König auch nicht speisen. Als Herr Zuckermahn sah, wie der Knabe einhieb, da schmunzelte er und sagte: »Kannst’s immer so haben – brauchst nur zu wollen.«
Nach Tisch setzte er ihm dann auseinander, was er von ihm wünsche. Er solle in seinem Garten arbeiten und seine Blumen und Sträucher in Ordnung halten, denn Herrn Zuckermahn wurde das Bücken schon etwas sauer. Dafür solle er allmonatlich einen Laubtaler, freie Wohnung und Verköstigung und jährlich einen neuen Anzug haben. Da diese Beschäftigung Wendelin erwünscht kam, ihm auch der Hexenmeister gar nicht mehr greulich, sondern als ein freundlicher kleiner Herr erschien, so schlug er ein, und die Sache war abgemacht.
Allerlei Wunderliches
Im Laufe der Zeit hatte Wendelin doch zu tun, sich an die Sonderbarkeiten dieses Hauses zu gewöhnen, denn es gingen dort ganz unerhörte Dinge vor. Selbst im Garten wollte ihm manchmal ganz graulich zumute werden, absonderlich um die Mittagszeit. Dieser schmale Raum war vorn durch das Haus, hinten durch die Stadtmauer eingeschlossen und an den Seiten ebenfalls durch hohe Mauern versperrt. Der Hexenmeister zog hier allerhand Pflanzen und Kräuter, deren er für seine Zauberkünste und Geheimmittel bedurfte, als da sind: Allermannsharnisch, Teufelsabbiß, weißen Orant, Hexenkraut, Eberwurz, Bilsenkraut, Pimpernell und dergleichen. Da wuchsen und blühten seltsame Gewächse, wie sie Wendelin noch nie gesehen hatte. An einigen hingen die Blüten wie rote Herzlein an einem Faden. Der Saft aus der Wurzel sollte gut sein gegen Liebeskummer. An anderen waren wieder die Blüten gestaltet wie Fliegen oder Schmetterlinge oder komische Männlein oder kleine Wagen, mit Täubchen bespannt. Welche wuchsen dort, die schossen aus einem Stern runder blaugrüner Blätter mächtige Stiele hervor, die einen Kranz von großen Trichterblüten trugen, wie aus weißem durchsichtigem Wachs geformt und am Grunde mit Purpurglut bemalt. Dann gab es solche, die mit langen Ranken umherkrochen und sich überall hinspannen. Wieder andere standen trotzig und stachelbewehrt da mit krausen, gezackten Blättern, und ihre Blumen schauten wie zornrote Gesichter aus einer dornigen Kappe hervor. Um die Mittagszeit war ein betäubender schwerer Duft in diesem eingeschlossenen Raume, und dann schien es Wendelin gar nicht recht geheuer dort, denn unter den Blumen regte und bewegte es sich seltsam. Zuweilen war es ihm, als wenn sie mit Gesichtern nach ihm hinsahen, dann die Köpfe zusamensteckten und miteinander kicherten. Einmal, als er auf eine lange Ranke trat, die auf den Steig gekrochen war, hörte er deutlich ein feines, schmerzliches Winseln, und ein andermal, als er eine Wurzel auszog, seufzte und klagte diese ganz wie ein Mensch, so daß er sie erschreckt fallen ließ. Noch mehr aber erschrak er, als die Wurzel sofort wieder in ihr Loch zurückschlüpfte und ein deutliches Lachen hören ließ. Solcherlei merkwürdige Dinge passierten ihm noch mehr, und deshalb hatte er um die Mittagszeit nicht gern in dem Garten etwas zu tun.
Im Hause selbst war es aber auch nicht geheuer, denn in allen Winkeln huschte und muschelte es, absonderlich in der Dämmerung. Daß dies nun immer Ratten und Mäuse waren, das glaubte Wendelin nicht, denn er hatte manchmal deutlich kleine Männchen mit großen Köpfen erkannt, die dort mit Besen und Schrubber hantierten. Es mochten wohl Heinzelmännchen oder dergleichen sein, die das Haus reinlich und instand hielten, denn alles war immer sauber und gefegt, obgleich niemand sonst eine Hand dazu rührte. Zuweilen bekam Herr Zuckermahn einen sonderbaren Besuch. Die Haustür öffnete sich, und alle Glocken klingelten, allein es war niemand zu sehen. Dann schlürfte es wie auf Pantoffeln über den Gang und klopfte spitz und knöchern an die Tür. Herr Zuckermahn öffnete und ließ es herein und war sehr höflich, ja fast kriechend gegen das Ding, das man nicht sah. War Wendelin zugegen, da ward er eiligst hinausgeschoben, und dann hörte er, wie der Hexenmeister laut und eifrig sprach und eine krähende Stimme ihm Anwort gab. Nach einer Weile ging der Spuk wieder fort in derselben Weise, wie er gekommen war. Herr Zuckermahn war dann gewöhnlich sehr blaß und aufgeregt und mußte zu seiner Stärkung viel Wein trinken.
Wendelin schlief oben in einer Bodenkammer, wo unter der Decke allerlei getrocknete Kräuter hingen und wo manches alte seltsame Möbel stand. Die Wände waren tapeziert mit einer sehr alten gewirkten Tapete, auf der die Kunst des Webers viele bunte, phantastische Vögel gebildet hatte, die in Blumengewinden saßen. Einst um Mitternacht, als der Vollmond in die Kammer schien, wachte Wendelin auf von einem lieblichen Singen und Klingen. Der Mond schien hell auf die alte Tapete, und da sah er nun, wie alle die bunten Vögel eifrig sangen; er konnte deutlich bemerken, wie sie den Schnabel bewegten und den Kropf aufbliesen. Erst als es von der Turmuhr eins schlug, verstummten sie wieder.
An alle diese verwunderlichen Dinge gewöhnte sich aber Wendelin allmählich, und schließlich achtete er nur noch wenig darauf. Da er nun bei seiner leichten Gartenarbeit so wohl ernährt ward und alle Tage das feinste Wildbret und andere köstliche Gerichte zur Genüge verzehrte, so wuchs er und ward stark, und seine Wangen wurden rosig und rund wie Äpfel. Er wußte nun auch, auf welche Weise Herr Zuckermahn seinen Bedarf an feinem Wildbret bestritt. Hinter dem großen Kachelofen stellte er seine Schlingen auf; dann öffnete er ein Fenster und machte allerlei Zeichen in die Luft. Nicht lange dauerte es, dann kam es von draußen hereingesaust, und gleich darauf zappelte es hinter dem Ofen. Trat man dann hinzu, so hingen ein Hase oder fette Rebhühner, Schnepfen, Wachteln oder Krammetsvögel oder dergleichen, je nach Begehr, in den aufgestellten Schlingen. War dagegen in dem Vorratsschranke das Mehl oder die Butter oder ein Gewürz oder sonst etwas ausgegangen, da wurde aus einer Grube im Hofe die entsprechende Schieblade mit Sand gefüllt, und alsbald war das Gewünschte wieder vorhanden. Der Hexenmeister hätte wohl durch den Verkauf solcher billig erlangten Ware ein reicher Mann werden können, allein es war ein Aber dabei. Dieser Zauber wirkte nur für den Bedarf seines eigenen Hauses. Verkaufte er davon, so ward alles wieder zu Sand, was es gewesen war.
Die Elster Schackerack
In einer Ecke zwischen der Wand und dem großen, grünen Kachelofen saß in einem Gitterkäfig die Elster Schackerack. Sie war fast so klug wie ein Mensch und konnte sprechen, pfeifen und lachen, bellen und noch vieles andere. Der kleine Hund, der Zipferling hieß, mochte sie nicht leiden und stand oft lange vor dem Käfig und kläffte sie in seiner boshaften Weise an. Die Elster kümmerte sich wenig darum, nur zuweilen betrachtete sie ihn spöttisch mit einem Auge, machte sein Bellen nach und lachte dann. Dies brachte den Hund so auf, daß ihm die Augen aus dem Kopfe traten und er sich fast heiser kläffte.
Zu Wendelin schien die Elster eine große Neigung zu haben, und sooft der Knabe ins Zimmer trat, rief sie mit angenehmer Stimme: »Wendelin!« und pfiff dannn auf besonders anmutige und schöne Weise.
Eines Tages war Herr Zuckermahn ausgegangen, nachdem am Tage zuvor das unsichtbare Wesen ihn besucht und viel und heftig mit ihm geredet hatte. Kaum war er mit Zipferling fort, da hörte der Knabe vom Hause eine Stimme fortwährend rufen: »Wendelin! Wendelin!« Verwundert ging er hin und fand, daß es die Elster war, die in ihrem Käfig