Nach einer kleinen Weile erblickte sie von ungefähr nach dem Ort hin, wo er den Kreis gezogen, und siehe da, es kamen Damen, Ritter, Fräulein und Edelknechte daherspaziert, hielten sich bei den Händen angefaßt und sangen mit so lieblicher Stimme und so herrliche Weisen, als man niemals vorher dergleichen gehört. Vor ihnen her gingen auch Spielleute mit verschiedenen Instrumenten, diese machten eine so herrliche Musik zusammen mit dem Gesang, daß man die Harmonie der Engel im Himmel zu hören glaubte. In dem Kreis, welchen Merlin gezogen, standen sie still, und nun fingen einige an mit lieblichen Gebärden und mit gar anmutigen Bewegungen zu tanzen, während die andern die herrliche Musik fortsetzten.
Keines Mannes und keiner Frauen Herz war wohl jemals so wach, daß es nicht bei Anhörung dieser wundersüßen Musik eingeschlummert wäre. Auch darf man nicht fragen, ob sie so schön anzuschauen gewesen wie lieblich zu hören; sie waren alle von selten schöner Gestalt und blühendem Angesicht, und waren alle mit prächtigen Kleidern und köstlichem Geschmeide, von Perlen, Edelsteinen, Gold und Silber, so reich und auf eine so neue seltsame Weise geschmückt, daß die Augen davon geblendet wurden, wenn man sie ansah. Kein Mund kann nur den vierten Teil ihrer herrlichen Gestalt, und der wundersüßen Musik und von dem Tanze erzählen; man konnte nicht müde werden, ihnen zuzuschauen und zu hören.
Der Ort, an dem Merlin den Kreis gezogen, war ohne Schatten und ein bloßes Stück Land, als nun die Sonne höher heraufkam, entstand über den Sängern und um ihnen her ein dick belaubtes Gebüsch, und unter ihren Füßen entsprossen so viele Blumen und wohlriechende Kräuter, daß die Luft weit umher davon durchwürzt ward. Nynianne wurde nicht müde, der Musik zuzuhören, und vergaß Essen und Trinken dabei, doch konnte sie nicht verstehen, was sie sangen, obgleich sie sehr aufmerksam zuhorchte, nur den Refrain verstand sie, der hieß: »Liebes Anfang süße Freuden, endet doch in bitteres Leiden.«
Der Gesang war so laut, daß man ihn in Dionas Hause vernahm, worauf sich denn alles Volk da versammelte und nicht wenig verwundert war, diese schöne Gesellschaft und das lieblich duftende Gebüsch, den Tanz und die Musik dort zu sehen, wo vorhin niemals dergleichen war gesehen worden. Als sie nun müde waren, setzten sie sich alle zusammen in das frische grüne Gras, pflückten süß duftende Blumen, machten Kränze und Sträuße, und scherzten mit lieblichen Gebärden und Lächeln, so daß es eine Wonne war, ihnen zuzuschauen.
Merlin nahm Nynianne bei der Hand. »Was dünkt Euch hierzu?« fing er an. »Gewiß, Ihr habt so viel getan, daß ich ganz die Eurige bin«, sagte sie. »Nun, schöne Dame, so müßt Ihr auch den Vertrag halten.« – »Wahrlich, das will ich gern, nur müßt Ihr mich Eure Spiele machen lehren.« – »Ich bin es zufrieden, ich will sie Euch lehren, damit Ihr noch etwas anders wisset, als lesen und schreiben.« – »Wie? Ihr wißt, daß ich lesen und schreiben kann?« – »Ja, schöne Dame, denn mein Meister lehrte mich, alle geschehenen Dinge zu wissen.« – »Dies ist in Wahrheit denn noch das schönste von allen Euern Spielen, und ich möchte das wohl verstehen. Aber wißt Ihr denn auch die Dinge, die zukünftig geschehen sollen?« – »Jawohl, meine Herrin und geliebte Freundin, größtenteils weiß ich diese, Gott sei Dank.« – »Nun, warum wollt Ihr noch weiter etwas lernen, mit diesen hohen Wissenschaft dünkt mich, könnte Euch wohl genügen, und Ihr braucht nicht weiter zu forschen.«
Während Merlin und die Jungfrau sich so in sanften, zärtlichen Gesprächen vergnügt unterhielten, begaben die Sänger und Tänzer samt den schönen Sängerinnen und Tänzerinnen sich in den Wald, woher man sie zuerst hatte kommen sehen, verschwanden eins nach dem andern und zerflossen in Luft gegen den Wald hin, so daß man nicht wußte, wo sie hinkamen. Der schöne Busch aber und die lieblichen Blumen auf den frischen Rasen blieben stehen, weil das Fräulein den Merlin gar sehr darum bat, daß es möchte stehen bleiben, und sie nannte den Ort: Wonne und Trost.
Als sie sich recht lange unterhalten, sagte Merlin: »Schöne Jungfrau, ich muß nun fort, meine Gegenwart ist anderswo notwendig.« – »Wie? Wollt Ihr mich denn nicht vorher Eure Spiele lehren?« – »Eilet damit nicht so sehr, Fräulein, nur zu bald werdet Ihr sie lernen. Aber ich muß fort, und Ihr habt mir noch keinen Beweis Eurer Liebe gegeben.« – »Welchen Beweis soll ich Euch geben? Sagt, was Ihr verlangt, und ich will es tun.« – »Nun so gelobet mir Eure Liebe und Eure Person, daß Ihr mein eigen seid.« Die Jungfrau bedachte sich eine Weile, dann sagte sie: »Nun wohl, ich vertraue Euch und bin ganz die Eurige, und meine Liebe ist ganz für Euch, doch mit der Bedingung, daß Ihr mich sogleich einige der Künste lehrt.«
Nachdem nun Merlin ihre Treue, ihre Liebe und sie selber erhalten und sie sich ihm gelobt und ganz hingegeben hatte, lehrte er sie allerhand Künste zu ihrer Ergötzlichkeit, die sie nachmals auch sehr ausübte, so wie die Kunst, einen Fluß hervorkommen und ihn dann nach Belieben wieder verschwinden zu lassen, und andere schöne Künste mehr, die sie sehr sauber auf Pergament aufschrieb und aufbewahrte. Dann nahm Merlin von Nynianne sehr zärtlichen Abschied. »Wann werde ich Euch wiedersehen?« fragte sie ihn. Merlin versprach, am Vorabend des Johannistags bei ihr zu sein. Darauf ging er fort, und wandte sich nach Tharoaise in Thamelide, wo König Artus und die Könige Ban und Beors ihn erwarteten und freudig empfingen.
Hier hört die Geschichte auf von Merlin zu sprechen. Beschreibungen der Kriege und einzelnen Fehden zwischen Artus und seinen Feinden füllen den Rest des ersten Buchs wie auch das ganze zweite des Romans von Merlin; lauter Begebenheiten, worin er selbst wieder nur erscheint, um dem Artus durch seinen Rat, seine Tapferkeit oder auch durch Zauberei zum Sieg zu verhelfen.
Am Vorabend des Johannistages begab er sich zu seiner Freundin, die voller Freude war, ihn wiederzusehen, denn noch wußte sie nicht so viel von seinen Künsten, als sie wohl gern gewußt hätte. Sie bezeigte ihm ihre Freude und Liebe auf alle Weise; aß und trank mit ihm und schlief mit ihm in einem Bett; doch hatte sie schon so viel von der Zauberei gelernt, daß, wenn er sich nicht länger zurückhielt und sie zu seinem Willen zu bewegen versuchte oder sie umarmen wollte, sie schnell ein Kissen in ihre Gestalt verwandelte, daß er alsdenn in seine Arme nahm und so einschlief.
Auch tut die Geschichte nicht genau Meldung, daß er je einer Frau beigewohnt; und doch hatte er zu einer Frau solche Liebe getragen und sich ihr so überlassen, daß er als ein Tor zuletzt ganz in ihrer Macht war. Er blieb lange Zeit bei seiner Freundin, sie hielt seine Sinne beständig in Schranken, unterließ aber keinen Augenblick, nach allen seinen Künsten und nach seiner Weisheit zu forschen; er konnte ihr nichts versagen, lehrte sie alles, was er wußte, und sie schrieb sich jedes Wort, welches er ihr sagte, sorgfältig auf, so daß sie bald alles in ihrer Gewalt hatte. Dann nahm Merlin wieder von ihr, so wie sie von ihm, zärtlich Abschied, ging fort zu seinem Meister Blasius, versprach ihr aber vorher, über ein Jahr an demselben Tage wieder bei ihr zu sein.
XXXIV. Über Artus' und Merlins letzte Begegnung, die Chronik des Blasius und wie der Zauberer seine geliebte Nynianne alles lehrte, bis er selbst verzaubert wurde
König Artus war zu London, mit seiner Gemahlin, der Königin Genevra, seinem Neffen Herrn Gavin, Merlin und den Rittern der runden Tafel. Sie brachten hier ihre Zeit auf eine so angenehme Weise zu, daß sie wohl inne wurden, wie ihnen nichts fehle. Weder Argwohn noch Feindschaft war zwischen ihnen, nichts als Feste, Spiele, Ergötzlichkeiten und freundliche Gespräche wechselten unter ihnen ab, bald im schönen kühlen Wald oder auf dem Fluß. Auch kamen von weit und breit Ritter und Herren an den Hof des Königs Artus, auch Damen und Jungfrauen die Menge, zu ihrer Ergötzlichkeit und um die Pracht des Hofes zu sehen, als auch die Damen, um sich