Im Schatten der Sümpfe. Natalie Winter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Natalie Winter
Издательство: Bookwire
Серия: Shifter Cops
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783941408920
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auf übernatürliche Phänomene«, fuhr Catherine fort, ohne einen Blick in die Akte zu werfen. »Beide fanden innerhalb einer Familie statt. George und Maryanne Buckley. Er war zweiundsiebzig, sie achtundfünfzig Jahre alt zum Zeitpunkt ihres Todes. Sie starben am vierzehnten Juni.«

      »Sie gehen davon aus, dass es noch weitere Todesfälle geben wird«, stellte Seth fest. Er hatte die Augen wieder geöffnet, schaute Catherine aber zu ihrer heimlichen Erleichterung nicht an. Vielleicht, überlegte Kaja, half ihm das Aussprechen des Offensichtlichen beim Nachdenken? Andererseits konnte sich hinter diesem riesigen Körper auch ein schwerfälliger Geist verbergen. Sie seufzte innerlich.

      »Warum hat man uns nicht früher benachrichtigt?«, fragte sie und bezwang das dringende Bedürfnis, im Büro auf und ab zu laufen. Wenn Seth laut denken musste, okay. Sie jedenfalls brauchte Bewegung, musste rennen und schwitzen, um einen klaren Kopf zu bekommen.

      »Genau das ist der heikle Punkt. Der Modus Operandi ähnelt dem eines gesuchten Serienkillers, also hat sich das FBI den Fall geschnappt und erst einmal alle relevanten Informationen unter Verschluss gehalten. Unser Kontakt im St. Tammany Parish, zu dem Mandeville gehört, hatte Schwierigkeiten mit der Polizei. Wir haben weder Fotos vom Tatort noch den Bericht des Gerichtsmediziners.«

      Seth runzelte die Stirn. »Das heißt also, uns erwarten nicht nur bürokratische Hindernisse, sondern wir dürften gar nicht dort sein. Es läuft auf einen Undercovereinsatz hinaus.« Okay, er war also doch kein langsamer Denker. Fragend sah Kaja die Chefin an.

      »So ist es. Ihr könnt euch bei Stacy unten in der Waffenkammer alles abholen, was ihr braucht, inklusive eurer falschen Papiere.« Das belustigte Funkeln in Catherines Augen verhieß nichts Gutes, und der nächste Satz bestätigte Kajas Verdacht. »Ihr seid Kaja und Seth Elvington, die gerade eine Hochzeitsreise durch die Südstaaten der USA machen.«

      »Etwas noch Absurderes ist dir wohl nicht eingefallen?« Kaja war entsetzt, beinahe schon schockiert. Catherine wusste doch, dass sie eine Einzelgängerin war! Jetzt hatte sie ihr nicht nur einen Partner aufs Auge gedrückt, sondern auch noch einen Ehemann. Selbst wenn es nur ein fiktiver Ehemann war, so mussten sie sich ein Zimmer teilen, in der Öffentlichkeit turteln und Händchen halten.

      »Ist es etwas Persönliches oder bist du nicht professionell genug, um den Job vernünftig auszuführen?« Die gelassene Stimme ihres neuen Anhängsels klang weder vorwurfsvoll noch beleidigend. Er schien einfach neugierig zu sein. Seine bernsteinfarbenen Augen musterten sie neutral.

      Kaja hielt es nicht mehr auf ihrem Stuhl. Selbst im Stehen war sie kaum größer als der Hüne, der sich ganz entspannt im Stuhl räkelte. »Ich arbeite am liebsten allein«, erklärte sie mit ruhiger Stimme. »Es hat nichts mit dir zu tun«, fügte sie noch hinzu. »Ich bin mir sicher, du bist ein guter Cop, aber Teamwork ist nichts für mich. Ich brauche Platz und Ruhe zum Denken.«

      »Wenigstens hast du nicht gesagt, dass ich ein netter Kerl bin«, sagte er und erhob sich ebenfalls. »Aber es geht hier nicht nur um dich. Da draußen sterben Menschen.« Das Lachen erstickte in ihrer Kehle. So wie Seth es sagte, klang es weniger melodramatisch, sondern nach einer klaren Feststellung. »Ich schlage vor, wir versuchen es wenigstens. Wenn wir zwei gar nicht miteinander zurechtkommen oder ich dich am Denken hindere«, er rollte die Augen, »dann kannst du deinen nächsten Fall wieder ohne mich lösen.«

      »Besser hätte ich es auch nicht sagen können«, sagte Catherine abschließend. »Nehmt die Unterlagen mit. Es steht zwar nicht viel drin, aber ihr habt einen ersten Überblick. Eure Kontaktperson ist eine Miss Adelaide Fisher. Sie führt das Magnolia B&B, wo ihr auch übernachten werdet.« Damit waren sie entlassen. Catherine Belcott hielt sich nie damit auf, ihren Leuten gute Wünsche mit auf den Weg zu geben. Sie ging schlicht und einfach davon aus, dass sie Erfolg hatten.

      3. Kapitel

      Von New York nach New Orleans

      Die knapp dreieinhalb Stunden Flugzeit verbrachte Seth schlafend neben ihr. Kaja wunderte sich über seine Gelassenheit. Vor einem neuen Fall war sie immer besonders unruhig. Erst in dem Augenblick, da sie den Tatort betrat und all ihre Sinne einsetzen konnte, wurde sie ruhiger. Dann übernahm der Shifter Cop in ihr, bis der Fall gelöst war. Ihre Aufklärungsquote lag bei fast hundert Prozent und war wahrscheinlich der einzige Grund, weshalb Catherine sie noch nicht aus dem Team geworfen hatte.

      Seths Brust hob und senkte sich ruhig, und für einen Moment beneidete Kaja ihn um seine Gelassenheit. Mit einem Seufzer schlug sie die Akte auf und vertiefte sich in die mageren Einzelheiten. Wenn sie schon nicht schlafen konnte, würde sie sich eben einarbeiten. Als das Flugzeug zur Landung ansetzte, wusste sie immerhin, dass George und Maryanne Buckley weder Gestaltwandler waren noch Hexen, Magier oder Vampire. Ganz offensichtlich hatten sie ein ruhiges Leben geführt, sonntägliche Kirchgänge inklusive. George war bis zu seiner Pensionierung Geschäftsführer der größten Bank in New Orleans gewesen. Maryanne hatte zeitgleich mit seiner ersten Beförderung ihren Job als Grundschullehrerin aufgegeben. Seit George Privatier geworden war, hatten die beiden zwei größere Reisen nach Europa unternommen, und das war auch schon das Aufsehenerregendste, was das Vorzeige-Ehepaar jemals getan hatte. Wirklich ungewöhnlich war allein die Tatsache, dass ihre beiden Kinder immer noch mit ihnen in der riesigen Villa lebten und keine Anstalten machten auszuziehen. Sowohl Annie mit ihren dreiundzwanzig Jahren als auch die fünfunddreißigjährige Hailey lebten noch bei Mama und Papa. Die Bilder von ihnen zeigten zwei Frauen, die unterschiedlicher nicht sein konnten. Während die rothaarige Hailey auf beiden Fotos lächelnd in die Kamera blickte, wandte ihre jüngere Schwester das Gesicht ab und sah zu Boden. Es war beinahe, als wollte sie nicht fotografiert werden, dachte Kaja und blätterte die wenigen Seiten noch einmal durch. Viel war es wirklich nicht, was Miss Fisher da zusammengetragen hatte. Schade, dass sie keine vernünftige Akte hatte. Sie hätte gern einen Blick in die Bankunterlagen der Buckleys geworfen. Das Haus und seine Lage ließen darauf schließen, dass viel Geld im Spiel war, und nach Kajas Erfahrung ergaben die naheliegenden Motive oft die ergiebigsten Hinweise, wenn man einen Mord untersuchte.

      Mit einem unterdrückten Seufzer wandte sie sich wieder Miss Fishers Informationen zu. Es war so eine Sache mit den Kontaktleuten, die im Auftrag der Shifter Cops ein Auge auf die paranormale Community hatten. Amateuren wie ihnen fehlte der Blick fürs Wesentliche, für das Herz eines Falls, wie Kaja es immer nannte. Andererseits war selbst eine so gut strukturierte und professionelle Gemeinschaft wie die Shifter Cops auf die Unterstützung angewiesen, die von den Laien kam. Die Paranormalen oder Supes, wie sich die Jüngeren nannten, merkten für gewöhnlich schnell, wenn etwas nicht stimmte. Hexen waren normalerweise die Ersten, denen Unregelmäßigkeiten auffielen. Das lag nicht etwa an ihrer überragenden Intelligenz – Kaja hatte schon Hexen kennengelernt, die nicht schlauer gewesen waren als ein Pfund Butter. Hexen neigten dazu, lange Zeit am gleichen Ort zu leben, anders als Vampire oder Werwölfe, und kannten ihre Stadt besser als jeder andere. Apropos Werwölfe … Was für ein Gestaltwandler war der Mann neben ihr?

      Definitiv kein Panther, so wie sie einer war. Ihm fehlte der scharfe, beißende Geruch, den die Männchen ihrer Art ausströmten. Auch kein Löwe oder ein anderes an Land lebendes Raubtier. Normalerweise konnte Kaja gut einschätzen, in was sich ihr Gegenüber verwandelte. Wenn man wusste, wonach man Ausschau halten musste, war es gar nicht so schwer. Sie erkannte es meist an den Augen. So wie ihre grünen Augen und die schwarzen, dichten Locken ein Hinweis auf ihre zweite Natur waren, so sollten seine enorme Größe und seine bernsteinfarbenen Augen eigentlich sein Geheimnis preisgeben. Es war sein Duft, der sie verunsicherte – er roch so sauber und frisch, trotz des Hauchs von Sumpf, anders als jeder männliche Wandler, den sie kannte. Die meisten trugen ihren Testosteronhaushalt sozusagen mit fliegenden Fahnen vor sich her und neigten dazu, ihr Revier zu markieren. Mit Duft natürlich, nicht indem sie das Bein hoben. Ein leises Kichern konnte sie nicht unterdrücken, als sie sich vorstellte, wie Seth sich in einen riesigen Wolfshund verwandelte und sein Bein hob. Aber nein, er war kein Wolf, kein Hund und ganz sicher auch kein Vogelwandler. Diese Spezies neigte zu flaumigen, weichen Haaren, die kaum den Schädel bedeckten. Er hingegen hatte schönes Haar. Es sah dicht aus, aber nicht drahtig, und glänzte. Sie rutschte ein Stück näher und nahm noch eine Nase.

      »Warum