Im Schatten der Sümpfe. Natalie Winter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Natalie Winter
Издательство: Bookwire
Серия: Shifter Cops
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783941408920
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andere, dass Boukmans Plan aufgehen würde. Céciles rasender Herzschlag beruhigte sich ein wenig.

      Cécile genoss die Wärme, die vom Körper ihres Opfers ausging. Er hatte jeden Widerstand aufgegeben, als er Boukman erkannte, und hielt sich nur mit Mühe aufrecht. Trommeln und Feuer würde es für ihn nicht geben. Niemand außer ihnen und den Loa sollte wissen, was sie erschufen, deshalb war es zu riskant, ein Feuer zu entzünden.

      Neben ihr murmelte Boukman die traditionelle Beschwörungsformel, um Congo Savanne herbeizurufen. Sein Singsang, der zuerst kaum mehr als ein Flüstern war, steigerte sich, bis die Silben der einzelnen Worte kaum noch auseinanderzuhalten waren. Ihr Geist und ihr Herz schrien, dass sie weglaufen, sich in Sicherheit bringen sollte, aber als Voodoopriesterin hatte Cécile Fatiman gelernt, wie man Körper und Geist beruhigte. Sie atmete in tiefen, regelmäßigen Zügen und zwang sich, an Ort und Stelle zu bleiben. Selbst als Boukmans Körper wie von epileptischen Anfällen geschüttelt wurde und sich seine Haut geisterhaft weiß verfärbte, verbannte sie die panische Angst in den hintersten Teil ihres Gehirns. Sie spürte, wie der Loa sich ihnen näherte, aber noch zögerte. »Komm zu uns, Congo Savanne«, sagte sie so gelassen, wie es ihr möglich war, und schnitt die Fesseln ihres Gefangenen durch. Seine dunklen Pupillen rollten im Weiß seiner Augen hektisch hin und her, als er sich von ihr losriss. Sie tat so, als wolle sie ihm folgen, und beobachtete zufrieden, wie er auf unsicheren Beinen durch das Gebüsch stolperte. Als er endlich außer Sichtweite war, atmete sie auf.

      Und dann war der Loa, den sie gerufen hatten, plötzlich da.

      Ihre Knie zitterten, ihre Kehle war wie ausgedörrt. Nur mit Mühe gelang es ihr, ihren Blick zu heben. Die Gestalt des Loa verschwamm vor ihren Augen, als er sich anschickte, hinter dem Flüchtenden herzulaufen.

      Sie hatte Congo Savanne auf die Spur des Mannes gesetzt, er hatte den Köder geschluckt und würde dem menschlichen Fleisch nicht widerstehen können. Der grausame Loa war nicht nur ein Menschenfresser, sondern sehnte sich auch danach, einen Körper zu besitzen. Er würde für einen Moment in den Körper hineinschlüpfen, und dies war der Moment, in dem Boukman seinen Part als Voodoopriester übernahm und den Loa in den menschlichen Leib bannte.

      Sie und ihr Gefährte würden den einen unverzeihlichen Frevel begehen, den ihr selbst Maman Brigitte nicht verzeihen konnte.

      Boukman war bereits hinter dem Mann und dem Loa hergelaufen, und nun setzte sich auch Cécile in Bewegung. Sie kam gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie der Loa vom Körper seines Opfers Besitz ergriff.

      Statt des ehemaligen Sklaven blickten die intelligenten Augen von Congo Savanne sie aus dem dunklen Gesicht an. Ein hungriges Zähnefletschen spaltete sein Gesicht. Waren das Fleischreste zwischen seinen spitz zulaufenden Zähnen? Cécile schauderte und senkte den Blick. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie der Loa prüfend die neuen Gliedmaßen hin und her bewegte. Es war ein grausiger Anblick, wie er mit den Armen schlenkerte, sie dehnte und bis an die Grenzen der Belastbarkeit Muskeln und Sehnen ausprobierte.

      Sie hatten ein Monster gerufen, und es hatte ihre Bitten erhört. Nur die Zeit konnte zeigen, ob es das Leben eines Mannes wert gewesen war.

      2. Kapitel

      New York, Gegenwart

      »Auf gar keinen Fall!« Kaja Lenoire schoss förmlich aus dem wuchtigen Ledersessel hoch. Sie ballte die Fäuste und baute sich vor dem Schreibtisch ihrer Chefin auf, die ein süffisantes Grinsen zur Schau trug. »Du weißt, dass ich am liebsten allein arbeite. Ein Partner ist das Letzte, was ich brauche!«

      »Das ist nicht verhandlungsfähig«, erwiderte Catherine Belcott in endgültigem Ton. Ihre Pupillen weiteten sich, ein erstes Anzeichen dafür, dass Ärger drohte. Kaja kannte sich gut aus mit allen Warnsignalen, die verrieten, dass ihre Vorgesetzte die Geduld verlor.

      »Mit wem habe ich die Ehre?« Den sarkastischen Tonfall konnte Kaja nicht unterdrücken. »Darf ich mir wenigstens aussuchen, mit wem ich ans Ende der Welt reisen werde?« Sie hatte eigentlich »Arsch der Welt« sagen wollen, beschloss dann aber, den Bogen nicht zu überspannen. Als Tochter eines Predigers legte Catherine sehr viel Wert auf Höflichkeit. Wenigstens so lange, bis das Erbe ihrer Mutter, einer amerikanischen Werwölfin, die strenge Erziehung zur Seite schubste. »Wie sieht es denn mit Madoc aus? Ich habe gehört, er hat seinen letzten Auftrag gerade erledigt. Irgendetwas mit diesen Hexen in New England, stimmt´s?« Ein kleiner Ablenkungsversuch vom leidigen Thema eines Partners konnte nicht schaden.

      »Kaja«, sagte Catherine mit ruhiger Stimme, »wenn du dich beruhigen könntest, dann würde ich dir sowohl deinen Partner vorstellen als auch den Fall mit euch besprechen. Setz dich.« Widerstrebend nahm Kaja Platz. Ihr zierlicher Körper vibrierte förmlich vor angestauter Energie. Sie war heute so früh ins Hauptquartier der Shifter Cops zitiert worden, dass ihre morgendliche Joggingrunde durch den Central Park ausfallen musste. Ihre Chefin langte hinüber zum Telefon und drückte eine Taste. »Sondra, schickst du mir bitte den neuen Mann herein? Ja«, sie rollte mit den Augen, »ich habe es ihr gesagt. Und ich lebe noch, danke der Nachfrage.« Catherine zwinkerte Kaja zu. »Dein Ruf eilt dir voraus, meine Liebe. Ich könnte mir vorstellen, dass deine Kollegen bereits Wetten darauf abschließen, wie lange unser neuer Mann es mit dir aushält.«

      Kaja bemühte sich vergeblich um ein Pokerface, bevor sie in lautes Lachen ausbrach. »Dann ist meine Strategie ja aufgegangen«, stellte sie fest. »Mein letzter Partner …«

      »… hat kapituliert und schiebt jetzt eine ruhige Kugel im Innendienst. Erinnere mich bloß nicht daran«, fiel ihr die Chefin ins Wort. »Du mit deiner Vorliebe für riskante und unüberlegte Aktionen hast mich schon einige Nerven gekostet. Vom Papierkram ganz zu schweigen.« Sie legte den Kopf schief und lauschte. »Ah, da kommt er.« Es klopfte leise, und auf Catherines »Herein« öffnete sich die Tür. Noch bevor Kaja sich umdrehen oder höflich aufstehen und auf den neuen Kollegen zugehen konnte, erfüllte sein Geruch den Raum.

      Unwillkürlich schloss sie die Augen. Diesen Duft hatte sie schon lange nicht mehr wahrgenommen, und die Erinnerungen, die mit ihm kamen, ließen sie die Fäuste ballen. Warmes, von langen Sonnenstunden aufgeheiztes Holz. Milch und Honig. Ein frisch bezogenes Bett, sauber und leicht nach Stärke duftend. Und darunter, kaum wahrnehmbar, der schwül-feuchte und leicht muffige Geruch des allgegenwärtigen Sumpfes. Der nächste Schock kam, als sie aufstand und sich ihm zuwandte. Er überragte sie um zwei Köpfe, und das war selbst für Kajas Verhältnisse viel. Sie war es gewohnt, die Kleinste zu sein, aber dieser Mann füllte den Raum auf mysteriöse Weise mit weit mehr als seiner Größe. Er war gut gebaut, mit breiten Schultern und einer muskulösen Brust. Dabei wirkten seine Muskeln nicht wie im Studio antrainiert, sondern so, als wüsste er sie auch einzusetzen. Kurzes, dunkles Haar umrahmte ein kantiges Gesicht, in dem die bernsteinfarbenen Augen leuchteten. Sein Blick, so kam es Kaja wenigstens vor, erfasste ihre Person in Bruchteilen von Sekunden. Seine Nasenflügel blähten sich, sogen ihren Geruch ein, und für einen Moment weiteten sich seine Augen. Dann trat er einen Schritt auf sie zu und streckte ihr seine Hand entgegen. »Seth Ives.« Sein Händedruck war angenehm fest, aber er schien trotz seines dominanten Geruchs kein Macho zu sein. Seine zweifellos vorhandene Kraft benutzte er jedenfalls nicht, um ihr die Hand zu zerquetschen und zu demonstrieren, wer von ihnen beiden die Oberhand hatte. Das war schon mal ein Fortschritt zu ihrem letzten Partner.

      Sie wandte sich Catherine Belcott zu, die das Aufeinandertreffen der beiden von ihrer Position hinter dem Schreibtisch beobachtet hatte, und machte sich nicht einmal die Mühe, das zufriedene Grinsen von ihrem Gesicht zu verbannen.

      »Setzt euch doch«, schlug Catherine vor und griff nach einer dünnen Akte, die auf dem penibel aufgeräumten Schreibtisch lag. »Ihr wisst ja bereits, dass euer Auftrag euch nach Louisiana führt. In die Nähe von Mandeville, um genau zu sein. Die Kleinstadt hat etwa zwölftausend Einwohner und liegt am Nordufer des Lake Pontchartrain, genau gegenüber von New Orleans.« Das war ihre Art, an einen Fall heranzugehen. Systematisch machte Catherine sie mit der Geografie ihres Einsatzgebietes vertraut, bevor sie zu den wirklich wichtigen Dingen kam. Kaja warf Seth, der seinen Ledersessel neben ihr vollkommen ausfüllte, einen Blick zu. Völlig entspannt saß er da, die Hände locker im Schoß gefaltet. Sein Geruch hing immer noch in der Luft, aber