Sämtliche Werke von Shakespeare in einem Band: Zweisprachige Ausgabe (Deutsch-Englisch). William Shakespeare. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: William Shakespeare
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788075833631
Скачать книгу
zwanzig Jahre

       Sinds bis dahin. Doch ich vergaß, warum

       Ich dich zurückgerufen.

      ROMEO

       Laß hier mich stehn, derweil du dich bedenkst.

      JULIA

       Auf daß du stets hier weilst, werd ich vergessen,

       Bedenkend, wie mir deine Näh so lieb.

      ROMEO

       Auf daß du stets vergessest, werd ich weilen,

       Vergessend, daß ich irgend sonst daheim.

      JULIA

       Es tagt beinah, ich wollte nun, du gingst;

       Doch weiter nicht, als wie ein tändelnd Mädchen

       Ihr Vögelchen der Hand entschlüpfen läßt,

       Gleich einem Armen in der Banden Druck,

       Und dann zurück ihn zieht am seidnen Faden;

       So liebevoll mißgönnt sie ihm die Freiheit.

      ROMEO

       War ich dein Vögelchen!

      JULIA

       Ach wärst du's. Lieber!

       Doch hegt und pflegt ich dich gewiß zu Tod.

       Nun gute Nacht! So süß ist Trennungswehe,

       Ich rief wohl gute Nacht, bis ich den Morgen sähe.

       Sie geht zurück.

      ROMEO

       Schlaf wohn auf deinem Aug, Fried in der Brust!

       O wär ich Fried und Schlaf und ruht in solcher Lust!

       Ich will zur Zell des frommen Vaters gehen,

       Mein Glück ihm sagen und um Hülf ihn flehen.

       Ab.

      DRITTE SZENE

       Inhaltsverzeichnis

       [Ein Klostergarten] Bruder Lorenzos Zelle

       Bruder Lorenzo mit einem Körbchen.

      LORENZO

       Der Morgen lächelt froh der Nacht ins Angesicht

       Und säumet das Gewölk im Ost mit Streifen Licht.

       Die matte Finsternis flieht wankend, wie betrunken,

       Von Titans Pfad, besprüht von seiner Rosse Funken.

       Eh höher nun die Sonn ihr glühend Aug erhebt,

       Den Tau der Nacht verzehrt und neu die Welt belebt,

       Muß ich dies Körbchen hier voll Kraut und Blumen lesen,

       Voll Pflanzen giftger Art und diensam zum Genesen.

       Die Mutter der Natur, die Erd, ist auch ihr Grab,

       Und was ihr Schoß gebar, sinkt tot in ihn hinab,

       Und Kinder mannigfalt, so all ihr Schoß empfangen,

       Sehn wir, gesäugt von ihr, an ihren Brüsten hangen.

       An vielen Tugenden sind viele drunter reich,

       Ganz ohne Wert nicht eins, doch keins dem andern gleich.

       Oh, große Kräfte sinds, weiß man sie recht zu pflegen,

       Die Pflanzen, Kräuter, Stein in ihrem Innern hegen;

       Was nur auf Erden lebt, da ist auch nichts so schlecht,

       Daß es der Erde nicht besondern Nutzen brächt.

       Doch ist auch nichts so gut, das, diesem Ziel entwendet,

       Abtrünnig seiner Art, sich nicht durch Mißbrauch schändet.

       In Laster wandelt sich selbst Tugend, falsch geübt,

       Wie Ausführung auch wohl dem Laster Würde gibt.

       Die kleine Blume hier beherbergt giftge Säfte

       In ihrer zarten Hüll und milde Heilungskräfte!

       Sie labet den Geruch und dadurch jeden Sinn;

       Gekostet, dringt sie gleich zum Herzen tötend hin.

       Zwei Feinde lagern so im menschlichen Gemüte

       Sich immerdar im Kampf: verderbter Will und Güte,

       Und wo das Schlechtre herrscht mit siegender Gewalt,

       Dergleichen Pflanze frißt des Todes Wurm gar bald.

       Romeo tritt auf.

      ROMEO

       Mein Vater, guten Morgen!

      LORENZO

       Sei der Herr gesegnet!

       Wes ist der frühe Gruß, der freundlich mir begegnet?

       Mein junger Sohn, es zeigt, daß wildes Blut dich plagt,

       Daß du dem Bett so früh schon Lebewohl gesagt.

       Die wache Sorge lauscht im Auge jedes Alten,

       Und Schlummer bettet nie sich da, wo Sorgen walten;

       Doch da wohnt goldner Schlaf, wo mit gesundem Blut

       Und grillenfreiem Hirn die frische Jugend ruht.

       Drum läßt mich sicherlich dein frühes Kommen wissen,

       Daß innre Unordnung vom Lager dich gerissen.

       Wie? Oder hätte gar mein Romeo die Nacht

       - Nun rat ichs besser - nicht im Bette hingebracht?

      ROMEO

       So ists, ich wußte mir viel süßre Ruh zu finden.

      LORENZO

       Verzeih die Sünde Gott! Warst du bei Rosalinden?

      ROMEO

       Bei Rosalinden, ich? Ehrwürdger Vater, nein!

       Vergessen ist der Nam und dieses Namens Pein.

      LORENZO

       Das ist mein wackrer Sohn! Allein wo warst du? Sage!

      ROMEO

       So hör; ich sparte gern dir eine zweite Frage.

       Ich war bei meinem Feind auf einem Freudenmahl,

       Und da verwundete mich jemand auf einmal.

       Desgleichen tat ich ihm, und für die beiden Wunden

       Wird heilge Arzenei bei deinem Amt gefunden.

       Ich hege keinen Groll, mein frommer, alter Freund,

       Denn sieh, zustatten kommt die Bitt auch meinem Feind.

      LORENZO

       Einfältig, lieber Sohn! Nicht Silben fein gestochen!

       Wer Rätsel beichtet, wird in Rätseln losgesprochen.

      ROMEO

       So wiss' einfältiglich: Ich wandte Seel und Sinn

       In Lieb auf Capulets holdselge Tochter hin.

       Sie gab ihr ganzes Herz zurück mir für das meine,

       Und uns Vereinten fehlt zum innigsten Vereine

       Die heilge Trauung nur; doch wie und wo und wann

       Wir uns gesehn, erklärt und Schwur um Schwur getan,

       Das alles will ich dir auf unserm Weg erzählen;

       Nur bitt ich, willge drein, noch heut uns zu vermählen!

      LORENZO