Sämtliche Werke von Shakespeare in einem Band: Zweisprachige Ausgabe (Deutsch-Englisch). William Shakespeare. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: William Shakespeare
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788075833631
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Gut gesagt: spinne mir nun diesen Scherz weiter, bis du deinen Tanzschuh abgenutzt hast; so daß, wenn seine einzige Sohle abgenutzt ist, der Scherz solo und einzigartig hernach übrig bleibe.

      ROMEO

       Oh einfachbesohlter Scherz, einfach einzigartig in seiner Einfalt!

      MERCUTIO

       Tritt zwischen uns, guter Benvolio; mein Witz schwindet mir.

      ROMEO

       Dann gib ihm Peitsche und Sporen, Peitsche und Sporen; oder ich rufe mich zum Sieger aus.

      MERCUTIO

       Nein, wenn dein Witz ebenso ziellos herumgaloppiert wie bei einer Wildgansjagd[Wildgansjagd (wild-goose chase): Ein Wettrennen zu Pferde, bei dem der führende Reiter die Strecke bestimmt. Im übertragenen Sinn: ein sehr wenig erfolgversprechendes Unternehmen.] , bin ich fertig; denn du hast mehr von einer schnatternden Wildgans in einem deiner Sinne, da bin ich mir sicher, als ich in meinen ganzen fünfen: bin ich Euch mit der Schnatterei zu nahe getreten?

      ROMEO

       Du bist nie nahe zu mir getreten, außer mit Schnatterei.

      MERCUTIO

       Für diesen Scherz werde ich dir am Ohr knabbern.

      ROMEO

       Nein, guter Gänserich, beiß mich nicht.

      MERCUTIO

       Dein Witz ist wie ein sehr bitterer Süßapfel; er ist eine äußerst scharfe Soße.

      ROMEO

       Und ist er dann nicht genau die richtige Beilage zu einer süßen Gans?

      MERCUTIO

       Oh, das ist ein Witz aus Glacéleder, der sich von einem kleinen Zoll auf eine große Elle dehnen läßt!

      ROMEO

       Ich werde ihn durch das Wort »groß« ausdehnen, welches, wenn es der Gans hinzugefügt wird, dich weit und breit als eine große Schnattergans dastehen läßt.

      MERCUTIO

       Wie nun? [Du sprichst ja ganz menschlich. Wie kommt es, daß du auf einmal deine aufgeweckte Zunge und deine muntern Augen wiedergefunden hast? So hab ich dich gern.] Ist das nicht besser als das ewige Liebesgekrächze? Jetzt bist du umgänglich, jetzt bist du Romeo; jetzt bist du was du bist, in deiner Kunst ebenso wie in deiner Natur, denn dieser faselnde Amor ist wie ein großer Einfaltspinsel, der lächsend auf und ab rennt, um sein Stöckchen in einem Loch zu verstecken.

      BENVOLIO

       Halt ein, halt ein.

      MERCUTIO

       Du wünschst, daß ich meine Ergüße unzeitig beende.

      BENVOLIO

       Ansonsten wäre es dir zu lang geworden.

      MERCUTIO

       O, du irrst dich; es wäre sogleich wieder kurz geworden, denn ich bin bereits in die volle Tiefe vorgedrungen und beabsichtigte in der Tat, auf dem Fall nicht länger herumzureiten.

      ROMEO

       Seht den prächtigen Aufzug!

       Die Wärterin und Peter hinter ihr.

      MERCUTIO

       Was kommt da angesegelt?

      BENVOLIO

       Zwei, zwei: ein Männerhemd und ein Unterrock.

      WÄRTERIN

       Peter!

      PETER

       Was beliebt?

      WÄRTERIN

       Meinen Fächer, Peter!

      MERCUTIO

       Gib ihn ihr, guter Peter, um ihr Gesicht zu verstecken. Ihr Fächer ist viel hübscher wie ihr Gesicht.

      WÄRTERIN

       Schönen guten Morgen, Ihr Herren!

      MERCUTIO

       Schönen guten Abend, schöne Dame!

      WÄRTERIN

       Warum guten Abend?

      MERCUTIO

       Euer Brusttuch deutet auf Sonnenuntergang.

      WÄRTERIN

       Pfui, was ist das für ein Mensch?

      ROMEO

       Einer, Verehrte, den Gott geschaffen hat, daß er sich selbst verderbe.

      WÄRTERIN

       Schön gesagt, bei meiner Seele! Daß er sich selbst verderbe! Ganz recht! Aber, Ihr Herren, kann mir keiner von Euch sagen, wo ich den jungen Romeo finde?

      ROMEO

       Ich kanns Euch sagen; aber der junge Romeo wird älter sein, wenn Ihr ihn gefunden habt, als er war, da Ihr ihn suchtet. Ich bin der Jüngste, der den Namen führt, weil kein schlechterer da war.

      WÄRTERIN

       Gut gegeben.

      MERCUTIO

       So? Ist das Schlechteste gut gegeben? Nun wahrhaftig: gut begriffen! Sehr vernünftig!

      WÄRTERIN

       Wenn Ihr Romeo seid, mein Herr, so wünsche ich Euch insgeheim zu sprechen.

      BENVOLIO

       Sie wird ihn irgendwohin auf den Abend bitten.

      MERCUTIO

       Eine Kupplerin, eine Kupplerin! Ho, ho!

      BENVOLIO

       Was witterst du?

      MERCUTIO

       [Neue Jagd, neue Jagd! -] Kein Häschen, mein Herr; außer vielleicht einer Häsin, mein Herr, in einer Fastenspeise, die schon etwas schal und schimmelig-grau geworden ist, bevor sie vernascht wurde.

       Singt.

      Ein Has', ergraut[Es ist sicher kein Zufall, daß das Wort »hoar« (ergraut) genauso klingt wie »whore« (Hure) und daß die sprichwörtliche Vermehrungsfreudigkeit der Hasen auch eine Interpretation von »hare« (Hase) als Hure nahelegt. So lautet die erste Zeile wörtlich »Ein alter Hase, (der) ergraut (ist)«, doch der Zuhörer versteht »Eine alte Hure«.] ,

       Und ein Has', ergraut,

       Welch sehr gute Fastenspeis';

       Doch ein Has', der ergraut,

       Ist zu viel zugetraut,

       Wenns ergraut eh' ichs verspeis.

      Romeo, kommt nach Eures Vaters Hause, wir wollen zu Mittag da essen.

      ROMEO

       Ich komme euch nach.

      MERCUTIO

       Lebt wohl, alte Schöne! Lebt wohl,

       Singt. o Schöne - Schöne - Schöne! Benvolio und Mercutio gehen ab.

      WÄRTERIN

       Sagt mir doch, was war das für ein unverschämter Gesell, der nichts als Schelmstücke im Kopfe hatte?

      ROMEO

       Jemand, der sich selbst gern reden hört, meine gute Frau, und der in einer Minute mehr spricht, als er in einem Monate verantworten kann.

      WÄRTERIN

       Ja, und wenn er auf mich was zu sagen hat, so will ich ihn bei den Ohren kriegen, und wäre er auch noch vierschrötiger, als er ist, und zwanzig solcher Hasenfüße obendrein; und kann ichs nicht, so könnens andre. So 'n Lausekerl! Ich bin keine von seinen Kreaturen, ich bin keine von seinen Karnuten.

       [Zu Peter.] Und du mußt auch dabeistehen und leiden, daß jeder Schuft sich nach Belieben über mich hermacht!

      PETER