»Nur zu gern«, stimmte Carlo Lavazza zu.
Der Zentrallift fuhr aus, und zwei Minuten später betraten die fünf Menschen den Boden. Eine leichte, angenehm frische Seebrise schlug ihnen entgegen, die einen Ausgleich zu den sengenden Strahlen der Riesensonne Mosaf schuf. Sie brachte den Geruch von Salzwasser, Tang und Fischen mit sich, eine Wohltat gegenüber der sterilen Atmosphäre im Schiff.
Die Häuser der Eingeborenen glichen im Aussehen weitgehend denen in der ersten Siedlung. Hier standen sie allerdings durchweg auf etwa zwei Meter hohen Pfählen, und es ließ sich auch erkennen, warum.
»Die Pfähle zeigen deutlich erkennbare Spuren der Einwirkung von Salzwasser und die charakteristischen Flutringe«, stellte Taff fest. »Demnach muss dieser Küstenstrich zuweilen überflutet werden, und das nicht zu knapp. Hier ist die Wetterlage ja ziemlich stabil, aber ab und zu dürften vom benachbarten Kontinent kühlere Luftmassen auch bis hierher vorstoßen. Das gibt dann natürlich Nordsturm, der das Seewasser trotz der Korallenriffe weit ins Land drückt.«
Die Vegetation war hier nicht sehr üppig, der Sandboden bot anspruchsvollen Pflanzen nur wenig Nahrung. In größeren Abständen wuchsen palmähnliche Bäume, in denen sich schreiend bunte Vögel tummelten. Dazwischen standen schmächtig wirkende Büsche, an denen jedoch große Blüten in verschiedenen Farben prangten. Sie trugen gleichzeitig auch Früchte in allen Wachstumsstadien, so dass die Letho-Dimonds praktisch das ganze Jahr hindurch ernten konnten. Blaugrünes, schilfähnliches Gras bedeckte den Boden etwa fußhoch und zog sich bis zum Strand hin.
»Hier muss es sich leben lassen«, sagte Janine Latep begeistert. »Die Erde weist nicht mehr viele so paradiesische Flecke auf, dafür hat der Mensch gesorgt. Derart angenehme Arbeitsbedingungen hatte ich bisher nur selten.«
Sie waren langsam weitergegangen und hatten nun den Rand des Dorfes erreicht. Hier standen etwa sechzig Eingeborene zwischen den ersten Häusern und sahen ihnen stumm und erwartungsvoll entgegen. Taff hob die Rechte und machte die auf Thorga gebräuchliche Geste der Freundschaft.
»Wir, die Besucher von einer fernen Welt, grüßen euch«, sagte er im Idiom der Letho-Dimonds. »Wir bitten um die Gunst, uns einige Zeit hier bei euch aufhalten zu dürfen, um mehr nicht, und wir werden uns dafür erkenntlich zeigen. Ist der Dorfvorsteher anwesend, oder die Ältesten der Siedlung?«
Drei ältere Männer lösten sich aus der schweigenden Schar und traten den Menschen entgegen. In ihrer Mitte ging ein Hüne von Mann, der sich trotz seines faltigen Gesichts und des angegrauten Haars vollkommen aufrecht hielt und ausgesprochen geschmeidig bewegte. Seine aus Pflanzenfasern gewebte Kleidung war mit einem auffallenden Muster aus bunten Rauten durchwirkt. Der scharfe Blick seiner großen dunklen Augen flog prüfend über die Besucher hin und blieb dann wieder an Caine hängen.
»Wir erwidern euren Gruß«, sagte er mit kräftiger Bassstimme. »Die Kunde von denen, die sich mit ihren Fahrzeugen zwischen den Sternen bewegen, ist auch zu uns gelangt. Mein Name ist Welgun, ich bin der Hüter dieses Dorfes und Anführer seiner Fischer.«
Taff nannte seinen Namen und fügte hinzu: »Ich bekleide etwa die gleiche Stellung in unserem Sternenschiff, Welgun. Meine Begleiter sind kluge Menschen, die schon viele andere Welten besucht haben, um die Lebensweise ihrer Bewohner kennenzulernen. Wirst du ihnen das auch hier gestatten?«
Der Hüter des Dorfes machte eine bejahende Geste.
»Uns ist jeder willkommen, der in Frieden zu uns kommt, Mensch Taff. Man hat sich allerdings betrübliche Dinge von jenen erzählt, die zuerst nach Thorga kamen. Bekomme ich euer Versprechen, dass ihr nichts tun werdet, das gegen unsere Sitten verstößt, wenn wir uns bei euch aufnehmen?«
Caine nickte, besann sich dann jedoch darauf, dass diese menschliche Geste an diesem Ort unbekannt war.
»Du bekommst es, ohne jede Einschränkung«, bekräftigte er. »Wir sind nur neun Menschen, fünf Männer und vier Frauen, und werden euch nach Möglichkeit nicht zur Last fallen. Falls wir dieses oder jenes benötigen sollten, werden wir dafür mit Dingen bezahlen, die ihr brauchen könnt.«
»Wir könnten so manches brauchen«, sagte Welgun vieldeutig. »Gut, ich gestatte euch, hierzubleiben, solange ihr es wünscht, sofern diese Absprachen eingehalten werden. Wir stellen euch zwei Häuser zur Verfügung, die seit einiger Zeit leerstehen. Ich werde dafür sorgen, dass darin alles vorbereitet wird, um euch einen angenehmen Aufenthalt zu sichern.«
»Die Absprachen werden von uns eingehalten werden«, versprach der Commander. »Sollte es trotzdem Unstimmigkeiten geben, können wir sie vermutlich im Gespräch aus der Welt schaffen. Wir werden uns jetzt in unser Schiff zurückbegeben, um die Vorbereitungen für den Aufenthalt bei euch zu treffen. Wir sehen uns später wieder, Welgun.«
»So sei es«, sagte der Dorfvorsteher, wandte sich um und schritt würdevoll mit seinen stummen Begleitern davon.
»Ein wirklich erstaunlicher Mann, Taff«, meinte Carlo Lavazza leise. »Er ist nichts weiter als ein einfacher Fischer, aber ich könnte wetten, dass sein Intelligenzquotient bemerkenswert hoch ist. Außerdem besitzt er eine natürliche Würde und persönliche Ausstrahlung, die mich beeindruckt.«
Caine grinste kurz. »Einiges an ihm erinnert mich an Min Jian-Ksu, Freund. Okay, kehren wir jetzt zur PROKYON zurück, um unsere Bündel zu schnüren. Ich nehme doch an, dass Sie auf das Angebot, im Dorf zu wohnen, eingehen?«
»Natürlich, Taff«, sagte Valentina Feodorowa sofort. »Sicher, im Schiff hätten wir es zweifellos bequemer, aber wir nehmen einigen Mangel gern in Kauf. Wir brauchen den ständigen ungehinderten Kontakt zu den Letho-Dimonds. Nur auf diese Weise können wir optimale Arbeit leisten und alles erfahren, was wir wissen wollen.«
»Werden wir uns ebenfalls unters Volk mischen?«, erkundigte sich Mitani.
Der Commander wiegte überlegend den Kopf. »Teils, teils«, sagte er dann, während sie zum Schiff zurückgingen. »Wir werden ebenfalls das uns angebotene Haus beziehen, um die Eingeborenen nicht durch eine Ablehnung zu verstimmen. Jemand wird aber ständig an Bord der PROKYON bleiben müssen, um das Schiff startbereit zu halten. Der Teufel schläft bekanntlich nie, wie schon das alte Sprichwort so treffend sagt. Es kann also auch hier etwas eintreten, das nicht ganz zu dem scheinbaren Idyll dieser Umgebung passt, und für diesen Fall müssen wir gesichert sein.«
»Alter Schwarzseher«, kommentierte Dorit Grenelle, aber sie stimmte Taff innerlich zu. Die Crew hatte schon zu viel erlebt, um sich einem sorglosen Leben auf einer fremden Welt voll hingeben zu können.
Zudem gab es auf Thorga die ominösen schwarzen Spiegel – und der Griff eines solchen hatte auch aus Welguns Tasche geragt!
5
Gegen Abend belebte sich das Dorf. Die Fischerboote kehrten zurück, der Fang wurde ausgeladen, sofort sortiert, ausgenommen und entweder eingesalzen oder auf Stangen über Räuchergruben gehängt. Das besorgten die Frauen, während die Männer die Netze zum Trocknen auf Holzgestelle hängten. Dazwischen wimmelten die Kinder umher und vollführten Handreichungen. Die jüngeren waren sämtlich unbekleidet, das Tragen der Tuniken begann offenbar erst nach Erreichen des Fruchtbarkeitsalters.
Luca Ladora kam in die Steuerzentrale. »Es ist alles vorbereitet, Taff«, meldete er. »Wir können sofort aufbrechen.«
Caine winkte jedoch ab und wies auf die Bildschirme.
»Das hätte jetzt wenig Sinn, die Leute sind voll beschäftigt. Lassen wir ihnen Zeit, ihre Dinge zu erledigen, bei denen wir doch nur im Wege wären. Oder gelüstet es dich danach, Fische zu salzen oder zu räuchern?«
Der Kybernetiker grinste. »Sehe ich so aus? Wenn ich Arbeit sehe, bekomme ich immer automatisch