Der Dreißigjährige Krieg. Peter H. Wilson. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Peter H. Wilson
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783806241372
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Dreißigjährigen Krieg nicht aus; aber er verschärfte die Spannungen in der internationalen Politik, und Militante aller Lager – vor allem in Mitteleuropa – waren schnell bei der Hand, Parallelen zwischen ihren eigenen Kämpfen und dem Kampf der Niederländer zu ziehen. Man muss einfach die politische, strategische, religiöse und wirtschaftliche Situation in den Niederlanden verstehen, um nachvollziehen zu können, wie die Spanier nach 1618 auf die Schwierigkeiten ihrer österreichischen Vettern reagierten.

      Zuerst stießen Bestrebungen, von Madrid aus eine striktere Kontrolle über die niederländischen Provinzen zu etablieren, im protestantischen Adel der Region – und namentlich beim Haus Oranien – auf Widerwillen. Die Oranier waren einerseits Landesherren des gleichnamigen Fürstentums Oranien (Orange) in Südfrankreich, andererseits aber mit den Grafen von Nassau verwandt, die im mittelrheinischen Raum und dessen Hinterland ansässig waren. Die Abneigung vertiefte sich, als die Spanier auch nach ihrem Friedensschluss mit Frankreich 1559 auf der Zahlung der zu Kriegszeiten deutlich erhöhten Steuern bestanden. Die Überzeugung Philipps II., man müsse der protestantischen Häresie entschlossener und härter entgegentreten, tat ein Übriges und brachte ein konfessionelles Element in den Konflikt ein, der sich ab 1566 rasch vom Volkskrawall zum – allerdings schlecht organisierten – Aufstand ausweitete. Im April 1567 goss Philipp einiges an Öl ins Feuer, indem er den Herzog von Alba mit 10 000 Soldaten auf der später so genannten Spanischen Straße nach Norden schickte. Alba besetzte Antwerpen und andere wichtige Städte, ließ neue Festungen bauen, um deren Bewohner einzuschüchtern, und richtete ein Tribunal ein, das Häresie und Hochverrat ein für alle Mal ausrotten sollte. Obwohl die Zahl der Hinrichtungen wohl hinter den in der protestantischen Propaganda gemeldeten 100 000 zurückblieb, war der Terror doch schrecklich genug, um bis 1572 rund 60 000 Glaubens- und andere Flüchtlinge nach Nordwestdeutschland und England strömen zu lassen.96

      Die spanischen Repressalien ließen den Aufstand ab 1571 erneut aufflammen. Im April 1572 eröffnete Alba eine große Gegenoffensive auf Flandern und die anderen südlichen Provinzen, um die Aufständischen im Norden von ihren hugenottischen Verbündeten in Frankreich abzuschneiden. Die Überlebenden zogen sich nach Holland und Seeland zurück. Diese Provinzen stellten eine Art natürlichen Rückzugsraum dar, da sie von der Nordsee, Flüssen und tief liegendem Küstenland umgeben sind, das bei Bedarf geflutet werden konnte. Ihre dezentrale politische Struktur spielte den Aufständischen in die Hände, da jede Provinz ihre eigene Ständeversammlung hatte, die hier „Staaten“ hieß und sich aus Vertretern der landsässigen Ritterschaft und der städtischen Führungsschicht der Regenten zusammensetzte.97 Der Aufstand breitete sich von Stadt zu Stadt aus und brachte seinen Anführern schließlich eine Mehrheit in den Staaten von Holland ein, die den Fürsten Wilhelm von Oranien, später auch „der Schweiger“ genannt, zum stadholder wählten, einer Art Landeshauptmann mit militärischer Befehlsgewalt. Nachdem Ähnliches auch in den anderen nördlichen Provinzen geschehen war, kontrollierten die Aufständischen auch dort bald alle Schlüsselpositionen und konnten Parteigängern der Spanier den Zugang zu hohen Ämtern verwehren.

      Der Niederländische Aufstand erschütterte die reputación der Spanier bis ins Mark und zwang die königliche Regierung, erneut den Bankrott zu erklären, was 1576 den Gewaltausbruch der „Spanischen Furie“ entfesselte, als Söldner, denen man ihre Bezahlung vorenthalten hatte, in einer mehrtägigen Gewaltorgie die reiche Stadt Antwerpen plünderten, zu großen Teilen niederbrannten und unter den Einwohnern ein Blutbad anrichteten.98 Die grausamen Ausschreitungen brachten das militärische Vorgehen der Spanier zum Erliegen und schienen die im protestantischen Europa kursierende „Schwarze Legende“ zu bestätigen, die Spanien als brutal und tyrannisch, als regelrechtes Reich des Bösen darstellte. Im Februar 1577 mussten die Spanier in einen Waffenstillstand einwilligen und zogen sich nach Luxemburg und Flandern zurück, um sich neu zu formieren. Nach Abzug der spanischen Truppen konnten die Aufständischen das von ihnen kontrollierte Rückzugsgebiet um die Provinz Utrecht und den nordwestlichen Teil des Herzogtums Geldern erweitern. Nach Osten schützte sie nun der Flusslauf der Ijssel mit dem wichtigen Übergang bei Zutphen, nach Süden hin Rhein und Maas, gen Westen die Inseln vor Zeeland, die nun ebenfalls unter ihre Kontrolle kamen. Den südöstlichen Zugang zum Territorium der Aufständischen blockierten das neutrale Fürstbistum Lüttich und die karge Kempener Heide; die Einnahme Antwerpens sicherte zudem das Mündungsdelta der Schelde und den Zugang aus Richtung Südwesten. Allein der Weg aus Deutschland im Osten blieb ein Schwachpunkt – und diesen versperrte nun der Kaiser, der sich vergeblich um eine friedliche Beilegung des Konflikts bemühte. Nachdem alle sieben nördlichen Provinzen der Niederlande unter ihre Kontrolle gebracht waren, schlossen sich die Aufständischen im Januar 1579 zur Union von Utrecht zusammen, die 1581 eine Abschwörungsakte verabschiedete, um den Herrschaftsanspruch Philipps II. zurückzuweisen – ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Unabhängigkeit.

      Obwohl keine der beiden Seiten es damals schon begriffen haben dürfte, bedeuteten diese Schritte in der Summe doch nicht weniger als eine Teilung der Niederlande: Die Spanier waren außerstande, deren nördliche Hälfte zurückzuerobern; den Aufständischen war es nicht gelungen, auch die fünf südlichen Provinzen zu befreien. Der Konflikt dauerte aber an, weil der spanische König sich weigerte, den Verlust der verlorenen Provinzen offiziell anzuerkennen, während die Niederländer einen klaren Sieg anstrebten, der ihre unsichere Stellung auf dem internationalen Parkett verbessern sollte. Beide Seiten begannen nun mit der Ausbildung der notwendigen Institutionen, um das fortzuführen, was sich als weitere sieben Jahrzehnte voller Gewalt erweisen sollte. Der Sieg über die osmanische Flotte vor Lepanto sowie die Probleme des Sultans mit den Persern reduzierten die Türkengefahr im Mittelmeerraum, was den Spaniern ermöglichte, umfassende Ressourcen nach Norden umzuleiten, während gleichzeitig die Silberimporte aus der Neuen Welt weiter anzogen. Alessandro Farnese, der Herzog von Parma, wurde zum Statthalter der spanischen Niederlande und Oberbefehlshaber der Besatzungstruppen ernannt. Als taktvoller Diplomat und geschickter Stratege eine echte Doppelbegabung, avancierte Parma zum Vordenker jener „flämischen Schule“ der Kriegführung, die das spanische Militärwesen entscheidend prägen sollte.

      Die „flämische Schule“ im Kriegswesen Diese „flämische Schule“ – andere gab es bekanntlich in der Musik und der Malerei – stand für eine umsichtige, methodische Herangehensweise an die Kriegführung. Parma eröffnete eine jede Kampagne, indem er seine Reiterei in sämtliche Richtungen ausschwärmen ließ, um den Feind zu verwirren. Unterdessen zog er mit der Hauptmacht seines Heeres umher und eliminierte, Stadt für Stadt, die Hochburgen der Aufständischen. Vor allem hatte er es auf jene Stützpunkte abgesehen, die an einem der zahlreichen Kanäle oder Flüsse des Landes gelegen waren und damit lebenswichtige Knotenpunkte zum Transport von Truppen und Material bildeten. Die Niederländer hatten ihre Städte mit konzentrisch angeordneten Befestigungsanlagen nach italienischem Vorbild umgeben, die den Feind auf Distanz halten und ihm den Beschuss der eigentlichen Stadt unmöglich machen sollten. Da sie sich mit dem Bau und Unterhalt ihrer Deiche auskannten – also auch wussten, wie man diese effizient durchstach –, konnten sie im Handumdrehen wahlweise entweder die gesamte Umgebung fluten oder auch nur die Gräben rund um ihre Befestigungen, deren Schussfeld durch die üblichen Vorwerke erweitert wurde. Wer eine solche Festung erobern wollte, benötigte dazu nicht wenige Soldaten. Die Belagerer mussten Gräben ausheben, die parallel zu den Befestigungsanlagen verliefen, um sich gegen das Feuer der eingeschlossenen Verteidiger zu schützen. Wenn sie dann ihre eigene Artillerie in (geschützte) Stellungen gebracht hatten, damit diese ihnen Feuerschutz geben konnte, begann ein mühsamer Prozess, in dessen Verlauf zunächst ein Stichgraben auf den ausgewählten Angriffspunkt vorgetrieben wurde. Wenn dann eine zweite oder sogar dritte, immer näher an die feindlichen Befestigungen herangeschobene „Parallele“ ausgehoben war, brachte man die Belagerungsgeschütze weiter nach vorn, bis sie geradewegs auf die eigentliche Stadtmauer feuern und eine Bresche hineinschlagen konnten. Ein tatkräftiger Garnisonskommandant hatte zu diesem Zeitpunkt freilich längst Ausfälle organisiert, insbesondere bei Nacht, um die Belagerer ihrerseits zu bedrängen, ihre Gräben zu zerstören und ihre Kanonen zu „vernageln“, also die Zündlöcher mit Nägeln oder Bolzen so zu verstopfen, dass die ganze Kanone – zumindest fürs Erste – unbrauchbar war. Außerdem mussten die Belagerer nicht selten einen zusätzlichen äußeren Verteidigungsring aus Gräben und Schanzen anlegen, um sich gegen den möglichen Angriff eines Entsatzheeres zu schützen.