Skriptorium. Stephanie Hauschild. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Stephanie Hauschild
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: История
Год издания: 0
isbn: 9783805346979
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Bindung und Buchdeckel

       Büchertaschen und Beutelbücher

       Verwendung, Auftraggeber und Verkauf

       Heilige und magische Bücher

       pocket gospels

       cumdach

       Evangeliar, Psalter und Gesangbuch in der Kirche

       Gebetbücher

       Bestseller auf Papier

       Apokalypse

       Literatur

       Ausstellungskataloge

       Websites

       Personenregister

      Eine griechische Handschrift

      Am 13. April 1229 schrieb der Mönch Johannes Myronas in einem Kloster in Jerusalem seinen Namen auf die letzte Seite eines Manuskripts und betrachtete sein Werk. Er hatte Gebete für ein euchologion, ein Gebetbuch in griechischer Sprache und Schrift in dunkelbrauner Tinte auf 174 Pergamentblätter geschrieben. Um die einzelnen Gebete leichter aufzufinden, hatte man die Textanfänge mit großen, farbigen Anfangsbuchstaben, den Initialen geschmückt. Die Pergamentseiten waren nicht besonders groß. Das fertig gebundene Buch würde sich bequem in einer Hand halten lassen. Der Mönch hatte für sein Vorhaben kein neues Pergament gewählt, sondern einen Stapel alter, bereits benutzter Blätter. Aus Tierhaut hergestelltes Pergament war teuer und wurde deswegen häufig wieder verwendet. Sehr wahrscheinlich war das euchologion für den Gebrauch der Mönche im Kloster gedacht, für die gemeinschaftlichen Andachten in der Kirche oder für das Gebet in der Zelle. Für eine Auftragsarbeit oder für ein Geschenk an eine Person außerhalb des Klosters hätten die Mönche gewiss besseres Pergament verwendet und vielleicht auch mehr Arbeit in den Schmuck des Buches investiert.

      Viele Fragen

      So, oder doch zumindest ganz ähnlich kann man sich vielleicht Herstellung und Verwendung eines Buches im Mittelalter vorstellen. Produziert wurden die Manuskripte im sogenannten Skriptorium. Betrachtet man Bilder und historische Fakten aber etwas genauer, so wird deutlich, dass der Begriff Skriptorium viel mehr umfasst als die bloße Bezeichnung für die Schreibstube eines Klosters. So kann der Begriff verschiedene Orte meinen, wie den Kreuzgang oder ein zum Schreiben und Malen ausgestattetes Zimmer im Konvent, aber auch die nach kommerziellen Gesichtspunkten betriebene Werkstatt in einer Stadt oder das Privathaus einer Autorin, denn an all diesen Orten wurden Bücher geschrieben. Ebenso lassen sich unter Skriptorium alle Arbeitsvorgänge der Buchproduktion zusammenfassen. Zum Begriff Skriptorium gehören zudem die am Arbeitsprozess beteiligten Personen, die nicht notwendigerweise am selben Ort arbeiteten oder gar ein festes Team bilden mussten. So spricht man etwa vom Skriptorium von Echternach oder vom Skriptorium des Klosters Seeon, wenn es darum geht, Handschriften nach ihrer Herkunft und stilistischen Kriterien zu ordnen.

      Mittelalterliches Gebetbuch und mathematische Abhandlung. Aufgeschlagene Doppelseite des von Johannes Myronas geschriebenen Euchologion, Archimedes Palimpsest, 10. und 13. Jahrhundert, Privatbesitz

      Doch wie sah solch ein Skriptorium eigentlich aus? Wo befanden sich die Werkstatträume? Welche Arbeiten wurden überhaupt im Skriptorium verrichtet? Welche Materialien und Werkzeuge brauchte man, um ein Buch im Mittelalter herzustellen? Haben Schreiber wie Myronas alles selbst gemacht, oder waren noch andere Personen beteiligt? Wer malte die Initialen aus? Wer entwarf das Layout? Farben, Pergament, Einbände – wo kamen die Rohmaterialien her und wer verarbeitete sie? Schrieben und malten auch Nonnen Bücher? Wo wurden mittelalterliche Bücher außerhalb des Klosters hergestellt? Dies sind einige der Fragen, die in diesem Buch beantwortet werden sollen. Im Mittelpunkt steht die Herstellung bemalter oder „illuminierter“ Handschriften im mittelalterlichen Europa.

      Weil Handschriften zumeist nicht ständig dem Publikum ausgesetzt waren, haben sie die Jahrhunderte im Unterschied zu vielen Altarbildern oder Textilien aus derselben Epoche häufig besser überstanden. Licht, neugierige Hände, Staub und Schmutz setzten ihnen weniger zu. Um diesen Zustand zu erhalten, holt man Handschriften heute meist nur für kurze Zeit für Sonderausstellungen aus der Bibliothek oder aus dem Tresor. In der Ausstellung sind sie dann für einige Wochen bei gedimmtem Licht und hinter Glas zu bestaunen. Hat man Glück, wird im Verlauf der Ausstellung umgeblättert, sodass man mehr als nur zwei aufgeschlagene Seiten betrachten kann. Aber nur in seltenen Fällen hat man die Möglichkeit, das gesamte Buch mit seinem Einband zu studieren. Ist der ursprüngliche Buchdeckel noch erhalten und dazu noch mit Gold, Edelsteinen und Elfenbein verziert, werden Deckel und Handschrift im Museum häufig in verschiedenen Abteilungen gehütet und gezeigt, wenn sie nicht sogar in verschiedenen Museen aufbewahrt werden. Dann findet man das Manuskript im Graphischen Kabinett oder in der Bibliothek und den geschmückten Buchdeckel in der Sammlung mit der mittelalterlichen Schatzkunst. So ist es nicht ganz einfach, sich das ganze Buch mit all seinen Eigenheiten zu vergegenwärtigen. Im Museum werden die Handschriften selbstverständlich auf besonders schönen Seiten aufgeschlagen. Die Bücher werden dort wie Bilder präsentiert, weil man die Seiten so am besten betrachten kann und die Bücher auf diese Weise am wenigsten beschädigt werden. Dass die Handschriften auch ganz praktische Funktionen erfüllten und viel genutzte Gegenstände gewesen sind, kann bei dieser Präsentation, die ganz auf die Schauwerte der Objekte ausgerichtet ist, meist nicht herausgestellt werden.

      Tatsächlich aber haben die allermeisten mittelalterlichen Handschriften nur eine oder zwei Zierseiten oder besonders schöne Initialen. Manchmal wechselt die Handschrift des Textes, was darauf hinweisen kann, dass mehrere Schreiber an einem Buch gearbeitet haben oder später noch Kapitel hinzugefügt wurden. Gelegentlich wurden sogar mehrere verschiedene Manuskripte zu einem Buch zusammengebunden. Nicht alle Miniaturen (Buchmalereien) wurden auch fertiggestellt, einige Seiten sind vielleicht sogar ganz leer geblieben. Häufig nimmt gegen Ende die künstlerische und handwerkliche Sorgfalt ab. Ganz am Schluss sind manchmal noch Kritzeleien und handschriftliche Vermerke zu entdecken. Solche Details verraten den Forschern viel über die Hersteller der Bücher, über ihre Verwendung und ihre Leser und sie erzählen einiges über das Alltags- und Handwerkerleben im Mittelalter. Doch für eine Ausstellung sind solche Details meist nicht attraktiv genug. Diese Seiten werden daher in der Regel nicht präsentiert.

      In den letzten Jahren wurden in Ausstellungen neben den berühmten Handschriften auch weniger bekannte Stücke einem großen Publikum zugänglich gemacht. Von vielen bekannten Büchern gibt es inzwischen hervorragende Reproduktionen, sogenannte Faksimiles. Auch die fortschreitende Digitalisierung und die Bereitstellung der Abbildungen und Forschungsergebnisse im Internet tragen dazu bei, die verborgenen Schätze der mittelalterlichen Buchkunst vielen Menschen näherzubringen. Die Schönheit der Bücher und die selbst für Betrachter ohne spezielles Fachwissen deutlich