Schwarzer Regen Rotes Blut. Leonhard Michael Seidl. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Leonhard Michael Seidl
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Триллеры
Год издания: 0
isbn: 9783839267967
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mit einem hohen Kragen und einem weißen leinenen Schurz.«

      »Danke, Josef. Und weiter?«

      »Die Elise nimmt die Flasche mit dem Schnaps und geht zu den Soldaten. Die Stimmung ist grob aufgeheizt und für eine ehrbare Frau wie die Elise gefährlich. Der Soldat, wo gezahlt hat, wartet, bis die Flasche auf dem Tisch steht. Dann hat er so eine kleine Spieluhr aus der Tasche gezogen, wo man überall kriegt. Die hat er neben den Schnaps hingestellt. Er zieht sie auf und sagt: Tanz für uns, schönes Kind!«

      »Das hat er so gesagt: Tanz für uns, schönes Kind?«

      »Genau so, Herr Kommissär.«

      »Was hat Elise getan?«

      »Meine Elise hat ganz fest den Kopf geschüttelt.«

      »Was geschah dann?«

      »Darauf zieht er die Elise auf seinen Schoß und packt sie an der Brust, die Sau. Aber die Elise hat sich wehren können. Es war ja nicht das erste Mal, wo einer frech geworden ist.«

      »Was war mit dieser Spieluhr?«

      »Das ist komisch, Herr Kommissär.«

      »Was, Josef?«

      »Die Spieluhr hat eine Melodie von dem Beethoven gespielt: Albumblatt für Elise. Sie müssen wissen, Herr Kommissär, der Beethoven war ein deutscher Komponist. Dem seine Musik hat der hochwürdige Herr Pfarrer nach der Bibelstunde auf dem Grammofon gespielt.«

      »Ich kenne Beethoven. Was empfinden Sie als außergewöhnlich bei dieser Melodie?«

      »Verstehen Sie nicht, Herr Kommissär? Die Musik heißt ›Albumblatt für Elise‹. Und dem Bernhard sein Eheweib heißt auch Elise.«

      »Das ist in der Tat interessant, tut hier aber nichts zur Sache. Wie ging es nun weiter?«

      »Warum tanzt du nicht für uns?, fragt der Soldat, wo sie gepackt hat. – Niemals nicht tanze ich, ruft meine Elise. Ich kenne ja nicht einmal deinen ganzen Namen, du Hackstock! – Hähä! Hackstock hat noch niemand zum alten Waller gesagt, plärrt der besoffene Soldat. – Das war schon lang fällig, sagt die Elise zornig. – Und wenn ich ihn dir sage?, wiederholt er stur. – Sag schon, sagt meine Elise daraufhin. – Ich bin der Sturmbannführer Ruppert Waller, der Anführer von diesen tapferen Männern, die heimgehen, sobald du getanzt hast.«

      »Wie lautete der Name genau?«

      »Waller, Ruppert, Herr Kommissär.«

      »Waller trug einen Ehrendolch der SS. Der Mann ist unter den Toten.«

      »Jawoll, Herr Kommissär.«

      »Dirlewanger und Waller. Das passt zusammen. Erzählen Sie weiter, Josef.«

      »Nein!, schreit meine Elise. Sie schaut nach dem Bernhard, aber der ist im Keller. Sie ist allein mit der besoffenen Bande.«

      »Wo befand sich der Altwirt in diesem Augenblick?«

      »Hat sich ganz schnell verdruckt, Herr Kommissär.«

      »Und Sie, Josef, wo waren Sie?«

      »Ich bin hinter der Kuchltür gestanden und war unfähig für eine Bewegung. Das müssen Sie mir glauben, Herr Kommissär.«

      »Ich glaube Ihnen. Weiter.«

      »Erst tanzen. Dann kannst gehen, sagt der Waller und drückt meine Elise. In dem Augenblick kommt der Bernhard aus dem Keller. Er rennt auf den Waller zu, wegen der Elise.«

      »Was macht der Waller?«

      »Erschieß ihn, Michi!, schreit der Waller.«

      »Halt: Michi?«

      »Ich kenn bloß den Vornamen, Herr Kommissär.«

      »Moment, lassen Sie mich nachsehen. Hier. Hier habe ich seinen vollständigen Namen: Michael Dorn. Fünfundvierzig Jahre alt, gebürtig in Schachtenstein. Hat vier Jahre bei der Sturmbrigade Dirlewanger gekämpft. Zuletzt im Rang eines Sturmbannführers der SS. Hat eine Frau und drei Kinder. Hier ist ein Foto. Schauen Sie es sich genau an, Josef.«

      »Das ist er, Herr Kommissär.«

      »Weiter.«

      »Der Michi hat gleich geschossen. Der Bernhard ist tot hingefallen. Der Waller hat gelacht. Noch einmal will der Waller die Elise packen. Aber er hat die Rechnung falsch gemacht. Mit einer Bewegung, wo ich ihr, ehrlich gesagt, nicht zugetraut hab, nimmt sie dem Michi die Pistole und schießt den Waller mitten in die Brust. Ich seh ihn noch vor mir, wie das Blut und das Bier aus seinem Mund kommen ist. Dann ist er tot vom Stuhl gefallen.«

      »Möchten Sie vielleicht ein Glas Wasser, Josef?«

      »Danke, Herr Kommissär, das wäre gut.«

      »Immerhin sind Sie der einzige Zeuge dieses unglaublichen Massakers. Wenn Sie getrunken haben, sprechen Sie bitte weiter.«

      »Der Waller ist tot. Aber die Elise schießt immer weiter in den Waller hinein. Die zwei anderen sind wie der Teufel davon.«

      »Halt: Die überlebenden Soldaten sind … Augenblick … sind Friedrich Berner, gebürtig in Passau. Und Michael Dorn, gebürtig in Schachtenstein. Hier, die Fotos.«

      »Genau. Das sind die Männer. Darf ich Ihnen was fragen, Herr Kommissär?«

      »Ja.«

      »Die Männer kommen vom Krieg. Wie können Sie da so schnell die Namen und privaten Sachen wissen?«

      »Dirlewanger ist die Verbindung, Josef. Eine Anfrage bei der Volkskartei reichte. Waller und seine Kameraden Dorn und Berner gehörten zur SS-Sturmbrigade Dirlewanger und waren offenbar auf dem Weg in die Heimat. Und jetzt weiter im Text.«

      »Die Elise schmeißt die Pistole weg. Die Gaststube ist leer. Auf einmal steht der Max in der Tür.«

      »Maximilian Pfanzelt, der Altwirt?«

      »Nach einer Pause, die wo mir unendlich lang vorgekommen ist, geht er zur Elise und hebt die Pistole auf.«

      »Elise hat sich nicht gewehrt?«

      »Nein. Ich glaub, sie hat einen tiefen Schock gehabt. Ihr Gesicht hat die Farbe von ihrem Kleid gehabt.«

      »Was geschah dann?«

      »In den Keller, sagt der Max. – Warum soll ich in den Keller?, fragt sie. Der Altwirt hat sie angeschaut und gesagt: Die kommen zurück, verlass dich drauf. Und dann Gnade uns Gott. Die brennen mein Wirtshaus nieder, wenn ich dich nicht hergeb. – Die Elise schaut in den Revolver. Der zeigt direkt auf ihre Brust, ich habe es gesehen. – Du willst mich hergeben?, fragt sie. – Ich muss dich hergeben, wenn mein Wirtshaus nicht brennen soll.«

      »Was hat Elise darauf geantwortet?«

      »Ich geh nicht in den Keller.«

      »Und?«

      »Sie hat mitgehen müssen. Es ist eine schlimme Zeit, Herr Kommissär.«

      »Da mögen Sie wohl recht haben, Josef.«

      »Im Keller hat es einen fensterlosen Raum, wo die Vorräte sind. An der Eisentür hängt ein schweres Schloss. Da kommt niemand hinein und niemand raus. Der Max hat gedacht, die Elise ist da sicher. Kommen die Soldaten, stellt er sich dumm und sagt, sie ist davon und er weiß nix. Vielleicht gehen sie dann wieder. Zwingen sie ihn aber, gibt er sie her.«

      »Hat er das so gesagt?«

      »Nein, Herr Kommissär. Aber ich glaub, das hat er sich gedacht.«

      »Was geschah dann?«

      »Ich hab nicht auf die Uhr geschaut, aber es hat keine Stunde gedauert, dann waren sie da. Der, wo den Bernhard erschossen hat, war jetzt der Wortführer. Jetzt mandelt der sich auf: Wo ist das Weibsstück, das unseren Ruppert abgeknallt hat?, schreit er. Der Altwirt steht vor der Haustür und schaut ihm zu. Der Soldat hebt die Pistole. Der Max hat aber keine Angst nicht gehabt. – Sie ist fort, sagt er. Der Soldat grinst. Dem haben