Fremdsprachenunterricht aus Schülersicht. Julia Fritz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Julia Fritz
Издательство: Bookwire
Серия: Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783823302254
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gegenwärtige und spätere Leben eingeschätzt wird, sei zu hoch (vgl. u.a. Furtner-Kallmünzer & Sardei-Biermann 1982; Haecker & Werres 1983; Haselbeck 1999; Denner et al. 2002). Da die Inhalte den Bedürfnissen der Lernenden häufig nicht gerecht würden, wünschen sie sich einen stärkeren Praxisbezug sowie transparente, alltagsnahe, lebensrelevante Themen, die sich auf die Bewältigung des Alltags- und künftigen Berufslebens vorbereiten.1 Allerdings bleibt dieser Wunsch zumeist unspezifisch, da keine konkreten Äußerungen dazu getroffen werden, was interessant für sie ist. Aus der insgesamt zu großen Stoffmenge resultiert häufig Überlastung und Überforderung, wobei die SchülerInnen in Fächern, denen sie eine große Lernrelevanz zuschreiben, wie Mathematik oder Deutsch, schwierige Inhalte und ungeeignete Methoden eher hinzunehmen scheinen (vgl. Haselbeck 1999:77f.).

      Neben einer Stoffreduzierung und Konzentrierung auf das Wesentliche plädieren die Lernenden für größere Mitbestimmungs- und Mitgestaltungsmöglichkeiten bei der Auswahl der Themen (vgl. Fichten 1993:28f.; Haselbeck 1999:104ff.). Um den Unterricht aufzulockern, sollte außerdem eine größere Flexibilität im Umgang mit dem vorgeschriebenen Curriculum ermöglicht werden (vgl. Bocka 2003:135ff.). Die Auswahl der schulisch verordneten Themen empfinden die Lernenden als willkürlich und ungerecht, was aus ihrer Sicht dazu führe, dass diejenigen SchülerInnen, „deren besondere Interessen zufällig mit den angebotenen Inhalten übereinstimmen“ (Huth & Schröder 1992:24), bevorzugt würden. Dennoch scheint es, als ob das Problem der Langeweile und der Wunsch nach Abwechslung „mehr ein Methodenproblem als ein Inhaltsproblem“ (Bocka 2003:138) darstellen.

      3.2.3 Leistungsbewertung und Zensuren

      In vielen Studien, die die Sicht von Lernenden auf Schule und Unterricht erfassen, spiegelt sich der zentrale Stellenwert der Leistungsmessung bereits in der Häufigkeit ihrer Erwähnung wider. Dabei ist das Verhältnis von SchülerInnen zu Noten durchaus ambivalent. Dem Streben nach guten Zensuren stehen ein immenser Druck und die negativen Folgen schlechter Schulleistungen entgegen. Die Abhängigkeit von positiven Bewertungen ist den Lernenden uneingeschränkt bewusst und bestimmt ihr Verhältnis zu Schule und Unterricht maßgeblich (vgl. Furtner-Kallmünzer & Sardei-Biermann 1982:23). 52,5 % der Befragten thematisieren in der Studie von Czerwenka et al. (1990:110f.) bei der Beschreibung von Schule den Aspekt der Leistungsbeurteilung. Bemerkenswert ist hier wiederum die Zahl derer, die sich ablehnend oder kritisch dazu äußern. So sind die Hälfte der Äußerungen negative Stellungnahmen, während sich nur 41 der befragten 1.212 Lernenden eindeutig positiv über Leistungskontrollen und ‑beurteilungen aussprechen. In der Studie von Haselbeck (1999:140f.) ist es ebenfalls nur eine Minderheit der SchülerInnen, die über positive Erfahrungen hinsichtlich des Leistungsaspektes berichtet. Und auch wenn in der Untersuchung von Apel (1997:126) alle Befragten über zu viel Stress und Leistungsdruck klagen, legen die Ergebnisse von Haecker und Werres (1983:71) unter Verweis auf frühere Arbeiten nahe, dass sich SchülerInnen am Gymnasium hinsichtlich der Anforderungen und Mitbestimmung bei der Leistungsprüfung und ‑beurteilung insgesamt negativer äußern als Lernende anderer Schulformen.

      Während zwischen der Selbsteinschätzung der SchülerInnen und ihrem Gesamturteil über Schule ein signifikanter Zusammenhang besteht, lässt sich dieser zwischen der Selbsteinschätzung und dem Urteil über schulische Leistungsbewertung nicht ausmachen. Sowohl Lernende, die sich insgesamt als durchschnittlich einschätzen (63,1 %), als auch diejenigen, die ihre Schulleistungen als über- (23,2 %) oder unterdurchschnittlich (13,7 %) bewerten (vgl. Czerwenka et al. 1990:103), stehen den Modalitäten der schulischen Leistungsbewertung kritisch gegenüber (vgl. ebd.: 111). Als auffällig betonen die Autoren auch die signifikante Abhängigkeit zwischen Schulunzufriedenheit bzw. Freude an der Schule und dem Urteil über Zensuren. Lernende, die gerne zur Schule gehen, thematisieren Noten deutlich seltener (7,2 %) als unzufriedene SchülerInnen, von denen fast die Hälfte negativ gegenüber dem schulischen Zensuren- und Leistungsmessungssystem eingestellt ist. Gründe hierfür liegen u.a. in der Erwartung von Misserfolg sowie dem erzeugten Leistungsdruck (vgl. u.a. Furtner-Kallmünzer & Sardei-Biermann 1982; Haecker & Werres 1983; Czerwenka et al. 1990; Haselbeck 1999).

      Der Wunsch oder Zwang, gute Noten – auch und vor allem im Hinblick auf ihre berufliche Zukunft – erreichen zu wollen bzw. müssen, wird als große Last empfunden, da sich mit ihnen auch soziale Anerkennung oder deren Ausbleiben verbinden. Die Rolle der Eltern kann diesen Druck noch verstärken (vgl. Furtner-Kallmünzer & Sardei-Biermann 1982:27f.; Bocka 2003:130). SchülerInnen erfahren Notengebung auch immer als eine Form der Bewertung ihrer Person, sodass sie auch Einfluss auf das Selbstbild und Selbstwertgefühl der Lernenden nehmen und deshalb Versagensangst auslösen kann. Besonders bedenklich erscheint dies vor dem Hintergrund, dass die Selbstzuschreibung der Noten im Widerspruch zu der Aussagekraft von Zensuren über die Lernenden als Personen mit ihren eigentlichen Fähigkeiten und menschlichen Qualitäten steht (vgl. Furtner-Kallmünzer & Sardei-Biermann 1982:25f.; Czerwenka et al. 1990:116f.).

      Als negativ wird außerdem die empfundene Einschränkung der Freizeit genannt, die aus einem Übermaß an benötigter Lernzeit resultiere (vgl. Haselbeck 1999:132). Bocka (2003:130) spricht davon, dass die viele häusliche Lernarbeit – in Form von schriftlichen Hausaufgaben sowie die Vorbereitung auf Leistungskontrollen – sogar noch problematischer sei als die eigentliche Benotung. Auch die Häufigkeit, die Ankündigungs- und Durchführungspraxis, die Dauer sowie die Transparenz und Fairness der Leistungsüberprüfung werden angemahnt (vgl. Czerwenka et al. 1990:117; Bocka 2003:123). So äußern die SchülerInnen vielfältige Vorschläge zur Reduzierung des Noten- und Leistungsdrucks, die sich u.a. auf die Organisation und Terminierung von Arbeiten beziehen: maximal ein bis zwei Tests pro Woche, die zwei bis drei Wochen im Voraus bekannt gegeben werden sollten (vgl. Bocka 2003:123). Vermieden werden sollten aus Sicht der Lernenden auch Situationen, in denen durch die Leistungsüberprüfung, z.B. in Form mündlicher Tests oder öffentliche Notenbekanntgabe, Schamgefühle entstehen oder die Lernenden blamiert werden könnten (vgl. ebd.: 130).

      Wenn Zensuren zu einer Art Tauschwert geraten oder ihrem eigentlichen Zweck enthoben werden, stößt dies auf Kritik bei SchülerInnen. Lernen diene demnach nicht mehr primär einem Wissens- oder Kompetenzzuwachs, sondern werde einzig auf das Erreichen einer guten Zensur reduziert, weshalb das Gelernte danach wieder vergessen werden könne (vgl. Czerwenka et al. 1990:116ff.). Auch dass Tests und Leistungskontrollen als Instrument der Disziplinierung und Verhaltenskorrektur eingesetzt werden, verstößt in den Augen der Lernenden gegen den intendierten Sinn schulischer Leistungsbewertung (vgl. Haselbeck 1999:335). Dennoch lassen sich in keiner der Studien Hinweise darauf finden, dass SchülerInnen eine komplette Abschaffung der Noten wünschen.

      3.3.4 Zur Bedeutung sozialer Beziehungen

      Die Schule wird von Jugendlichen als sozialer Raum erlebt, der das Treffen von Freunden und Kennenlernen neuer Menschen ermöglicht (vgl. u.a. Nölle 1995:115; Denner et al. 2002:52). Eine intakte und gut funktionierende Klassengemeinschaft stellt insofern für SchülerInnen1 einen sehr wichtigen Aspekt von Schule dar (vgl. Bocka 2003:132), der Einfluss auf das Lernen, die Schulleistung, das Verhalten und die Persönlichkeitsentwicklung nimmt (vgl. Grewe 2017:547). Obwohl einige der Studien zum Klassenklima aus Schülersicht bereits einige Jahre zurückliegen, zeichnen deren Ergebnisse ein überwiegend positives Bild bezüglich des Auskommens und sozialen Miteinanders von SchülerInnen (vgl. u.a. Kanders et al. 1996:66). In der Untersuchung von Haecker und Werres (1983:84f.) geben mehr als 80 % der Befragten an, sich immer oder oft mit anderen zu vertragen, Freude am Zusammensein mit den KlassenkameradInnen zu empfinden und sich nie oder sehr selten von diesen allein gelassen zu fühlen. Häufig werden Freunde und KlassenkameradInnen sogar als die wichtigsten Bezugspersonen genannt, die wesentlichen Einfluss auf das eigene Wohlergehen im schulischen Kontext nehmen. Werte wie Kompromissbereitschaft, Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit, Offenheit, Vertrauen, gegenseitige Achtung sowie ein partnerschaftlicher Umgang prägen das Verständnis einer funktionierenden Klassengemeinschaft (vgl. Haselbeck 1999:345).

      Dennoch gibt es einen geringen Anteil an SchülerInnen (4 %), der dieses positive Urteil hinsichtlich des Zusammenhalts und der Hilfsbereitschaft nicht teilt und angibt, sich stets oder oft ausgeschlossen zu fühlen (vgl. Haecker & Werres 1983:86). Andere Studien sprechen sogar von 12,8 % der Lernenden, die