Fremdsprachenunterricht aus Schülersicht. Julia Fritz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Julia Fritz
Издательство: Bookwire
Серия: Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783823302254
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vierte Fremdsprache lernförderlich wirken.

      Dass Spanisch immer häufiger in den Stand der zweiten Fremdsprachen erhoben wird, bleibt nicht folgenlos für das Verhältnis zu seiner romanischen Nachbarsprache Französisch und hat in der Vergangenheit zu einem wachsenden Konkurrenzdenken zwischen Vertretern beider Fächer geführt (vgl. u.a. Weller 1995:635). Die steigende Beliebtheit des Spanischen gehe – so die Befürchtungen der frankophilen Vertreter – auf Kosten des Französischen, dessen Prestige – bis in die 1980er Jahre weit über dem des Spanischen liegend – in der Öffentlichkeit zusehends abnehme (vgl. Caspari & Rössler 2008:62ff.). Ob und inwieweit tatsächlich von einer solchen Konkurrenz zwischen Französisch und Spanisch auszugehen ist, soll ein genauerer Blick auf die Entwicklung der Belegzahlen klären.

      2.2.2 Entwicklung der Lernerkontingente

      Lernten im Schuljahr 2014/15 mehr als 7,4 Millionen SchülerInnen Englisch, was einem Anteil von 86,9 % an allgemeinbildenden Schulen entspricht, waren es für das Fach Französisch immerhin 18,4 % (ca. 1,5 Millionen Lernende), gefolgt von Latein mit 8,2 %. Nur knapp 5 % (404.183 SchülerInnen) belegten das Fach Spanisch (vgl. Tab. 2).

Anzahl (absolut) Anteil in %
2004/05 2014/15 2004/05 2014/15
Englisch 7.477.881 7.274.027 77,7 86,9
Französisch 1.702.243 1.535.600 17,7 18,4
Latein 739.570 688.625 7,7 8,2
Spanisch 213.357 404.183 2,2 4,8

      Tabelle 2:

      SchülerInnen nach ausgewählten erlernten Fremdsprachen in den Schuljahren 2004/05 und 2014/15 an allgemeinbildenden Schulen (Statistisches Bundesamt 2016: 21)

      Wie lässt sich angesichts dieser Verteilung und des deutlichen Rückstandes der Belegzahlen nun der (vermeintliche) Boom des Spanischen erklären? Betrachtet man die in der Grafik dargestellten Zuwachsraten für das Fach Spanisch, wird deutlich, dass sich die prozentualen Lernerzahlen zwischen den Schuljahren 2004/05 und 2014/15 von 2,2 % auf 4,8 % mehr als verdoppelt haben (vgl. Tab. 2). Bei einem Blick auf die absoluten Zahlen sind für das Fach Spanisch im Vergleich zu den Sprachenfächern Englisch, Französisch und Latein jedoch die geringsten Lernerzahlen festzustellen, sodass es eben weniger die absoluten als vielmehr die prozentualen Werte sind, die dieses Wachstum ausmachen. Bär spricht insofern nicht zu Unrecht relativierend von einem „Boom der prozentualen Werte“ (Bär 2012:241).

      Dennoch macht sich der Aufschwung des Faches Spanisch gegenüber Französisch in der Sekundarstufe II besonders bemerkbar. Musste das Französische innerhalb von zehn Jahren einen Verlust an Lernenden von 6,2 % hinnehmen, konnte der Fremdsprachenunterricht Spanisch um beinahe 5 % zulegen (vgl. Abb. 3). Dies dürfte nicht zuletzt an seiner zunehmenden Bedeutung als neu einsetzende Fremdsprache in der Oberstufe liegen.

      Abbildung 3:

      Entwicklung der Lernerzahlen für Französisch und Spanisch in der Sekundarstufe II an Gymnasien in Prozent

      Dass das Fach Spanisch auch über alle Jahrgangsstufen hinweg steigende Belegzahlen vorweisen kann, verdeutlicht die nachfolgende Grafik, die einen Vergleich der Lernerzahlen zwischen den Schuljahren 2004/05 und 2013/14 abbildet. Auch die bereits angesprochene zunehmende Bedeutung des Faches als zweite Fremdsprache lässt sich anhand der Werte ablesen. So stieg bspw. die Zahl der Spanischlernenden in Klasse 6 von 3.277 (1,23 %) im Schuljahr 2004/05 beinahe um das Fünffache auf 15.904 (5,72 %) im Schuljahr 2013/14 (vgl. Abb. 4). Spanisch wird nicht nur immer häufiger, sondern auch immer früher gewählt.

      Abbildung 4:

      Vergleich der prozentualen Lernerzahlen für das Fach Spanisch an Gymnasien nach Jahrgangsstufen in den Schuljahren 2004/05 und 2013/14 (G8/G9)

      Auch als dritte bzw. neu einsetzende Fremdsprache kann das Fach Spanisch im Vergleich zu Französisch deutlich zulegen, wie die Zahlen belegen. Dennoch lassen sich in der Sekundarstufe II gleichermaßen Abwahltendenzen beobachten. Und auch wenn sich der Höchstwert im Schuljahr 2013/14 (23,47 %) im Vergleich zum Schuljahr 2004/05 (16,38 % in der Jahrgangsstufe 11) um ein Jahr nach vorne in die Jahrgangsstufe 10 verschiebt, sind die rückläufigen Lernerzahlen gleichermaßen alarmierend. Dabei unterscheiden die Statistiken nicht zwischen den SchülerInnen, die das Fach als fortgeführte Fremdsprache lernen, und denen, die es als neu einsetzende Fremdsprache belegen. Es muss also davon ausgegangen werden, dass die Abwahlzahlen für Spanisch als zweite Fremdsprache in der Realität noch höher sind.

      2.3 Standortbestimmung: Französisch und Spanisch am Ende der Sekundarstufe I

      Der Blick auf die bildungspolitischen Rahmenbedingungen der Fremdsprachen Französisch und Spanisch sowie auf die Entwicklung ihrer Lernerkontingente erlaubt eine erste Standortbestimmung der beiden Fächer. Es kann festgehalten werden, dass die Obligatorik und die Vorverlegung der zweiten Fremdsprache mit einem Beginn ab Klasse 5 bzw. 6 am Gymnasium insgesamt zu einer Stärkung des Französisch- und Spanischunterrichts geführt haben, sodass mitnichten von einer Krise die Rede sein kann. Die insgesamt steigenden Lernerzahlen für beide Sprachen zeichnen ein überwiegend positives Bild.

      Neben dem Englischen, das unverändert und unangefochten die stärkste Position unter den fremdsprachlichen Fächern einnimmt, scheinen Französisch und Spanisch jedoch nur schwer zu bestehen. Trotz der Modifikation des Hamburger Abkommens 1971, nach welcher alle lebendigen Fremdsprachen als erste Fremdsprache denkbar und möglich wären, verstetigt sich die Dominanz des Englischen als lingua franca. Die Tatsache, dass nur an einer Schulform, dem Gymnasium, überhaupt zwei Fremdsprachen verbindlich gelernt werden müssen, befördert diese Dominanz zusätzlich und sorgt für eine große Konkurrenz unter den übrigen Schulfremdsprachen (vgl. Bär 2017:89).

      Während sich dieses ungleiche Kräfteverhältnis in der Sekundarstufe I noch weniger bemerkbar macht und die Lernerzahlen in den vergangenen Jahren hier insgesamt relativ stabil geblieben sind, muss für die gymnasiale Oberstufe konstatiert werden, dass die bestehenden Wahl- und Abwahlmöglichkeiten vor allem in der Sekundarstufe II zu einem erheblichen Einbruch der Belegzahlen führen. Dies betrifft Französisch und Spanisch gleichermaßen, sodass Bär (ebd.: 93) gar von „einem langsamen (aber ziemlich sicheren) Aussterben der zweiten Fremdsprache(n) in der gymnasialen Oberstufe“ spricht. So zeigt u.a. das Beispiel Hessen, dass nur diejenigen SchülerInnen in der Sekundarstufe II (Qualifikationsphase) eine zweite Fremdsprache belegen müssen, die keine zweite Naturwissenschaft oder Informatik wählen. Dabei muss diese zweite Fremdsprache nicht der entsprechen, die in der Sekundarstufe I gelernt wurde. Auch eine neu einsetzende Fremdsprache kann in der Jahrgangsstufe 11 hinzugenommen werden (vgl. Martinez 2005:65f.), was vor allem ein Argument für Lernende mit schlechteren Leistungen in der bisherigen zweiten Fremdsprache bilden dürfte.

      Als ein wesentlicher Faktor zur Erklärung der hohen Abwahlraten – Hessen steht an dieser Stelle stellvertretend für eine bundesweit verbreitete Praxis – müssen daher die fächerbezogenen