Fremdsprachenunterricht aus Schülersicht. Julia Fritz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Julia Fritz
Издательство: Bookwire
Серия: Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783823302254
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beklagt werden (vgl. Fichten 1993:130f.; Kallenbach 1996:180). Hier decken sich also die Ergebnisse mit denen der zuvor beschriebenen fächerunabhängigen Studien. Monotonie in der Methode wird – neben nicht ansprechenden Themen – als häufigste Ursache für sinkendes Interesse und fehlende Motivation im Französischunterricht angegeben (vgl. Düwell 1979:100), sodass der Französischunterricht am Ende der Sekundarstufe I zahlreiche Lernende verliert. Doch scheint dies insbesondere für den Französischunterricht zu gelten, denn SchülerInnen nehmen in Bezug auf die methodische Gestaltung auch Unterschiede zwischen den zu erlernenden Fremdsprachen wahr. Für das Fach Spanisch als dritte Fremdsprache wird die höhere Lernökonomie und ‑effizienz bei der Unterrichtsgestaltung sehr positiv bewertet. Der Unterricht folge einer schnelleren Progression, sei systematischer und das Vorwissen der Lernenden werde viel stärker mit in den Unterricht einbezogen (vgl. Kallenbach 1996:222f.). Mehr als die Hälfte der befragten Zehntklässler (53 %) bevorzugen Englisch gegenüber dem Französischunterricht und begründen ihre Entscheidung neben dem eigenen fortgeschrittenen Lernniveau und den interessanteren Themen damit, dass er methodisch besser und abwechslungsreicher sei und man eher folgen könne (vgl. Düwell 1979:145).

      Doch wenngleich der Englischunterricht in der Wahrnehmung der Lernenden häufig positiver abschneidet als das Fach Französisch, scheinen auch hier aktivierende Methoden eines kommunikations- und handlungsorientierten Fremdsprachenunterrichts vernachlässigt zu werden. So deckt sich die Unterrichtswahrnehmung der Lernenden weitgehend mit den Unterrichtsbeobachtungen und ‑analysen von Zydatis:

      In den meisten Gymnasialklassen zeichnet sich der Englischunterricht über große Strecken der Unterrichtszeit durch ein erhebliches Maß an Variationsarmut aus. Der Unterrichtsalltag wird im Wesentlichen vom Skript des lehrergesteuerten, „erarbeitenden“ Unterrichtsgesprächs (nach dem kleinschrittigen „PING-PONG“-Modell der Lehrer/Schüler-Interaktion) oder vom ebenfalls lehrergeleiteten Skript der „gelenkten“ induktiven Regelfindung einer stark formgebundenen Grammatikarbeit geprägt (nach dem Dreischritt: Präsentation von Beispielsätzen, Erarbeitung einer Regel, Einüben der Struktur). In beiden Vorgehensweisen dominieren im Prinzip der anfängliche Frontalunterricht und eine sich daran anschließende Einzel- oder Stillarbeit. (Zydatis 2007:392f.)

      Als besonders eintönig beurteilen die Lernenden im Fremdsprachenunterricht Lehrbucharbeit und grammatische Übungen, die als stupide und nervig empfunden werden (vgl. Kallenbach 1996:185). In der Studie von Küster (2007:216) stimmen weniger als 5 % der Befragten der Aussage, das Lehrwerk wirke modern und ansprechend, völlig zu. Nur 9 % bewerten die Übungen im Lehrwerk als vielfältig. Dies bestätigt auch die Pilotstudie von Börner (2000) an der Uni Hamburg, bei denen Fremdsprachenstudierenden zwei bzw. drei Aufgaben in den Sprachen Englisch, Französisch, Italienisch, Portugiesisch und Spanisch zur Bearbeitung vorgelegt wurden. Diese zeigt hinsichtlich der Lösungshaltung, dass Grammatikaufgaben formal, schematisch und mechanisch gelöst und als nicht sehr lernförderlich empfunden werden: „Zweifellos gehen viele Lerner in hohem Maße strategisch an das Üben heran, aber es sind Strategien des formalen Lösens, weniger des inhaltlichen Verarbeitens oder des Verstehens grammatischer Regularitäten.“ (Börner 2000:335) Angestrebt wird folglich nicht Verarbeitungstiefe, sondern Verarbeitungsökonomie (vgl. ebd.: 334). Vor diesem Hintergrund überrascht auch nicht, dass SchülerInnen sprachenübergreifend und unabhängig von ihrer Einstellung gegenüber dem Fremdsprachenlernen mehr kognitivierende Unterrichtsverfahren, d.h. eine stärkere Bewusstmachung sprachlicher Strukturen sowie regelmäßiges und strukturiertes Üben vermissen (vgl. Hermann-Brennecke & Candelier 1993:243f.).

      3.3.4 Schwierigkeitsgrad des Faches und Leistungsentwicklung

      Wie bereits angedeutet, bilden die eigenen schlechten Zensuren bzw. Leistungen – beide Begriffe werden von den Lernenden synonym verwendet (vgl. Bittner 2003:343f.) – sowie der wahrgenommene Schwierigkeitsgrad des Faches wesentliche Gründe für sinkendes Fachinteresse und die Abwahl des Faches Französisch (vgl. u.a. Düwell 1979; Hermann-Brennecke & Candelier 1993; Bittner 2003). Zwischen der Französisch-Note und der Bereitschaft, das Fach abzuwählen, besteht ein hochsignifikanter Zusammenhang, was Hermann-Brennecke und Candelier (1993:243) wie folgt begründen: „Anders ausgedrückt, verspürt jemand, der in dieser Sprache nicht gerade reüssiert, auch keine große Neigung, sich weiterhin Mißerfolgserlebnissen auszusetzen.“

      Bei der Bewertung des Französischen spielen aus der Sicht von SchülerInnen die steigende Progression in der Grammatik, die Aussprache und der Wortschatz sowie damit verbundene Herausforderungen eine ebenso große Rolle wie enttäuschte Erwartungen, sich Französisch leichter und interessanter vorgestellt zu haben. Nachlassende Leistungen werden häufig über die steigende Schwierigkeit der Sprache erklärt (vgl. Düwell 1979:105f., 115). Dabei ist der Begriff „Schwierigkeit“ (vgl. u.a. Serra Borneto) nicht unproblematisch, wird er doch selten präzise definiert. In Abgrenzung zu dem Begriff „Lernbarkeit“1 schlägt Sigott vor:

      Unter Schwierigkeit soll hingegen der mutmaßliche, informell beobachtete oder erfahrene Lernaufwand verstanden werden, den das Erlernen einer Fremdsprache oder Aspekte einer Fremdsprache einem Lerner oder einer Gruppe von Lernern abverlangt. Aussagen über die Schwierigkeit können von Einzelpersonen direkt geäußert oder von Wissenschaftlern mittels Fragebogen erhoben werden. Aussagen zur Schwierigkeit von Fremdsprachen erhalten eine subjektive Komponente. Sie haben ihren Ursprung zumindest teilweise in der persönlich verspürten Anstrengung, die der Erwerbsprozeß dem Lerner abverlangt. (Sigott 1993:26, Hervorh. im Orig.)

      Auch Cronjäger (2009:239) sieht in dem Schwierigkeitsempfinden der Lernenden einen wichtigen Indikator für Abwahlentscheidungen in der Oberstufe. Besonders nachdenklich stimmt, dass die Einschätzung der wahrgenommenen Schwierigkeit bereits im ersten Lernjahr signifikant steigt und gleichzeitig Einfluss auf das Angsterleben der SchülerInnen nimmt. Dass sich hier eine deutliche Diskrepanz gegenüber dem Einsetzen der Fremdsprache Französisch abzeichnet, zeigt auch die Befragung von Caspari (2005:12). In ihrer Interviewstudie an neun Berliner Grundschulen mit Französisch als erster Fremdsprache wird der höhere Schwierigkeitsgrad im Vergleich zur englischen Sprache hier noch als herausfordernd und etwas im positiven Sinne Besonderes gesehen.

      Das Erlernen von Fremdsprachen wird von den SchülerInnen als langwieriger Prozess betrachtet. Im fortgeschrittenen Lernprozess sind die Fremdsprachen in der Wahrnehmung der Lernenden schneller abrufbar und erscheinen ihnen leichter (vgl. Kallenbach 1996:205). So erklärt sich auch, dass die Verfügbarkeit des Englischen insgesamt als besser eingeschätzt wird als für die nachgelernte französische oder spanische Sprache2, über deren Gebrauch und Anwendung die SchülerInnen noch stärker nachdenken müssen (vgl. ebd.: 207). Dass Englisch im Vergleich zu Französisch von der Mehrheit der SchülerInnen als leichter eingeschätzt (vgl. Venus 2017a: 132) und aus diesem Grund am Ende der Sekundarstufe I bevorzugt wird, dürfte also nicht zuletzt am fortgeschrittenen Lernniveau in der zuerst gelernten Sprache liegen (vgl. Düwell 1979:134f.). Auf die schwierige Position der zweiten Fremdsprachen, insbesondere des Französischen nach Englisch, verweist auch Beckmann in ihrer Arbeit:

      Während 59 % der Spanischlerner (überwiegend S3 [Spanisch als dritte Fremdsprache, Anm.d. Verf.]) angeben Spanisch zu einem früheren Zeitpunkt zu belegen, wenn sie noch einmal wählen könnten, geben dies nur knapp 20 % der Französischlerner (überwiegend F2 und F3 [Französisch als zweite und dritte Fremdsprache, Anm.d. Verf.]) an. (Beckmann 2016:339)3

      Die Folgen eines erhöhten Schwierigkeitsempfindens beschränken sich dabei nicht nur auf die betreffende Fremdsprache, sondern können auch Konsequenzen für das Erlernen weiterer Fremdsprachen mit sich bringen. Als häufigsten Grund, keine zusätzlichen Sprachen lernen zu wollen, geben die befragten SchülerInnen in der Untersuchung von Hermann-Brennecke und Candelier (1993:242) an, zusätzliche Belastungen vermeiden zu wollen (71 %), oder äußern die Befürchtung, „eine solche Herausforderung nicht mehr zu schaffen, weil sie sich persönlich überfordert fühlen (53,9 %)“. Dennoch sehen die Lernenden auch Vorteile, die das Erlernen einer dritten oder vierten Fremdsprache begünstigen können. Spanischlernende, die das Fach als dritte Fremdsprache belegen, profitieren von ihren Vorkenntnissen aus dem Französischunterricht und erleben so eine schnellere Progression (vgl. Beckmann 2016:340). Dass sie außerdem bei deren Einsetzen bereits älter sind, wirkt sich