Am Trallafitti-Tresen. Udo Lindenberg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Udo Lindenberg
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783863935092
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gern er doch Seemann wäre

      doch der Meister von der Reederei

      sagt: „Für dich ist an Bord keine Koje mehr frei“

      Und so fährt er abends wieder zurück nach Beton City

      Block 912, Wohnklo Nummer 4

      Und seine Illusionen verwandeln sich in Aggressionen

      und um cool zu bleiben, besäuft er sich

      mit dem Supermarktsonderangebotsbier

      Seine Eltern haben ihn hängen lassen

      die Schule war ’ne Pleite

      dieses langweilige Schnarch- und Gähneprogramm

      kam bei ihm überhaupt nicht an

      Der Pauker sagt: „Es wird immer fataler

      dein Weg wird immer schmaler“

      Und dann hat ihm Freddy die Fresse poliert

      seine Nerven waren einfach schon zu strapaziert

      Und dann haben sie ihn gefeuert, schlechte Aussicht

      kriegst keinen Job aufm Dampfer

      und auch anderswo nicht

      ’n paar Kumpels von ihm

      haben zwar die Schule zu Ende gemacht

      das hat ihnen aber auch keinen Job gebracht

      Und nun lungert er rum mit denen

      im Neue-Heimat-Ghetto

      und er nennt sich „Satellit City Fighter“

      und er geht, um sich die Kohlen

      aus den Automaten rauszuholen

      das ist immer noch besser als Fließband-Hilfsarbeiter

      Er prügelt sich gern und ist meistens voll

      doch er merkt, auf die Dauer ist das auch nicht so toll

      der große Bruch ist sowieso zu riskant

      Zehn Jahre Knast wär’n nicht so charmant

      Doch er ist kein Fuzzi, er ist kein Verlierer

      und Durchhängen hat nun absolut keinen Sinn

      Und so packt er alle Energien, die er hat

      in den Kopf, und verlässt diese Abtörnstadt

      es wird zwar hart, doch er weiß: Er kriegt’s hin

       (1976)

      Jenny

      Jenny, Jenny, Jenny ging noch zur Schule

      doch was da passierte, nervte sie sehr

      Die streben da rum, die Beamten von morgen

      Horror vor der Zukunft, Zeugnissorgen

      gerade erst sechzehn, doch jetzt schon keine Power mehr

      Selten, dass mal einer das Maul aufmacht

      und dem Pauker so richtig die Meinung sagt

      die Duckmäuser kriechen ihm lieber barsch

      für ’ne gute Note in den…

      Und Jenny denkt:

      Weg, weg, abhauen, weg

      ich mach ’ne Biege, ich mach ’ne Fliege

      weg, weg, abhauen, weg, ich will Randale

      Jenny, Jenny, Jenny schloss sich ein in ihr Zimmer

      sie knallt den Saphir in die Rille

      und abends in der Küche

      klopft der Alte seine Sprüche:

      „Du siehst das alles durch die falsche Brille

      denk an Krise und Inflation

      sonst landest du später bei der Bahnhofsmission“

      Und so wühlt in ihr der totale Stress

      wie das Ungeheuer von Loch Ness

      Abenteuerträume, große weite Welt

      und dann hat sie sich an die Autobahn gestellt

      Weg, weg, abhauen, weg

      ich mach ’ne Biege, ich mach ’ne Fliege

      weg, weg, abhauen, weg, ich will Randale

      Und dann kam sie an in München an der Isar

      und sie törnte sich an

      bis sie schief war wie der Turm von Pisa

      Sie rannte da rum

      auf der Suche nach Sensationen

      sie sagte: „Oh Mann, das verschärfte Leben fängt an“

      Und abends ging sie in den Larry-Laden

      wo die Band lärmte, für die sie so schwärmte

      Sie traf einen Typ mit der gleichen Antenne

      und ausgerechnet der war Lehrer an ’ner Penne

      und als sie sich dann liebten

      sagte er: „Jenny, weißt du

      manchmal möcht’ ich auch

      weg, weg, abhauen, weg

      doch eigentlich hat Flüchten auch keinen Zweck

      Wir könnten zwar los, auf Never Come Back

      doch die Schule ändern, das wär’ der Gag“

       (1976)

      Sie ist vierzig

      Morgens zum Frühstück kommt ihr Mann mit dem Spruch:

      „Ich hab’ dich lieb, doch wo ist meine Zeitung?“

      Er glotzt da rein, und ihr fällt auch nichts mehr ein

      dann latscht er ins Büro, und sie ist wieder allein

      Manchmal denkt sie: Ich säge sie an, uns’re Wasserleitung

      und dann bestell’ ich den charmanten Installateur

      bei Frau Nachbar geht er aus und ein

      Ja, so was las sie auch schon mal im Frauenjournal

      aber weg mit solchen Ideen, und sie lässt es lieber sein

      Und dann staubsaugt sie los, im Zimmer ihrer Tochter

      und wieder sieht sie das Plakat von James Dean

      und sie versinkt in seinen Augen und träumt die alten Träume

      Sie ist jenseits von Eden mit zitternden Knien

      Sie ist vierzig, und sie fragt sich:

      „War das nun schon alles, was für mich vorgesehen war?“

      Vielleicht sollte sie jeden Tag so leben, als ob’s der letzte wär’

      mit so einem Typ wie Jimmy

      in Kalifornien, am Meer

      Als sie ihren Tarzan geheiratet hat, ganz in Weiß, ’58 im Mai

      da sagte er: „Meine Hitze wird niemals verglüh’n“

      Doch wenn sie sich heute einmal die Woche im Bett bemüh’n

      dann schlafen sie nur aneinander vorbei

      Sie ist vierzig, und sie fragt sich:

      „Wie komm’ ich raus aus diesem Wartesaal