Drachengabe - Halbdunkel - Diesig - Finster. Torsten W. Burisch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Torsten W. Burisch
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783960742906
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grell. Während sie die Quelle des wundervoll duftenden Geruchs ansteuerten, drückte sich Dantra die Hände an den Kopf, als wollte er verhindern, dass er auseinanderbrach.

      „Was ist los?“, fragte Comal ihn besorgt, als sie bei ihm ankamen. „Alles in Ordnung?“ Dantra schüttelte nur vorsichtig den Quell der Schmerzen. „Was ist denn passiert?“

      „Er hat nicht auf mich gehört“, kommentierte Akinna die Situation. „Trink das Wasser“, forderte sie Dantra auf. „Je mehr du zu dir nimmst, desto schneller vergehen die Schmerzen. Aber mach dir keine Illusionen. Bis heute Abend dauert es in jedem Fall. Ach, und um noch einmal auf das zurückzukommen, was du gestern gesagt hast. Ich bin sehr wohl in der Lage, mir etwas Schönes zu gönnen und es in vollen Zügen zu genießen. So wie gerade jetzt deinen Gesichtsausdruck. Herrlich!“

      Nach dem Frühstück, bei dem Akinna zum ersten Mal mehr Freude empfand als Dantra, brachen sie auf. „Wo gehen wir jetzt hin?“, wollte Comal wissen.

      „Wir müssen jemanden aufsuchen. Leider können wir nicht auf direktem Weg zu ihm gehen, da wir ab jetzt jede Nacht ein sicheres Versteck aufsuchen müssen. Des Weiteren sollten wir nicht mehr die Straßen nutzen, auf denen uns eine Menge Leute begegnen würde. Wir gehen lieber abseits, die kleineren Wege. Die sicheren Städte und Dörfer müssen wir auch weiträumig umgehen. Das jedoch bedeutet, dass du auf deine Art, an Gemüse heranzukommen, für einige Zeit verzichten musst. Ich meine, wenn du uns überhaupt weiter begleiten willst. Was ich aber sehr begrüßen würde.“

      Comal strahlte sie an. Nichts lag ihm ferner, als diese Einladung auszuschlagen. „Natürlich komme ich mit. Wenn es etwas Wichtigeres gibt als gutes Essen, dann ist das eine gute Gesellschaft.“ Akinna lächelte zurück und so starteten zumindest zwei von ihnen gut gelaunt in den Tag. Um die Mittagszeit lichtete sich der dichte Wald um sie herum und schon bald prägten Heide und endlose Wiesen die Landschaft. Hier und da durchbrachen Ansammlungen von Holunder- und Brombeerbüschen die Eintönigkeit. Gegen Nachmittag wurde das Gelände zunehmend hügeliger. Ab dem Moment zog Akinna das Tempo merklich an. Die Zeit bis zum Sonnenuntergang wurde knapp und sie hatten ihr Tagesziel noch nicht erreicht.

      In der Ferne entdeckte Dantra einen dunklen Punkt. Erst als sie näher herangekommen waren, konnte man diesen als unbewachsenen Hügel ausmachen. Ihr weiterer Weg steuerte direkt auf diesen zu. Akinna blieb stehen und wandte sich an Comal. „Ich denke, unsere Nachtunterkunft ist auch heute wieder nicht für dich geeignet. Und es wäre ferner für uns von Vorteil, wenn wir ab hier alleine weitergehen. Dort vorn ist eine Abzweigung.“ Akinna zeigte den Weg entlang. „Diese ist von unserer Unterkunft bereits einsehbar. Gib uns daher bitte einen kleinen Vorsprung. Dann folgst du dem Weg nach rechts. Nicht weit und du gelangst an einen kleinen Tümpel. Dort treffen wir uns morgen wieder.“

      „Alles klar“, brummte der Nalc verständnisvoll.

      Akinna war bereits einen Schritt weitergegangen, als sie Comal noch fragte: „Ach, hast du vielleicht einen Salatkopf oder etwas Ähnliches für uns?“

      Er kramte in einem seiner beiden Seesäcke und zog einen kleinen Kohlkopf heraus. „Tut mir leid, aber Salat ist aus“, sagte er achselzuckend.

      „Macht nichts“, erwiderte Akinna, „der erfüllt auch seinen Zweck.“ Sie nahm ihm den Kohl aus der Hand, bedankte und verabschiedete sich mit einem Nicken und marschierte dann weiter auf den Hügel zu.

      Comal griff abermals in den Sack und holte einen Viertellaib Brot heraus, welchen er Dantra gab. Dieser bedankte sich ebenfalls mit einem Kopfnicken und setzte Akinna nach.

      „Seit wann interessierst du dich für Essen?“, fragte er sie, nachdem er zu ihr aufgeschlossen hatte.

      „Oh, lassen deine Schmerzen nun endlich wieder das Fragenstellen zu? Hallt deine eigene Stimme nun nicht mehr in deinem Kopf nach wie eine Trompete?“

      „Du kennst dich aber gut mit den Leiden aus, die so ein einlullendes Elfenkonzert mit sich bringt. Bist wohl selbst schon auf sie reingefallen, was?“

      „Ja, bin ich“, gab Akinna offen zu. „Aber im Gegensatz zu dir hatte ich niemanden, der mich vor ihren Gesängen gewarnt hat.“ Mit einem hämischen Grinsen schloss sie die Nachbesprechung des Elfenvorfalls ab. „Aber um deine Frage zu beantworten, ich interessiere mich nicht für diesen Kohlkopf, wohl aber für die kleinen Gesellen, bei denen wir uns für die nächste Nacht einen Schlafplatz erkaufen müssen.“

      „Und was sind das für Gesellen? Sind es auch magische Wesen, die mir Kopfschmerzen bereiten können? Wenn ja, sag es lieber gleich. Dann schlaf ich nämlich bei Comal.“

      „An ihnen ist gar nichts magisch. Keine Sorge. Sie heißen Tibboh, umgangssprachlich auch Schneckenwichtel genannt. Sie haben den Vorteil, dass sie die Drachen nicht mögen und erst recht keine Fledermäuse. Dennoch haben sie nichts zu verschenken. Daher auch der Kohlkopf. Denn sie bekommen nur das zwischen die Zähne, was die Umgebung hier hergibt. Mit etwas, das sie nicht alle Tage bekommen, und ein wenig Fingerspitzengefühl kann man sie gastfreundlich stimmen.“

      „Fingerspitzengefühl?“, fragte Dantra nach.

      „Sie hassen Arroganz und Hochnäsigkeit. Aber wenn man ihnen keinen Grund für Misstrauen gibt und sich mit ihnen auf eine Ebene stellt, gibt es eigentlich keine Probleme.“ Als sie unmittelbar vor dem Hügel standen, wusste Dantra, woher ihr Name stammte. Der Steinhaufen war so aufgebaut, dass er aussah wie ein riesiges Schneckenhaus. Der Ausgangspunkt der Windungen lag oben, so wie man es von einer Schnecke kennt. Die Öffnung war halb im Boden versenkt und gerade groß genug, dass sich Dantra hindurchzwängen konnte. Einige für diese Gegend ungewöhnlich hoch gewachsene Nadelbäume standen vereinzelt drum herum. Einer von ihnen fiel gleich ins Auge. Halb entwurzelt hatte er sich bereits bedrohlich in Richtung steinernes Schneckenhaus geneigt. Er wurde nur noch von einem wesentlich kleineren Baum, in den er hineingefallen war, davon abgehalten, das letzte Stück zum Steinhaufen zurückzulegen. Es war offensichtlich, dass es nur noch eines starken Imberwinds bedurfte, damit das ganze instabile Gebilde endgültig zusammenstürzte.

      Akinna kniete sich einige Schritte vor dem Hügeleingang auf den Boden und zog Dantra am Hosenbein zu sich herunter. „Hallo, wir kommen mit einer Bitte und dies ist unser Dank, auch wenn unser Gesuch abgelehnt wird.“ Sie legte den Kohlkopf vor sich ins Gras.

      Ein kleiner Wichtel mit schmalem Gesicht und Pausbäckchen, einer Nase, die von zwei viel zu dominanten Löchern beherrscht wurde, und dichten Augenbrauen, die von demselben grau melierten Schwarz waren wie der Ziegenbart am Kinn, trat heraus. Auf seinem Kopf trug er eine aus Gräsern gefertigte Dreiecksmütze. Seine Bekleidung bestand nur aus einer Art Kartoffelsack, in den aufgrund seiner Größe allerdings nicht mehr als zwei Handvoll hineinpassen würden. Eine Kordel um seine Hüfte raffte diesen zusammen. Seine knochigen braunen Füße erinnerten an Wurzeln und seine Finger waren wie lange, blätterlose Äste, die in einer viel zu kleinen Handfläche zusammenliefen.

      Er stand mit einem nachlässig angespitzten Stock in seiner Hand da, mit dem er auf sie zielte. Sein Auftreten, als wäre er der größte Krieger, den Umbrarus je gesehen hatte, kampfbereit und ohne Furcht, ließ Dantra ein zu halbherzig unterdrücktes Glucksen entweichen. Was er noch als rücksichtsvoll ansah, denn er hätte sich am liebsten vor Lachen auf dem Boden gekugelt, empfand Akinna schon als unhöflich, was sie durch einen Ellenbogenstoß in seine Rippen deutlich machte. Während Dantra noch darüber nachdachte, ob seine Taktlosigkeit ihm einen Rippenbruch eingebracht hatte, war der Tibboh bereits so nahe gekommen, dass er nun direkt vor dem Kohlkopf stand und an ihm roch. Sein grimmiges Gesicht verflog und ein grinsendes, fast schon sabberndes erschien dafür. Er setzte seine Mütze ab und verbeugte sich vor ihnen. Ein kahler Schädel, nur mit einem Haarhalbkreis am Hinterkopf bestückt, kam zum Vorschein. „Was ist Euer Begehr?“, quiekte er mit so einer hohen Stimme, dass Dantra froh über die Schmerzen in seiner Seite war. Denn spätestens jetzt hätte er sich vor Kichern nicht mehr halten können, wenn Akinna seinen Lachreiz nicht schon im Keime erstickt hätte.

      „Wir brauchen einen sicheren Schlafplatz für eine Nacht. Könntet Ihr uns Einlass in Euer ehrenwertes Heim gewähren?“, fragte sie höflich. Der Wichtel