»Nein, Pucki, das kann er leider nicht.«
»Und wenn die Leute zusammen reden – hört er das auch nicht?«
»Nein, auch nicht.«
»Aber wenn mal Musikanten kommen und Musik machen?«
»Das wird er auch nicht hören können.«
»Schrecklich«, klang es nach einiger Zeit, »dann hat er doch gar keine Freude. Ich freue mich immer, wenn die Vöglein singen und wenn eine Musik kommt.«
»Darum muss man immer sehr gut zu dem tauben Manne sein, liebe Pucki.«
Pucki suchte in der Tasche ihres Kleidchens. Schließlich zog sie ein Stückchen Zucker hervor. »Es ist zu dreckig, das schmeckt ihm nicht mehr. – Aber nachher, wenn wir bei euch guten Kuchen bekommen, schenke ich ihm ein Stück. Du musst mir oft Kuchen hinhalten, Claus, und dann immer sagen: Nimm doch! Dann bekommt der taube Mann etwas von mir, und dann freut er sich.«
Als die beiden weitergingen, wandte sich Pucki noch mehrmals nach dem tauben Manne um. Es schien ihr furchtbar, dass der taube Holzhacker nichts von dem schönen Gezwitscher der Vöglein hören konnte. Sie überlegte, ob denn gar keine Möglichkeit bestünde, ihm auch einmal eine Freude zu machen. – Ja, wenn sie die schöne Trillerpfeife hätte, mit der der Vati den Harras herbeirief, die würde er hören können, und dann würde sich der alte Mann gewiss sehr freuen.
Ganz plötzlich jauchzte sie auf. Ein glücklicher Gedanke schoß durch ihren kleinen Kopf.
»Hackt der Mann morgen wieder?« fragte sie.
»Ja, Pucki, morgen und noch viele Tage.«
»Au, das ist fein! Na, der wird sich aber freuen!«
»Worüber denn, Pucki?«
»Ach, das sage ich dir später. Du wirst dich dann auch freuen. – Weißt du, großer Claus, wir sollen doch anderen Leuten Freude machen – ach, wird der aber lachen!«
»Was hast du denn vor?«
Aber das Kind verriet nichts, nur das Gesicht strahlte wie Sonnenschein.
Schon auf dem Heimwege bettelte Hedi um die Erlaubnis, morgen nachmittag zu Niepels gehen zu dürfen.
»Mutti, du musst es erlauben! Wir wollen jemandem eine Freude machen.«
»Wird's auch keine Dummheit?«
»Aber Mutti«, sagte das kleine Mädchen entrüstet.
»Willst du mir nicht sagen, was du vorhast?«
»Ach, Muttilein«, schmeichelte das Kind, »es macht noch viel mehr Spaß, wenn wir es dir erst hinterher sagen.«
Als Pucki am anderen Tage aus der Schule heimkehrte, eilte sie zu Minna in die Küche und schaute mit prüfenden Blicken auf den Küchenrahmen, an dem die verschiedensten Küchengeräte hingen.
»Minna, gib mir doch mal den Trichter und die große Holzkeule 'runter.«
»Was willst du damit machen, Pucki?«
»Freude machen«, klang es wichtig.
Nur zögernd reichte Minna dem Kinde die gewünschten Gegenstände, und als nach einer Stunde der Niepelsche Wagen ankam, um Pucki nach dem Gute zu holen, schleppte sie Holzkeule und Trichter mit sich.
»Fein wird's, Mutti!«
Mit den Drillingen, denen Puckis Kommen mitgeteilt worden war, fand eine heimliche Beratung statt.
»Weil er doch gar nichts hört, weil er nur hört, wenn man ganz laut was sagt, müssen wir ganz laute Musik machen. Du kommst mit deiner Trommel, Fritz, du nimmst deine Trompete, Paul, und der Walter die schöne Knarre. Ich habe die Tute, und dann holen wir noch 'ne Blechkanne von Onkel aus der Küche, auf die hau' ich mit der Keule. Das ist dann die Pauke, wie wir sie damals auf dem Rummelplatz gesehen haben.«
»Ich hab' noch 'ne Pfeife«, schrie Paul.
»Und ich hab' noch eine andere Trommel!«
»Und ich nehme zwei Blechdeckel, die knall' ich zusammen!«
»Au fein, so wird es gehen! Dann schleichen wir ganz leise an den tauben Mann heran, und – bums, da geht es los! – Na, der wird sich freuen, mal 'ne Musik zu hören!«
Die Niepelschen Knaben waren von diesem Plan begeistert. Als gar zu viel aus der Küche getragen wurde, erschien Frau Niepel und fragte, was die Vorbereitungen zu bedeuten hätten.
»Wir sind eine Kapelle, Tante«, rief Pucki begeistert, »eine große Musikkapelle mit viel Radau. Jetzt fahren wir mit dem weißen Pferdchen zur Oberförsterei, und dann geht's mächtig los!«
Nachdem Frau Niepel erfahren hatte, dass es sich um einen harmlosen Spaß handelte, beschloss sie, den Kindern die Freude zu lassen, vorher aber Frau Gregor zu verständigen, dass die kleine Horde in einer Viertelstunde ankommen würde, um dem alten Holzhacker auf ihre Weise eine Freude zu bereiten.
Frau Gregor war ebenfalls einverstanden und meinte, sie wolle ein wachsames Auge auf die Kinder haben.
Vom Fenster aus sah sie, wie die Kinder ankamen und ihre Instrumente vom Wagen nahmen. Paul hatte im letzten Augenblick noch eine große Milchkanne ergriffen und auf den Wagen gesetzt, damit der Taube die Pauke recht gut hören sollte. Walter zog verschmitzt lachend unter dem Sitz eine große Klingel hervor.
»Die habe ich in dem Hausflur abgerissen. – Na, die macht Krach!«
Dann lugten die Kinder vorsichtig in den Hof. Richtig, dort saß wieder der alte Vater Haegler und hackte Holz. Ein großer Haufen war neben ihm aufgetürmt. Im Bogen schlichen sich die Kinder heran. Kanne, Töpfe, Trommel, die Klingel, der Trichter, und was sie sonst noch mitgebracht hatten, alles wurde verteilt. Es waren weit mehr Instrumente vorhanden, als versorgt werden konnten. So erfolgte erst eine längere Beratung, wie sie es machen wollten, um möglichst viel Krach zu schlagen.
»Ich bin der Kapellmeister«, schrie Paul, »ich gebe mit der Klingel das Zeichen, wenn es losgeht!«
»Die Klingel hab' ich mitgebracht, ich klingle«, brüllte Walter.
»Macht doch keinen Krach«, rief Pucki, »macht lieber Musik, damit sich der alte Mann freut!« Dann griff sie nach Pauls Trompete, in die andere Hand nahm sie die Knarre und rannte damit nach vorn, so dass sie unmittelbar hinter dem alten Haegler stand, und blies los. Walter klingelte wie rasend, Fritz hieb auf die Trommel, Paul bearbeitete die Milchkanne mit einem Fleischklopfer, kurzum, es entstand ein Höllenlärm. Dazu sang Pucki mit ihrer schrecklich krähenden Stimme: »Der Mai ist gekommen, die Bäume schlagen aus.«
Der alte Mann ließ die Axt sinken und blickte sich verdutzt um.
»Er hört es!« schrie Pucki, vom angestrengten Blasen krebsrot im Gesicht. »Macht es dir Freude, alter Vater?«
Das erste, was in Stücke ging, war die Trommel. Fritz glaubte, mit den Schlegeln nicht genügend Lärm zu machen, und hatte ein Stück Holz ergriffen und damit die Trommel nach Leibeskräften bearbeitet. Der Boden der Milchkanne wies bereits zahlreiche Beulen auf, doch unentwegt hämmerte Paul darauf los.
Der alte Holzhacker lachte über das ganze Gesicht. Da ließ Pucki die Trompete sinken und schaute ihn aufmerksam an.
»Er freut sich«, sagte sie glücklich, »und ich freue mich auch. Nun denkt er, er hört die Vöglein im Walde singen.« Dann trat sie dicht an den alten Mann heran und schrie ihm ins Ohr: »Hörst du die Vöglein singen? War es schön?«
»Ei, ei, wie schön! Du liebes, kleines Ding.«
»Er hört mich«, jauchzte Pucki, »nun bin ich wieder so froh, wie damals, als die vielen Kinder bei uns die Waffeln gegessen haben!«
In der Oberförsterei stand Gregor mit seiner Frau und den beiden Söhnen am offenen Fenster. Sie lachten herzlich.
»Wenn