»Wieso?«
Pucki machte ein pfiffiges Gesicht. »Mir ist eben ganz was Schönes eingefallen, aber ich sage es dir nicht! – Vati, ich muss rasch mal zur Minna hinauslaufen und sie was fragen.«
Schon eilte sie aus dem Zimmer und betrat das Kinderzimmer, in dem Minna den Säugling auf dem Arm wiegte.
»Ich weiß was, Minna! Wenn der Vater am 24. Mai Geburtstag hat, schenke ich ihm ein Kissen, damit er weich im Rücken sitzt. Und das Lesezeichen kannst du fertig sticken und ihm schenken. Aber du darfst nichts sagen, das ist mein schönes Geheimnis.«
»Mach nur das Lesezeichen fertig, darüber freut sich der Vater ganz bestimmt.«
»Ich möchte aber lieber ein Kissen machen.«
»Dazu brauchst du Stoff, dann muss es genäht werden. – Nein, Pucki, Mutti hat bestimmt, dass du ein Lesezeichen arbeitest, und dabei bleibt es.«
»Ich brauch' keinen Stoff!«
»So, woraus willst du denn das Kissen machen?«
Hedi ging in ihre Spielecke, riss aus dem Puppenwagen ein Stück Stoff heraus und hielt es mit glänzenden Augen der Minna hin. »Ätsch – das hat mir zu Weihnachten die Großmutti geschickt. Mutti hat gesagt, es sei zu schade für die Puppe, sie könnte daraus ein Kissen machen! – Ätsch, jetzt mache ich das Stuhlkissen für den Vati!«
»Da wird deine Puppe aber recht traurig sein, wenn sie die schöne Wagendecke hergeben muss.«
»Sie darf nicht traurig sein! Ach, Minna, ich freue mich, dass ich dem Vati ein Rückenkissen machen kann. Wenn er dann mal wieder einen krummen Buckel hat, lege ich ihm mein Kissen auf den Stuhl, dann freut er sich.«
Minna achtete nicht mehr auf das Geplauder von Hedi, die noch einmal den schönen Brokatstoff betrachtete. Das gab ein herrliches Kissen ab. Man brauchte den Stoff nur ringsherum zusammenzunähen und irgend etwas hineinzustopfen, damit das Kissen dick wurde. Was würden Vati und Mutti für Augen machen, wenn sie am Geburtstag mit dem Kissen erschien! In aller Heimlichkeit musste es geschehen.
Als Pucki wieder neben dem Vater im Esszimmer saß, hatte ihr Gesicht einen listigen Ausdruck.
»Na, na«, meinte der Vater, »was denkst du dir denn wieder aus, Pucki?«
Das Kind drückte beide Hände fest auf den Mund und schüttelte den Blondkopf.
»Ist es wieder ein Geheimnis, Pucki?«
»Wenn einer bald Geburtstag hat, Vati, darf man nichts sagen.«
»Nun gut, so will ich nicht weiter fragen.«
»Aber freuen wirst du dich! Es glitzert und hat bunte Blumen. – Mehr sage ich dir aber nicht!«
Seit dieser Stunde dachte Pucki beständig an das Geburtstagsgeschenk für den Vati. Sie wusste zwar nicht recht, wie sie das Rückenkissen fertigstellen sollte. Am anderen Morgen packte sie den Stoff in die Schulmappe, denn vielleicht konnte ihr Thusnelda, ihre Mitschülerin, einen guten Rat geben. Thusnelda wurde von Pucki in allen Dingen um Rat gefragt. Obwohl Thusnelda immer recht ärmlich gekleidet war und keinen Vater hatte, der für sie sorgen konnte, hatte Pucki gerade diese Klassenkameradin in ihr Herz geschlossen. Am ersten Schultage wanderte Puckis Schultüte in Thusneldas Hände, und sie trug auch Puckis Schuhe. Manches Kleidchen, das Pucki zu eng geworden war, hatte Thusnelda beglückt in Empfang genommen.
Vor Beginn des Unterrichtes bereitete Pucki den Brokatstoff, der natürlich von allen bestaunt wurde, auf der Bank aus.
»Ich mache meinem Vati zum Geburtstag ein Rückenkissen, damit er weich sitzt. – Habt ihr zu Hause auch solche Kissen, Thusnelda?«
»Nein.«
»Ich nähe das Kissen zusammen, dann stopfe ich Federn hinein, damit es hübsch weich wird.«
»Hast du denn Federn?«
»Nein – –«
»Meine Mutter stopft in die Betten Stroh«, sagte Thusnelda. »Wir haben auch keine Federn.«
Da Pucki bereits Sorgen hatte, woher sie Federn für das Stuhlkissen nehmen sollte, schien ihr Stroh ein rettender Ausweg zu sein. Warum sollte sie nicht auch Stroh in das Kissen stopfen können? Davon lag genug im Ziegenstall. Wenn sie etwas fortnahm, merkten die Eltern nichts, und die Überraschung gelang.
Pucki erkundigte sich eingehend bei Thusnelda, ob man auf einem Strohkissen auch gut liegen könne. Als Thusnelda das bestätigte, beschloss sie, gleich heute das Kissen zusammenzunähen und Stroh aus dem Ziegenstall hineinzustopfen.
Die Arbeit wurde zu Hause auch wirklich in Angriff genommen. Mit einer langen Stopfnadel nähte Pucki das Kissen zusammen. Endlich war diese schwere Arbeit getan. Dann schlich sie in den Ziegenstall.
»Passt mal gut auf, Schwänzli und Leckerli, ich brauche euer Stroh. Ihr müßt dem Vati was abgeben, wie sich das für gute Freunde gehört.«
Schon zog Pucki das Stroh unter den Füßen der Ziegen weg.
»Puh –« sagte sie, »das geht nicht! Ich muss sauberes Stroh haben!« Sie suchte die sauberen Strohhalme heraus. Als sie ein gut Teil davon in den Händen hielt, wollte sie mit dem Stopfen beginnen. Dabei zeigte es sich, dass sie das Kissen an allen vier Seiten zugenäht hatte.
Für den heutigen Tag musste die Arbeit unterbleiben, weil noch Schulaufgaben zu machen waren und die Mutter darauf drang, dass Pucki am Lesezeichen stickte. Sie tat es schweigend. Das Kissen musste eine Überraschung werden, sie durfte also keine Silbe davon verraten.
Am nächsten Tag begann die Arbeit von neuem. Die eine Seite des Kissens wurde wieder aufgetrennt und das Stroh hineingestopft. Pucki presste es mit aller Kraft in die Umhüllung und stellte enttäuscht fest, dass an allen Seiten die Halme durch die Nähte hindurchstachen.
»Die schneide ich einfach ab«, sagte sie zu sich.
Sehr große Schwierigkeiten machte das Zusammennähen der vierten Seite. Das Kissen sah aus wie eine Pauke. Nach zwei weiteren Tagen war die Arbeit jedoch vollendet. Freudestrahlend trug Pucki das Kissen ins Kinderzimmer, legte es auf einen Stuhl und setzte sich darauf, um es auszuprobieren. Ein leises Knacken und Krachen – da waren zwei Seiten aufgeplatzt. Das Stroh quoll heraus.
Wieder vergingen zwei Tage mit Überlegungen. Das mit Stroh gestopfte Kissen gefiel dem Kinde nicht. Es musste etwas anderes zum Füllen gefunden werden. Und nun waren es die Niepelschen Drillinge, die ihr einen guten Rat gaben.
Pucki und Waltraut waren am Sonntag, wie schon oft, auf das Niepelsche Gut geholt worden, um mit den Knaben und dem kleinen Schwesterchen Dora zu spielen. Gutsbesitzer Niepel hatte seine drei Knaben aus der Rahnsburger Grundschule herausgenommen und ihnen einen Hauslehrer gegeben. Mit Herrn Hupfer schien er einen guten Griff getan zu haben. Er hielt die drei wilden Knaben ziemlich streng und sorgte für Ordnung. Freilich, mit Paul hatte er manchmal einen schweren Stand, denn Paul ersann manchen tollen Streich und verführte seine beiden Brüder Walter und Fritz zu den unglaublichsten Dummheiten. Aber gerade das übte auf Pucki große Anziehungskraft aus. Es war gar zu schön, mit den drei Knaben herumzutollen. Jedes Mal, wenn sie und Waltraut bei Niepels waren, verschwand Pucki mit den Drillingen und ließ das Schwesterchen bei der vierjährigen Dora.
So auch heute. – Kaum hatte man den Kaffee getrunken, als Paul der Pucki verstohlen ein Zeichen machte. Die vier verschwanden aus dem Zimmer.
»Kommt«, flüsterte er draußen den anderen zu, »ich habe gesehen, dass die Tür zum Heuboden offen steht. Dort können wir uns verstecken. – Kommt schnell!«
Alle vier stiegen die steile Stiege zum Heuboden hinauf. Pucki warf sich begeistert in das duftende Heu.
»Du darfst dir davon was mitnehmen«, sagte Walter, »denn mit Heu stopft man die schönsten Kissen.«
Pucki griff in das weiche Heu. »Es riecht so schön!