»Typisch. Der Typ, der das geschrieben hat, war garantiert ein Sexist.«
»Eigentlich waren es mehrere Autoren. Aber sie waren alle Sexisten, das stimmt schon.«
»Das ist ziemlich spannend. Würdest du es tun?«, fragt sie.
»Was tun?«
»Den Platz mit mir tauschen.«
»Das macht doch keinen Sinn. Ich sollte besser am Leben bleiben und versuchen, dich da rauszuholen, oder?«
»Nein, die Möglichkeit gebe ich dir nicht. Würdest du also?«
»Ich weiß nicht.«
»Warum nicht?«
»Na ja, schwer zu sagen. Du bist ja nicht in der Hölle.«
»Karlsson, wir sind gerade zusammengezogen. Wie viel schlimmer könnte die Hölle denn sein?«
»Eins zu null für dich.«
Ich lernte Cassie über eine Kontaktanzeige kennen. Ihr Text gefiel mir, weil sie erklärte, sie lege Wert auf »durchschnittlichen Sinn für Humor«. Die meisten Leute schreiben in solchen Fällen »guten Sinn für Humor«, aber Cassie redete nicht um den heißen Brei herum. Entweder etwas ist witzig oder nicht, sagte sie.
Die meisten Leute behaupten, dass ihnen zu allererst der Sinn für Humor beim Anderen gefallen hat, womit sie durchblicken lassen, dass das äußere Erscheinungsbild ihnen nicht so wichtig sei, weil Schönheit ja vergänglich ist. Dazu gehört die Annahme, dass der Sinn für Humor nicht altern kann, dass Humor keine Falten bekommt, nicht austrocknet und keinen Tumor entwickelt. Die meisten Leute glauben, dass Dinge, die sie nicht sehen können – Hoffnung, Sauerstoff, Gott – sich nicht ändern, nicht alt werden und nicht sterben.
Ein Sinn für Humor ist wie alles andere: Er dient einem bestimmten Zweck und wird dann in eine andere Energieform umgewandelt. Das Kunststück besteht darin, geschmeidig und im Fluss zu bleiben, um mit jeder neuen Erscheinungsform ganz spezifisch umgehen zu können.
»Den nächsten Abschnitt möchtest du vielleicht lieber streichen«, sage ich. »Es ist ein Ausschnitt aus dem Roman, den Karlsson gerade schreibt.«
»Ist er denn gut?«
»Eigentlich nicht. Größtenteils sind es nur Kritzeleien oder Entwürfe.«
»Können wir was davon verwerten?«
»Eigentlich nicht. Ehrlich gesagt, sollten sie ja Schund sein, um Karlssons Großmannssucht zu illustrieren. Und soweit ich mich erinnere, waren das die Passagen, die Jonathan rausgestrichen hat. Die Teile mit den perversen Sexgeschichten und so.«
»Jetzt bin ich aber neugierig. Wohlan, Macduff!«
Sermo Vulgus: Roman (Auszug)
Cassie, meine Ellbogen rutschen in unbeholfenen Windungen über die billige Lackierung des Sperrholztischs, während ich schreibe, um die Erinnerung zu löschen. Der dünne weiße Schwamm saugt die Worte auf. Begrab mich in einem billig lackierten Sperrholzsarg, Cassie. Dann schau hinweg über die Vergangenheit. Trainiere deine Augen, dass sie bis hinter den Horizont unseres Tuns und Wissens schauen können, dorthin zurück, wo unsere Zukunft endet.
Cassie, wir hätten zusammen tanzen sollen, wenigstens einmal, aber du stolpertest über Worte wie ›Vorstellungen‹.
Habe ich dich wirklich gehasst? Habe ich dich erwählt wegen deiner überbordenden Form, dieses Überflusses, der mir erlaubte, in der angenehmen Wärme inzestuöser Vergessenheit zu schwelgen? Warst du wirklich die Mutter, die ich nie hatte? Der Coitus interruptus war für mich immer die süßeste Erfüllung, Herausziehen und Fortgleiten, um schlaff und zufrieden zurück in die Welt zu taumeln.
Cassie, warum habe ich dich erst begehrt, als du für mich verloren warst?
»Schmeiß es weg«, sagt er.
»Gut.«
»Dieses ganze Inzestgeschwätz, mein Gott…«
»Ich hab ja gesagt, es wird gestrichen.«
»Was kommt als Nächstes?«
»Du wirst zum ersten Mal offiziell verwarnt.«
Die alten neuen Vorschriften lauteten: Rauchen im Krankenhaus verboten. Die neuen neuen Vorschriften lauten: Rauchen auf dem Krankenhausgelände verboten. Also hatte der Typ von der Krebsberatung sich offiziell beschwert. Wenn er sich mündlich beschwert hätte, hätte ich eine mündliche Rüge bekommen. Eine offizielle schriftliche Beschwerde hat eine offizielle schriftliche Verwarnung zur Folge. Mein Vorgesetzter erklärt mir das, nachdem er mir die offizielle Verwarnung überreicht hat. »Und was ist mit den Regenwäldern?«, frage ich. »Holzt keine Bäume ab für offizielle Verwarnungen. Wenn ihr mich verwarnen wollt, dann schickt mir eine E-Mail oder eine SMS. Oder druckt es auf Recycling-Papier. Schreibt die neue Verwarnung auf die Rückseite der vorherigen.«
»So ist nun mal der Dienstweg«, sagt er. Er trägt ein zugeknöpftes gestreiftes Hemd unter einem Pulli mit V-Ausschnitt, seine fettigen Haare reichen bis über den Kragen.
»Gehen Sie mal zum Friseur«, sage ich. »Sie sehen aus wie ein schmieriger Mönch. Bringen Sie sich auf Vordermann, öffnen Sie den obersten Knopf. Dass Sie verheiratet sind, ist keine Entschuldigung.«
Das sage ich nicht. Tatsächlich sage ich: »Wie wäre es mit der hintersten Ecke des überfüllten Parkplatzes, dort, wo diese geizigen Drecksäcke ihre Autos abstellen, die keine Parkgebühren zahlen wollen?«
»Karlsson, überall auf dem Krankenhausgrundstück ist das Rauchen verboten.«
»Von dort aus kann man das Krankenhaus nicht mal sehen.«
»So ist nun mal die Regel.«
»Hören Sie mal, ich verstehe ja, wieso das Rauchen im Krankenhaus verboten ist, aber…«
»Karlsson, wenn ich Sie dabei erwische, wie sie irgendwo auf dem Grundstück des Krankenhauses rauchen, sind Sie gefeuert.«
»Okay. Und wann wird es verboten, auf dem Krankenhausgelände zu trinken? Wann überprüfen wir zum Beispiel die Thermoskannen der Chirurgen, wenn sie morgens hier ankommen?«
»Es ist doch zu Ihrem eigenen Nutzen«, sagt er. »Sie leben länger.«
Die neue Richtlinie hat überhaupt nichts mit meiner Gesundheit zu tun und auch nicht mit seiner. Er ist einfach von dieser Krankheit infiziert, die ihn dazu drängt, jede neue Vorschrift wie eine Art Placebo des Tages zu befolgen. Wem schade ich denn, wenn ich auf dem überfüllten Parkplatz rauche? Ich gefährde meine Gesundheit, na klar, aber ihn bringe ich um.
»Wenn Sie jemandem vorschreiben können, wie er sich umzubringen hat«, sage ich, »dann können Sie ihm auch alles andere vorschreiben. Warten Sie einfach mal ab, bis jemand kommt und Ihnen rät, aus welchem Fenster Sie springen sollen.«
Das sage ich nicht.
»Ich habe Sie gewarnt«, sagt er.
»Das kann man wohl sagen. Kann ich noch eine Extraportion Drohung dazubekommen?«
Aber er hört nicht zu. Mein Zitat für den heutigen Tag stammt von Aristoteles: Es gibt kein großes Genie ohne einen Schuss Verrücktheit.
»Vielleicht sollten wir das Aristoteles-Zitat streichen«, sagt er. »Ich frage