C'est la vie. Peter Turrini. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Peter Turrini
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783902998163
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zu klein

      um das zu verstehen.

      Monatelang

      hatte ich Angst

      daß sich meine Mutter

      und mein Vater

      demnächst erhängen

      und erschießen

      würden.

      16.

      In der Schule

      beim Bauchaufzug

      hing ich am Reck

      mit angehaltenem Atem

      hochrotem Gesicht

      und brachte die Füße

      nicht über die Stange.

      Ich sah aus

      wie ein Frosch

      oder ein Sack Kartoffeln.

      Unter dem ironischen Blick des Turnlehrers

      hatte mein schwerer Körper

      nichts mehr

      mit mir

      zu tun.

      17.

      In der Pubertät macht man seine ersten Erfahrungen am Liebesmarkt, und die waren für mich nicht sehr günstig. Die Dorfmädchen redeten mit mir, aber eingelassen haben sie sich mit den anderen. Das war die Geburtsstunde meines lyrischen Schaffens. Ich schrieb Liebesgedichte für Bauernmädchen, aber ich hatte nicht den Mut, ihnen diese zu geben.

      18.

      Ich will dich halten,

      bis die Kehle einer Blume

      hell von dunkel trennt.

      Des Mondes Silberhauch

      soll mich kühlen

      und die Trauer meines Herzens

      mir verwehn.

      Nacht

      soll aus dem Himmel tropfen

      auf ein kußgewebtes Meer.

      Freudentränen

      will ich weinen,

      wenn die Welt

      im Takte lebt.

      Ich will dich halten,

      bis die Kehle einer Blume

      hell von dunkel trennt.

      19.

      Mein älterer Bruder

      stand in der Früh

      mit einem riesigen Steifen

      unter dem Pyjama auf.

      Es sah aus

      als wäre ein gestreiftes Zelt

      über einen langen Mast

      gespannt worden.

      Er ging nicht aufs Klo

      er wartete nicht ab

      er ging schnurstracks in die Küche

      und setzte sich

      unter den Augen der Mutter

      an den Frühstückstisch.

      Obwohl ich die Aufmerksamkeit

      meiner Mutter

      durch Schulgeschichten auf mich lenkte

      spürte ich

      daß ich dem

      nichts entgegenzusetzen hatte.

      20.

      In der Nebenbaracke

      wohnte eine dicke Frau

      mit der niemand redete.

      Der Franzose würde bei ihr

      ein- und ausgehen.

      An einem Hochsommertag

      stand sie an ihrem Fenster

      fächelte sich Luft zu

      lächelte mich an

      und machte mir ein Zeichen.

      Obwohl es verboten war

      ging ich zu ihr.

      Ich durfte mit ihr

      mutterspielen

      und meinen Kopf

      auf ihren Busen legen.

      Durch ihre halbgeöffnete Bluse

      sah ich ihre Busenhügel

      und den Spalt dazwischen

      durch den der Schweiß rann.

      Ich versuchte ihn

      aufzulecken

      doch sie schob mich

      sanft von sich.

      Die Sucht danach

      ist geblieben.

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      21.

      Ich versteckte mich am Dachboden und schrieb und schrieb: Dialoge, Gedichte, Theaterstücke. Das meiste hat meine Mutter weggeschmissen. Alle Theaterstücke spielten in Gefängnissen: Die Gefangenen hatten Körper, die völlig starr und unbeweglich waren. Diese Körper hatten Schubläden, in die man alles mögliche hineinlegen konnte. Jeder konnte diese Schubladen öffnen, etwas hineinlegen oder wieder herausnehmen, nach Belieben. Manchmal schrien die Gefangenen, dann war es wieder still.

      22.

      Auf der höchsten Erhebung

      des Dorfes

      wohnte ein Komponist

      in einem großen weißen Haus.

      Seiner Familie

      gehörten fast alle

      Wiesen und Felder

      rund um das Dorf.

      Die Bauern munkelten

      er sei verrückt

      und pervers

      aber sie wagten nicht

      es öffentlich zu sagen.

      Er bestellte

      einen himmelblauen Sarg

      bei meinem Vater

      besorgte uns Buben

      Ministrantengewänder

      und ließ sich von uns

      durch das Dorf tragen.

      Er betrank sich im Sarg

      segnete die herbeieilenden Bauern

      und vergab ihnen

      ihre Sünden.

      Sie grüßten