um das zu verstehen.
Monatelang
hatte ich Angst
daß sich meine Mutter
und mein Vater
demnächst erhängen
und erschießen
würden.
16.
In der Schule
beim Bauchaufzug
hing ich am Reck
mit angehaltenem Atem
hochrotem Gesicht
und brachte die Füße
nicht über die Stange.
Ich sah aus
wie ein Frosch
oder ein Sack Kartoffeln.
Unter dem ironischen Blick des Turnlehrers
hatte mein schwerer Körper
nichts mehr
mit mir
zu tun.
17.
In der Pubertät macht man seine ersten Erfahrungen am Liebesmarkt, und die waren für mich nicht sehr günstig. Die Dorfmädchen redeten mit mir, aber eingelassen haben sie sich mit den anderen. Das war die Geburtsstunde meines lyrischen Schaffens. Ich schrieb Liebesgedichte für Bauernmädchen, aber ich hatte nicht den Mut, ihnen diese zu geben.
18.
Ich will dich halten,
bis die Kehle einer Blume
hell von dunkel trennt.
Des Mondes Silberhauch
soll mich kühlen
und die Trauer meines Herzens
mir verwehn.
Nacht
soll aus dem Himmel tropfen
auf ein kußgewebtes Meer.
Freudentränen
will ich weinen,
wenn die Welt
im Takte lebt.
Ich will dich halten,
bis die Kehle einer Blume
hell von dunkel trennt.
19.
Mein älterer Bruder
stand in der Früh
mit einem riesigen Steifen
unter dem Pyjama auf.
Es sah aus
als wäre ein gestreiftes Zelt
über einen langen Mast
gespannt worden.
Er ging nicht aufs Klo
er wartete nicht ab
er ging schnurstracks in die Küche
und setzte sich
unter den Augen der Mutter
an den Frühstückstisch.
Obwohl ich die Aufmerksamkeit
meiner Mutter
durch Schulgeschichten auf mich lenkte
spürte ich
daß ich dem
nichts entgegenzusetzen hatte.
20.
In der Nebenbaracke
wohnte eine dicke Frau
mit der niemand redete.
Der Franzose würde bei ihr
ein- und ausgehen.
An einem Hochsommertag
stand sie an ihrem Fenster
fächelte sich Luft zu
lächelte mich an
und machte mir ein Zeichen.
Obwohl es verboten war
ging ich zu ihr.
Ich durfte mit ihr
mutterspielen
und meinen Kopf
auf ihren Busen legen.
Durch ihre halbgeöffnete Bluse
sah ich ihre Busenhügel
und den Spalt dazwischen
durch den der Schweiß rann.
Ich versuchte ihn
aufzulecken
doch sie schob mich
sanft von sich.
Die Sucht danach
ist geblieben.
21.
Ich versteckte mich am Dachboden und schrieb und schrieb: Dialoge, Gedichte, Theaterstücke. Das meiste hat meine Mutter weggeschmissen. Alle Theaterstücke spielten in Gefängnissen: Die Gefangenen hatten Körper, die völlig starr und unbeweglich waren. Diese Körper hatten Schubläden, in die man alles mögliche hineinlegen konnte. Jeder konnte diese Schubladen öffnen, etwas hineinlegen oder wieder herausnehmen, nach Belieben. Manchmal schrien die Gefangenen, dann war es wieder still.
22.
Auf der höchsten Erhebung
des Dorfes
wohnte ein Komponist
in einem großen weißen Haus.
Seiner Familie
gehörten fast alle
Wiesen und Felder
rund um das Dorf.
Die Bauern munkelten
er sei verrückt
und pervers
aber sie wagten nicht
es öffentlich zu sagen.
Er bestellte
einen himmelblauen Sarg
bei meinem Vater
besorgte uns Buben
Ministrantengewänder
und ließ sich von uns
durch das Dorf tragen.
Er betrank sich im Sarg
segnete die herbeieilenden Bauern
und vergab ihnen
ihre Sünden.
Sie grüßten