LÄUFER. Er kann dir nichts tun, er soll nicht.
1. SCHÖNER GEIST. Wie stehst du mit dem Franz, Läufer?
2. SCHÖNER GEIST. Gehn Sie mit in die Komödie, Mademoiselle! eine Operette.
LÄUFER. Red mir nicht! Es kränkt mich in der Seel, wenn ich an ihn denk. Ich darf ihm nicht nahe stehen; er verdunkelt einen, man ist gar nichts in seiner Gegenwart, soll seinen Machtsprüchen glauben, oder stillschweigen. Und wie er's einen fühlen läßt – – Rächen will ich's!
1. SCHÖNER GEIST. Tu's! du rächst unsere ganze schöne Literatur.
Magister kommt.
SUSCHEN. Mein Vater.
MAGISTER. He Suschen! was? was?
SUSCHEN. Lieber Vater, Er ist ja so früh gekommen –
MAGISTER. So früh, so früh? ich kann nicht reden. He! ihr da! was wollt ihr? was tut ihr hier?
LÄUFER. Wir wollten die Ehre haben –
MAGISTER. Weg mit euch, fort von meinem Maidel! Ihr Jungens. Schöne Geister, Zephyrs, Belletristen, Amouretten. Kot! naus, aus meinem Hause! oder ich will euch zu Kot treten, euch mit Kot werfen, Bubens! an L'hombretisch mit euch, den Maidels süß geschwatzt von **, **, und wie euer Volks heißt. Rechtschaffne Kerls herbei! Zusammengewichst, ihr Männer! die Maidels sind euer, wollen euch eure Weibsen mit ihrem Zeugs verderben, mit ihren Romanen, Poesien – Quark! weg, ihr lallende, blasende Zephyrs, in die Oper mit euch! laßt den Leuten die Maidels, wie sie Gott gemacht hat! Hinaus! hinaus!
1. SCHÖNER GEIST. Daß dich der Donner!
LÄUFER. Aber ich bitte Sie, Herr Magister!
MAGISTER. Und Ihm sag ich, hör Er, Er schleicht meinem Maidel immer nach. Was will Er? was sucht Er? Will Er sie auch begrandisonen, wie mein Weib war? Gott verzeih's ihr! Ich hab meines Suschens Ficke durchsucht, eins von den Pestbüchern gefunden, und das war von Ihm. Jetzt geh Er, laß Er meinem Mädchen seinen guten Verstand. Herr! und treff ich Ihn noch einmal mit seinen Belletristen an, wenn ich aus der Schule komme, laß ich meine Schulbubens kommen und – merk Er's sich! Ha, wo sind denn Schöne Geister haben sich weggeschlichen. die Versmacher? Nu pack Er sich, oder ich nehm meinen Farrenschwanz. Nimm mir den Mantel ab, Fikchen! Du Suschen, wenn ich dich noch einmal ertapp – nu nimm mir den Mantel ab! Das Geschmeiß das; wird mir ganz heiß.
LÄUFER. Ich kann Sie versichern, Herr Magister, daß ich kein Freund von bin, es so sehr haß, als Sie.
MAGISTER. Das wäre sehr gut.
SUSCHEN. Soll ich Ihm den Rock ausziehen helfen, Vater, den Schlafrock holen, die Pantoffeln?
MAGISTER. Ei, ei Suschen, wie artig du tust?
SUSCHEN. Soll ich die Tabakspfeife holen?
MAGISTER. Sieht Er, Herr Läufer, mein Suschen ist ein gutes Ding, natürlich und artig, so soll sie mir bleiben, oder ich will ihr Vater nicht sein. Aber geh Er doch nur! was steht Er da? was gafft Er? Er hört ja, daß ich niemand von euch leiden kann. Ihr! ihr! man sollt euch all ersäufen, ihr steckt die guten Weibsen an, die guten Weibsen. Hängt ihnen allerhand Zeugs in Kopf mit euren Romanen, und, und, und, sie taugen da nichts. Kommt mir noch einer zu meinem Maidel, ich brech ihm das Genick. Da macht ihr den ehrlichen Leuten die Maidel ekel. Mir geht's allemal durchs Herz, als säh ich ein junges frisches Ding dahinsterben, hat sie einen Roman in den Pfoten.
LÄUFER. Ich kann Sie versichern, Herr Magister, daß mir's auch so geht.
MAGISTER. Red Er mir nicht! Nun, wird's bald, geht Er bald? Was, ist das Raison, wenn ich in der Schul sitz, schwitz und arbeit den lieben langen Tag, bis ich meinen Jungen den Cellarius und die Grammatik in Kopf bring, sitzt Er derweil hier mit seinen Windleicht, verdirbt mehr an meinem eignen Kind, als ich dort nutz. Ich will Ihm! geht Er? Blitz und Wetter in all die Schöngeisterei hinein!
LÄUFER. Herr Magister, bedenken Sie doch nur! Rechnen Sie mich doch nicht unter sie; ich bin ja ein geschworner Feind davon.
MAGISTER. Nicht wahr! Herr Franz, des Herrn Geheimdenrats Sohn ist eins mit mir. Ich hab immer noch was auf Ihn gehalten, weil Er manchmal bei ihm ist. Nun hör Er! Er ging jetzt spazieren, da war ich dann so frei, ging zu ihm, wie er denn leutselig ist, gleich mit einem redt. Da sagt ich so verschiedenes, was ich denk von der Sache. »Sie haben recht, Herr Magister«, war seine Antwort; »die Mädchen werden verdorben, hängen sich allerhand Dinge in den Kopf. Ein schlechter Kerl macht's sich zunutz, oder kommen sie glücklich durch, gibt's böse Ehen.« Und ach! da weiß ich mein Liedchen von zu singen.
SUSCHEN. Aber lieber Vater, Herr Läufer will ja keins mehr lesen, er hat auch nicht mit mir davon geredt, gewiß nicht.
MAGISTER. He Suschen! in deiner Ficke, was war das? Bleib du bei deinem Gesangbuch, liebes Suschen, und deiner Bibel, da wirst du eine gute Frau. Die hängen dir den Kopf voll, und das taugt nichts, ein für allemal nichts. Ist dir kein Mann mehr recht, und ein rechtschaffner Kerl nimmt dich nicht. Wirst doch so keinen Belletristen haben wollen? Sei gut; lies mir nichts! Wie hat mir's deine Mutter gemacht; denk Fikchen, da hatte sie ein Buch gelesen, den Grandison nennen sie's, das hat ihr den Kopf verrückt; sie hatte ein Romanfieber, ein verfluchtes Grandisonenfieber. Herr Läufer, ich war ein geplagter Mann. Es war just so ein Kerl, wie Er, der ihr das Buch brachte: drum kann ich Ihn auch nicht leiden, Ihn und seine Kompers nicht. Aber Suschen, auf dem Todbette mußte sie mir ihr Grandisonenfieber vor dem Geistlichen bereuen. Gott hab sie selig; sie hätte dich gewiß verdorben.
SUSCHEN. Ich will nie was lesen.
MAGISTER. Recht, Suschen! denk nur, da saß sie da, kam ich aus der Schul, und hatte des Tages Last getragen. Ein Roman in den Pfoten; war nicht von der Stelle zu bringen, ich mußte mir oft die Suppe selbst kochen. Machte sie's zu toll, und ich sagt was; gleich war sie da, »hättest du ein zärtliches Herz und Gefühl!« Daß dich die Pest! bin mein Leben ein guter Mensch gewesen. Wenn mir alles widerfuhr, ich war einmal todkrank, das tat ihr lange nicht so weh, als wenn einer von den Romanhelden in Gefahr war; da konnte sie aufs Buch weinen – de mortuis non nisi bene. Gott hab sie selig; schlag ihr nicht nach, Suschen!
SUSCHEN. Gewiß nicht, lieber Vater. Herr Läufer möchte noch ein bißchen dableiben, wenn Er's erlaubte.
MAGISTER. Suschen! Suschen!
Zweite Szene
Kaffeehaus.
Herr v. Brand. Baron Blum Brett spielend.
V. BRAND. Laß es gut sein, Blum; das Spiel ist zu kalt für die Wallungen meines Bluts. Ich kann nicht begreifen, wie einer an dem Spiel sitzen kann. – – Sag mir was, zerstreu mich, jag mir die Bilder vor den Augen weg!
BLUM. Mit dir geht's so wunderbar, weiß der Teufel, wie's wieder mit dir steht! Immer im Taumel! was soll noch draus werden, ewiger Kreusel? Was jagt dich wieder? He Grillen, Grillen? zum Teufel mit, lieber Brand! Komm, wir wollen aufs Billard.
V. BRAND. Bei jedem Ball, den ich wegstieß, säh ich mich, wie ich herumgejagt werde. Ach, ich war immer ein ehrlicher Kerl. Mangel! Mangel! und ich mußte im Hause sein, sollt ich auch der unterste Bediente sein. Wo sie ist! – Leidenschaft! brennende Leidenschaft! ich möchte mir die Augen aus dem Kopf reißen. Blum, ich war immer ein ehrlicher Kerl. Besser, ich wäre betteln gegangen.
BLUM. Bist's noch, Brand. Warum sollst du keiner mehr sein? Narre du! Weil du bei der Gesandtin geschlafen hast etwa? Pfui, für einen Kavalier, der zweimal in Paris war, hält sich für keinen honetten Kerl, weil er beim schönsten Weibe gelegen.
V. BRAND. Ich möchte dir die Gurgel zudrücken, daß du's nie wieder sagen könntest. Mir war immer die Keuschheit das Heiligste am Weibe. Und ich ihr Zerstörer! Liebe! und immer mehr Liebe, und immer mehr Zerstörer! Mein einziger Wunsch und Begierde! Hör, lieber Blum, die ganze Familie kann zugrunde gehn, die Kerls am Hofe alle sind wider sie.