Gedichte
1. Lieder und vermischte Gedichte
Zueignung
1811.
In das gelobte Land der Liebe
Hab' ich nur einen Blick gethan:
Drum, ob ich tausend Lieder schriebe,
Sind sie nur alle Traum und Wahn.
Ich selbst weiß nicht, was ich gesungen
Von Liebeslust und Liebeslicht;
Es floh mir stammelnd von der Zungen,
Was ich gepriesen, ward mir nicht.
Doch du betratst die sel'gen Gränzen,
Nimm! – Lieb' um Liebe wurde dir;
Du kannst entziffern und ergänzen:
Enträts'le meine Lieder mir!
Liebe im Winter
An Thekla.
Sie ist o schön, des Winters stille Gegend,
Wann rings die Flur im Schnee sich blendend hebt,
Und über ihr, den lichten Kreis bewegend,
Der Mond mit seinem Sternenheere schwebt:
Der Wandrer liebt die Fluren zu durchschauen,
Nicht Wärme sucht er und nicht Frühlingsduft,
Ihm gnügt die Gabe dieser kühlen Auen,
Des Himmels Stral und eine reine Luft.
Da wandelt mir vor meinen kühlen Sinnen
Dein liebes Bild vorüber als ein Geist,
Und all mein Wesen wird ein stilles Minnen,
Ein leises Lied, das deine Güte preist.
Ich liebe dich, wie jene goldnen Sterne
In ihrem Stral, der ohne Gluten glänzt,
Wie jenen Aether, der in dunkler Ferne
Mit liebevollem Blau das All umgränzt.
Es blüht nicht üppig unter deinen Füßen
Die Flur zu einem Blumenwald empor,
Und von den kahlen Bäumen tönt kein Grüßen
Von frohen Vogelsängen in dein Ohr.
Du blühst allein auf diesen weiten Feldern,
Vom weißen Schnee verkläret und verschönt,
Ein Schweigen herrscht im Thal und auf den Wäldern,
Und deiner Züge Harmonie nur tönt.
Soll ich des Schönen Lieblichkeit gewahren,
So mag es wuchernd unter Blumen blühn;
Doch soll sich seine Hoheit offenbaren,
So muß es einsam in der Nacht erglühn.
Will sich die Liebe ganz als Fürstin zeigen,
So flieht der Lenz, die fremde Blume fällt,
Empor aus totem Eise muß sie steigen,
Ein Blumenbeet, ein Frühling, eine Welt.
Die stille Stadt
Nenne mir die stille Stadt,
Die den ew'gen Frieden hat,
Deren düstere Gemächer
Sanft sich bauen grüne Dächer:
Ueber ihrer Häuser Zinne
Wandelt ernst der Fremdling hin,
Ziehet fort und hält nicht inne,
Grauen fasset ihm den Sinn.
Aber endlich tritt er wieder
Zitternd auf das morsche Dach,
Und die Wölbung sinket nieder,
Daß er stürzt in das Gemach.
Drunten in den Hallen traurig
Sieht er da die Bürger ruhn,
Alle liegen stumm und schaurig,
Mögen keinen Gruß ihm thun.
Die geschlossne Pforte kündet
Ihm sein ewig Bürgerrecht,
Und der arme Wandrer findet
Bald ein Bettlein recht und schlecht,
Ist des Prunkens müde worden,
Schickt sich in den stillen Orden,
Legt sich nieder in der Stadt,
Die den ew'gen Frieden hat.
Die Wolke am Sternenhimmel
Welch eine Saat von goldnen Aehren
Durchwandl' ich dunkle Nachtgestalt,
Die schaudernd ihre Häupter kehren
Vor meinem Athem rauh und kalt?
Ich bin so fremd auf diesen Auen
Und wohl aus einem andern Land,
Und möchte da mich helle schauen,
Doch bleib' ich mir so unbekannt.
Trüb glänzt von meinem grauen Kleide
Der Saum in dieser Flämmlein Schein;
Sie feiern ruhig ew'ge Freude,
Da zieh' ich störend mitten ein.
Ich darf nicht frei und sicher gehen,
Bald führt mich eine leise Hand,
Bald reißt es mich mit Sturmeswehen,
Und faßt mein flatterndes Gewand.
Und mir begegnen dunkle Brüder,
Stumm, grau und willenlos wie ich,
Sie schlagen fremd die Wimpern nieder,
Und ziehen hin, als flöhn sie mich.
Wenn schüchtern dann mein Blick sich hebet,
So fahren Flammen wild heraus,
Und will ich sprechen, so erbebet
Vor meinem Ton das fremde Haus.
Wo bin ich Arme denn geboren,
Wo wird man liebend mich empfahn?
Ich blick', in ihr Gebiet verloren,
Fremd diese hohe Schönheit an.
Doch winkt aus wunderbarer Tiefe
Mir nicht ein mild Erbarmen zu,
Als ob mir eine Mutter riefe,
Mich lüd' an ihre Brust zur Ruh?
Wie ist mir? Wehmut löst in Thränen
Hell meine graue Nachtgestalt,
Hinab, hinab zieht all mein Sehnen
Versöhnend heilige Gewalt.« –