Newton kam anderntags.
Und jetzt war er da und erfuhr von den anderen die Sache mit Law-rence und einem gewissen Hellmers.
Hellmers!
Der Name schlug bei dem Briten wie ein Geschoß ein.
Er ging ins Sheriffs Office und verlangte, den »Totschläger« zu sehen.
Der Sheriff, der natürlich längst bemerkt hatte, daß O’Connor und Lawrence nicht allein gekommen waren, daß im Gegenteil eine Reihe wenig vertrauenerweckender Figuren in der Stadt aufgetaucht waren, fragte nur:
Sind Sie ein Freund von ihm oder von Lawrence?«
»Ich gehöre zu Lawrence. Und…«
»Ich kann niemand zu ihm lassen, Mister. Wenn Sie zu Lawrence und O’Connor…«
Er brach ab und hüstelte erschrocken. Jetzt hatte er also verraten, daß er den steckbrieflich gesuchten Banditen Frank O’Connor erkannt hatte.
Er hatte ihn erkannt! – und nichts gegen ihn unternommen!
Newton, der die »Visitenkarten« seiner Kumpane alle kannte, wußte die Situation gleich auszunutzen.
»Ich sehe, daß Sie en vernünftiger Bursche sind, Sheriff. Vorwärts, lassen Sie mich einen Blick auf das Gesicht dieses Halunken werfen.«
Der Gesetzesmann war feuerrot geworden vor Ärger und Scham.
»Nein«, stieß er dann heiser hervor.
Am nächsten Morgen lag er tot im Hof, hinter seinem Haus. Ein heimtückischer Messerstich hatte seinem Leben ein Ende gemacht.
Frank O’Connor duldete es nicht, einen Sheriff in seiner Nähe zu wissen, der sein Geheimnis kannte:
Aber immer noch nicht hatte New-ton den Mann im Jail gesehen.
Der Sheriff hatte nämlich den Schlüssel an einem geheimen Ort verborgen.
Mayor Fonda und ein Schlosser öffneten gegen elf Uhr gewaltsam die Türen zum Jail.
Hellmers bekam Kaffee und Brot gebracht.
Und der Mayor verkündete ihm, daß der Sheriff ermordet worden wäre.
»Das haben Ihre Freunde reichlich ungeschickt angefangen, Hellmers!« sagte er drohend.
»Freunde!« knurrte der alte Mann heiser. »Ich habe keine Freunde, Mayor.«
»Das wird sich herausstellen! Jedenfalls verschlimmert der Mord an Sheriff Bakers Ihre Lage erheblich!«
Kurz nach Mittag schickte New-ton, der Hellmers Frau an einem Fenster gesehen hatte und also jetzt seine Befürchtung bestätigt fand, zusammen mit O’Connor und zwei anderen Bandenmitgliedern eine Aufforderung an den Mayor, den Gefangenen auszuliefern. Andernfalls werde man den »Verbrecher« aus dem Jail holen, um ihn seiner verdammten Strafe zuzuführen.
Auf den Richter zu warten, wäre Zeitverschwendung.
Der Mayor ahnte mittlerweile auch, was sich da zusammenballte.
Der unselige Mann im Jail hatte das Pech gehabt, mit einer richtigen Bande zusammengeraten zu sein.
Das war sein sicherer Tod.
Ihn da noch schützen zu wollen, wäre nach Ansicht des Mayors völlig sinnlos gewesen.
Dennoch schützte er vor, den Bürgerrat einberufen zu müssen, und das könnte erst gegen Abend geschehen, da die Männer schließlich ihren Beschäftigungen nachgingen.
Nachdem der Sheriff ausgeschaltet war, machten die Tramps absolut kein Hehl mehr daraus, daß sie zusammengehörten. Sie standen und lungerten auf den Vorbauten herum, kauerten auf den Treppen und schaukelten auf den sich bis zum Knacken durchbiegenden langen Zügelholmen.
Der Mayor sah es – wie es jeder andere in der Stadt sah.
Es waren jetzt insgesamt sieben Leute, den verletzten Lawrence nicht mit eingerechnet.
Jim hielt sich meistens im Hof auf und linste durch die Ritzen zwischen den Zaunbrettern auf die Straße.
Seine Mutter mußte sich unentwegt um die kranke Schwägerin kümmern.
Das Elend der Hellmers aus South-ampton hatte seinen tiefsten Punkt erreicht.
Dem Mann drüben im Jail stand der Tod durch den Strang bevor.
Die Outlaws wollten ihn lynchen.
Und was geschah mit den beiden Frauen und dem Jungen? Mit dem zusammengeschmolzenen Rest der einst siebenköpfigen beiden Familien?
Wußten sie nicht auch, daß Geo Lawrence einer der beiden Männer war, die Patricia Hellmers entführt hatten?
Well, der Alte war sofort abgeführt worden und hatte mit niemandem sprechen können. Dennoch, war es nicht möglich, daß die anderen drei Hellmers Lawrence ebensogut als Entführer bezichtigen konnten?
Die Banditen wußten schließlich nicht, wer von ihnen alles die Entführung beobachtet hatte.
Jerry Newton hatte sich nur abends draußen aufgehalten, da er sich hütete, von den anderen Hellmers gesehen zu werden. Er hatte jedoch das Pech, im Nebenhof von Jim durch eine winzige Ritze im Zaun entdeckt zu werden.
Der Junge behielt diese Entdeckung für sich.
Am Abend schon hatte er Vaters Winchester vom Wagen geholt und durchgeladen. Obgleich er den Eltern hatte versprechen müssen, nie wieder diese furchtbare Waffe, mit der er ja im Hof des Farmers Conally ein Menschenleben ausgelöscht hatte, anzufassen.
Er hatte das Gewehr ständig griffbereit in der Hofecke stehen.
Wenn Jerry Newton auf den Gedanken gekommen wäre, den Hof zu betreten, um der Mutter oder Tante Leony etwas anzutun, hätte er ihn nicht lebend durchmessen.
Und an diesem späten Nachmittag geschah es dann.
Es ging Schlag auf Schlag, so schnell, daß selbst die Beteiligten es kaum in seiner ganzen elementaren Wucht zu erfassen vermochten.
Jim stand wieder vorn am Tor und lugte durch die Ritze.
Plötzlich glaubte er, sein Herz müßte stehenbleiben.
Von Osten her war ein Reiter gekommen.
Ein sehr großer schwerer Mann mit einem gewaltigen Schnauzbart und einem wilden Gesicht.
Jimmy Hellmers hätte diesen Mann noch nach hundert Jahren erkannt.
Es war der Mann, der seinen Onkel Fred damals drüben in Kansas City erschossen hatte! Der Mike geschlagen hatte und mit dem Mister New-ton dann in den Saloon gegangen war!
Jims rechtes Auge begann zu brennen, er wechselte auf das linke über.
Aber das Bild blieb.
Der Bandenchief William Huxley Brockton war in die Stadt gekommen.
Und bereits eine halbe Stunde nach seiner Ankunft war er beim Mayor.
Er verlangte »persönlich« die Auslieferung des Mannes, der seinen Freund Lawrence so zugerichtet hatte.
Der Mayor war schweißgebadet und nickte.
»Well, Mister – der Richter würde nichts anderes mit Hellmers tun – ich meine – also…«
»Reden Sie nicht. Vorwärts, nehmen Sie den Schlüssel, und führen Sie mich zum Jail.«
Als die beiden aus dem Haus des Mayors kamen, standen sie alle auf der Straße.
Hallinger, Barring, Lagercy, Melbert, Johnson, Vexer und sogar Frank O’Connor hatten den Nerv, sich auf die dem Jail gegenüberliegende Vorbautreppe zu setzen.
Nur Newton hielt sich in einer Türnische auf.
Die anderen standen nebeneinander und sahen gespannt dem Major und ihrem Boß entgegen.
*