Kapitel 2
Galveston National Laboratory
Galveston, Texas
20:46 Uhr
Das Galveston National Laboratory dient der Kontrolle infektiöser Krankheiten und der Verteidigung der Vereinigten Staaten von Amerika gegen Bioterrorismus. Das sechsgeschossige Gebäude war ein hochsicheres nationales Biocontainment-Labor, in dem mehrere Forschungslabors der Biosicherheitsstufe 4 untergebracht waren und das von dem medizinischen Zweig der University of Texas unterhalten wurde. Auf etwa siebentausendvierhundert Quadratmetern befanden sich Forschungslabors, eintausendeinhundert davon unter der Erde, die ausschließlich der Biosicherheitsstufe 4 vorbehalten waren. Darüber hinaus gab es auch noch andere Sicherheitsstufen, in denen die gefährlichsten biologischen Kampfstoffe wie etwa das bolivianische und argentinische hämorrhagische Fieber, der Ebolavirus, das Krim-Kongo-Fieber, der Marburg- oder der Lassa-Virus und viele andere gefährliche Krankheiten lagerten. Unter ihnen auch der bisher aggressivste bekannte Kampfstoff – das Omega-Virus.
Etwa um viertel vor neun abends betrat ein elegant gekleideter Mann mit einem Aluminiumkoffer, der kaum größer als eine Brotbüchse war, die Anlage. Der Klang seiner Schritte hallte durch das leere Foyer, während er auf den zentralen Begrüßungsschalter zuging, der mit zwei Wachleuten besetzt war. Einer der Wachmänner saß gerade vor den Überwachungsmonitoren, während der andere mit einer Maschinenpistole bewaffnet vor der Zugangstür Wache hielt und den gut gekleideten Mann intensiv musterte. Da ihm der Besucher angesichts der späten Stunde äußerst merkwürdig vorkam, umklammerte der Wachmann seine Waffe fester, was dem gut gekleideten Mann nicht entging.
Als dieser den Tresen erreichte, stellte er seinen Aluminiumkoffer darauf ab und lächelte.
»Guten Abend meine Herren«, begrüßte er die beiden. »Mein Name ist Joseph Thurgood. Ich habe um einundzwanzig Uhr einen Termin mit Dr. Henshaw. Biosicherheitsstufe 1.« Diese Sicherheitsstufe beschäftigte sich mit nicht pathogenen Stämmen wie dem Kolibakterium sowie vergleichbaren Zellkulturen und Bakterienstämmen. Das Gefahrenpotenzial auf dieser Sicherheitsstufe war sehr gering, weshalb die Benutzung von Handschuhen und Mundschutz die einzigen vorgeschriebenen Sicherheitsmaßnahmen darstellten.
Der Wachmann begann daraufhin, den Nachnamen des Besuchers einzutippen. Erst war das leise und schnelle Klicken der Tasten zu hören, dann das Anschlagen der Enter-Taste. Der Wachmann sah auf seinen Bildschirm und fuhr mit dem Finger die Liste der Namen ab. Ein Thurgood befand sich allerdings nicht darunter. »Tut mir leid, Sir, aber Ihr Name …«
Ein Einschussloch erschien jetzt wie von Zauberhand auf der Stirn des Wachmannes und Rauch stieg kräuselnd aus der Eintrittswunde, während der Mann die Augen nach hinten verdrehte, bis nur noch das Weiße zu sehen war. Der Mann schwang daraufhin die schallgedämpfte Pistole zu dem bewaffneten Wachmann herum und tötete auch ihn mit zwei perfekten, kurz hintereinander abgefeuerten Schüssen in die Brust. Die Wucht der Einschläge trieb den Mann gegen die Fahrstuhltüren, wo er mit schmerzverzerrtem Gesicht in sich zusammensank. Doch erst ein dritter Schuss in seine Schädeldecke schaltete ihn endgültig aus. Der gut angezogene Mann ließ seine Waffe nun wieder in sein Schulterholster gleiten, welches unter seiner Anzugjacke verborgen war, umrundete den Empfangsschalter und nahm an der Computerkonsole Platz.
Aus der Innentasche seiner Anzugjacke holte er nun ein Bluetooth-Kopfhörer hervor, hakte ihn sich hinter das Ohr und tippte auf einen kleinen Knopf an dem Ohrhörer. »Bist du da?«, erkundigte er sich.
»Ja, ich bin hier.« Die Stimme, die aus seinem Hörer drang, hörte sich irgendwie blechern und leer an.
Als Nächstes kramte der Mann einen USB-Stick hervor und steckte ihn in die Konsole, dann begann er, eilig etwas zu tippen. Zahlen und verschlüsselte Symbole füllten jetzt Zeile um Zeile des Bildschirms, bis an deren Ende die Worte ZUGRIFF GESTATTET erschienen. »Ich bin drin. Von hier an musst du aber übernehmen und mich leiten.«
In diesem Moment betraten drei weitere Personen die Einrichtung. Zwei von ihnen waren als Wachleute verkleidet. Hastig zogen sie die Leichen der Sicherheitsleute außer Sicht und übernahmen deren Positionen – einer vor den Fahrstuhltüren, der andere hinter der Konsole. Das dritte Team-Mitglied, das eine schwarze Kampfmontur trug, schloss sich dem elegant gekleideten Mann vor dem Fahrstuhl an.
»In Ordnung«, meldete der Mann jetzt über Bluetooth. »Wir sind bereit.«
Zwölf Sekunden später öffneten sich die Fahrstuhltüren.
»Auf dem Tastenfeld solltest du einen Knopf mit der Aufschrift BL-3 sehen können«, sagte die Stimme. »Drücke ihn. Wenn sich die Türen wieder öffnen, werden dort zwei Wachposten stehen, einer links, einer rechts. Neutralisiert sie.«
»Verstanden.«
Während der Fahrstuhl nach unten fuhr, reichte der Mann seinen Aluminiumkoffer an Mohammed weiter, dem dritten Mann im Team, zog die Glock wieder aus seinem Schulterholster und schraubte anschließend einen Schalldämpfer auf die Mündung, welcher fast so lang wie der Lauf selbst war. An Mohammed gewandt, sagte er: »Gib mir Rückendeckung und sorge dafür, dass sich mir niemand von hinten nähert.«
Mohammed nickte.
Als der Fahrstuhl anhielt und die Türen aufglitten, bewegten sich die beiden schnell und effizient voran. Der Mann im Anzug zielte mit seiner schallgedämpften Waffe auf den Wachmann auf der linken Seite, zog den Abzug zurück, dann schwang er die Waffe nach rechts und feuerte zwei weitere Schüsse ab. Die Waffe ging mit einem unterdrückten Knallen los und die beiden Wachleute fielen zu Boden.
Der Mann spähte sorgfältig den Korridor auf und ab und tippte dann erneut auf sein Bluetooth-Gerät. »Wir sind drin.«
»Gut. Jetzt müsst ihr den Korridor zu eurer Rechten nehmen«, wies ihn der Navigator an. »An dessen Ende befindet sich auf der linken Seite eine Tür. Diese wird ebenfalls von zwei Männern bewacht.«
Der Mann im Anzug umfasste seine Waffe daraufhin mit beiden Händen, streckte sie vor sich aus und lief dann in die angegebene Richtung.
»Diese Türen führen in das Hauptlabor, wo sie den Kampfstoff lagern. Ihr werdet dort auf drei schwer bewaffnete Wachleute stoßen, also seid vorsichtig.«
»Verstanden.«
Wie angewiesen bewegten sie sich mit schussbereiten Waffen den Korridor hinunter. Als sie die Türen erreichten, fiel ihr Blick auf die spiegelnde Oberfläche, in der ihre Gesichter seltsam verzerrt und deformiert wirken, wie in einem dieser Spiegel in einem Gruselkabinett.
»Okay«, sagte der Mann, während er die Waffe auf Augenhöhe hielt. »Wir sind an der ersten Doppeltür angelangt.«
»Macht euch bereit«, warnte ihn der Navigator.
Auf der linken Seite der Türen befand sich ein Tastenfeld. Über dessen Anzeige ratterten jetzt unentwegt LED-Ziffern. An seiner geheimen Position außerhalb der Einrichtung war der Navigator gerade damit beschäftigt, die Sicherheitsvorkehrungen des Mainframes zu überschreiben. Dabei hackte er sich nicht nur in die Code-Datenbanken, sondern veränderte außerdem die Anzeigen auf den Haupt-Kontrollbildschirmen innerhalb des Labors. Die bewaffneten Sicherheitskräfte, die die Monitore überwachten, bekamen nur einen leeren Korridor zu sehen – Bilder, die der Navigator vorher aufgenommen hatte und nun in einer Dauerschleife abspielen ließ, was den Männern den Anschein vermittelte, dass die Einrichtung weiterhin leer war. Wären die Sicherheitsleute etwas gewissenhafter gewesen, wäre ihnen vielleicht aufgefallen, dass die Zeitanzeige auf den Monitoren mehr als zwölf Minuten hinter der tatsächlichen Zeit herhinkte.
»Nur noch ein paar Sekunden«, verkündete der Navigator.
Die Zahlenketten auf der Anzeige wurden nun langsamer und eine Zahl nach der anderen blieb stehen, bis schließlich alle fünf Ziffern zum Stillstand gekommen waren, dann öffneten sich die Türen.
Der elegant gekleidete Mann drang schnell in den Raum ein und streckte die Wachmänner mit gezielten Schüssen in den Kopf und die Brust