Ich erinnere mich an einen Wintertag, als ich Anfang zwanzig war. Ich stand auf der Brücke über demselben Bach, der mich als Junge so verzaubert hatte. Zwei Jahre war es her, seit ich vom College nach Hause zurückgekehrt war. Den größten Teil der fünf Jahre, die ich dort verbrachte, jagte ich immer noch der Romanze nach, auf Partys, durch Alkohol und Drogen und dadurch, dass ich immer da war, wo etwas los war. Ich fürchtete, wenn ich mir irgendeine Gelegenheit entgehen ließ, würde der Zauber kommen, während ich nicht dort war, und ich würde ihn für immer verpassen. Und für eine Weile schienen die Pfeile auszubleiben, abgewehrt durch die endlose Möglichkeit, dass tatsächlich „bald etwas geschehen würde“. Auf dem College ließen sich viele Enttäuschungen hervorragend hinter der Illusion verstecken, dass das Leben ja noch gar nicht richtig angefangen hatte. Die Pfeile schwiegen, bis eine gleichgültige Sekretärin mir mein Diplom in die Hand drückte, ohne mich auch nur anzusehen, und ich plötzlich auf den Stufen des Verwaltungsgebäudes meines Colleges stand und keinen Grund mehr hatte, noch länger zu bleiben.
Die Botschaft der Pfeile
Ich hatte das College abgeschlossen, ohne eine Liebe oder einen Beruf gefunden zu haben. Die Erwachsenen, die ich kannte (die so oft versuchen die Leere in der Seele durch ökonomische Lösungen zu füllen), sagten mir, es sei an der Zeit für mich, Fuß zu fassen und ein verantwortliches Leben zu führen. Ich dagegen hatte das Gefühl, dass ich gerade erst angefangen hatte, rastlos zu sein. Ich empfand, dass ich nirgendwo richtig hingehörte oder auch nur hingehören wollte; dass, was immer auch meine Familie und meine Freunde für eine Geschichte gefunden hatten, um darin zu leben, meine eigene Geschichte zu einer sinnlosen Folge von Kapiteln ohne Handlung geworden war, außer der, dass ich eben irgendwie die Tage herumbrachte. Es war eine Sehnsucht nach der Landschaft jener Sommerabende vor langer Zeit, die mich an jenem Tag wieder zu der Brücke lockte. Es war eine Hoffnung, dass ich an dem Ort, den ich als Junge so sehr geliebt hatte, klarer sehen würde.
Dort stand ich nun an jenem Novembertag und blickte hinab auf einen kleinen braunen Bach, gesäumt von leblosen grauen Bäumen und schmutzig braunem, herabgefallenem Laub. Selbst das Wasser floss lustlos über die Hindernisse aus Blättern und Zweigen, als wäre es von seiner endlosen Bewegung erschöpft. An vielen Stellen staute es sich vor den Dämmen aus winterlichem Unrat, ohne groß dagegen anzukämpfen. Ein paar Hundert Meter rechts von mir stand unser altes Farmhaus, jetzt unbewohnt und mit einem großen Loch im Dach. Die Scheunen und Schuppen und Pferche, die ihm seine Daseinsberechtigung gegeben hatten, waren verschwunden. Wo einst der Mais in seiner geordneten Wildheit gestanden hatte, wuchs jetzt nur Unkraut wild durcheinander. Die Trostlosigkeit des Ganzen wurde in dem Schweigen jener abwesenden Augustsänger greifbar.
Ich erinnere mich, wie ich einen scharfen Schmerz in der Brust spürte, den ich mit kaltem Zorn zum Schweigen brachte. Was für ein Narr war ich doch all diese Jahre gewesen, dass ich der Sommerbotschaft dieses Ortes Glauben geschenkt hatte. Hier hatte ich bei helllichtem Tag vor mir, was offensichtlich schon immer die Realität gewesen war. Es war an der Zeit, dass ich aufhörte an eine Lüge zu glauben. Die geheimnisvolle Liebe, der geheimnisvolle Liebhaber, die in meiner Kindheit zu mir gekommen waren, waren nichts als Trug.
Heute weiß ich, dass ich an jenem Tag den letzten Pfeil in mein Herz bohrte und ihn glatt hindurchschob. Ich tat es, um die Tränen der Trauer in meinem Inneren zu ersticken, die mich sonst beharrlich daran erinnert hätten, dass da etwas war, das ich verloren hatte. Doch die Heimsuchung verließ mich auch an jenem Tag auf der Brücke nicht. Erst Jahre später verstand ich, dass ich selbst es war, der sie erstickt hatte – oder zumindest hatte ich es versucht. Hätte ich meinen Tränen über den Verlust, den ich empfand, freien Lauf gelassen, so wäre der Lockruf jenes lange vergangenen Sommers geblieben. Doch indem ich einen Damm der Verhärtung errichtete gegen den Schmerz, den ich innerlich spürte, verweigerte ich mich der Heimsuchung und deutete sogar noch die Botschaft des Herbstes falsch: etwas Verlorenes, das wiederkommt.
Irgendwann stehen wir alle vor derselben Entscheidung – was fangen wir mit den Pfeilen an, die uns getroffen haben? Oder vielleicht sollten wir besser sagen, wozu haben sie uns zu bringen versucht? Wie auch immer sie zu uns kommen, ob durch einen Verlust, den wir als Verlassenheit empfinden, oder durch eine tiefe Verletzung, durch die wir uns misshandelt fühlen, ihre Botschaft ist immer dieselbe: Töte dein Herz. Scheide dich von ihm, vernachlässige es, fliehe vor ihm oder verwöhne es mit irgendeinem Betäubungsmittel (unseren diversen Süchten). Denken Sie daran, wie Sie mit der Not umgegangen sind, die Ihr Herz durchbohrt tat. Wie sind die Pfeile zu Ihnen gekommen? Wo sind sie gelandet? Sind sie noch da? Was haben Sie infolgedessen getan?
Aber es kann irreführend sein, wenn wir sagen, dass wir alle vor einer Entscheidung stehen, wenn wir von einem Pfeil durchbohrt werden. Das lässt den Prozess so rational erscheinen, als hätten wir die Möglichkeit, die Situation kühl einzuschätzen und uns logisch zu überlegen, wie wir reagieren. Doch das Leben ist nicht so – das Herz lässt sich nicht aus der Distanz managen (schon gar nicht, wenn wir jung sind, also in dem Alter, in dem uns die schmerzhaftesten Pfeile treffen). Das Ganze läuft eher ab wie ein Überfall, und unsere Reaktion kommt aus dem Bauch. Vielleicht kleiden wir sie nicht einmal in Worte. Unsere tiefsten Überzeugungen bilden sich ohne bewusste Anstrengung heraus, aber die Folge ist eine Verschiebung tief in unserer Seele. Es bildet sich eine innere Entschlossenheit, nie wieder in diese Lage zu geraten, nie wieder diesen Schmerz zu erleben. Das Ergebnis ist eine Grundhaltung gegenüber dem Leben, die wir oft als unsere Persönlichkeit bezeichnen. Wenn Sie aufmerksam auf Ihr Leben hören, erkennen Sie vielleicht allmählich, wie sehr es von den Pfeilen geformt ist, von denen Sie getroffen wurden, und von den inneren Überzeugungen, die Sie infolgedessen angenommen haben. Selbst unser geistliches Leben wird von den Pfeilen gefärbt und zum Teil gesteuert.
Meine eigene geistliche Reise mit Christus „begann“ (inzwischen habe ich gelernt, dass sie eigentlich lange vor meiner Geburt begann), als mir eines Morgens bei der Arbeit mein erstes Gebet seit meiner Kindheit entschlüpfte. Ich hatte wieder einmal die Nacht damit verbracht, nach irgendetwas oder irgendjemandem zu suchen; war durch Bars und Nachtklubs gestreift und einfach durch die Straßen gefahren, das Radio auf voller Lautstärke und unterstützt von ausreichend Alkohol und Drogen, um die Hoffnung bei meiner Suche nicht zu verlieren. Ich installierte gerade Rohre in einem Abflussschacht. Ich und die Männer, mit denen ich zusammenarbeitete, lebten mit einem Zynismus, der uns bei Tageslicht das verschaffte, was Alkohol und Drogen nachts für uns taten. So standen wir um vier Uhr morgens bis zur Brust im Abwasser und sagten mit schiefem Grinsen zueinander, jetzt seien wir so tief gesunken, wie es nur möglich sei, und von hier aus könnte es nur noch bergauf gehen.
Eines Morgens löste sich, fast ohne dass ich es wollte, ein Schrei aus der Tiefe meines Herzens: „Gott, hilf mir, denn ich bin verloren.“ Und Gott antwortete in jenen Jahren der „ersten Liebe“ mit einer überschwänglichen Treue. Ich fing an die Bibel zu lesen, und sie erwachte in meinen Händen und in meinem Herzen zum Leben. Ein Freund, den ich von der High School her kannte, kam vorbei und erzählte mir, er sei „Christ geworden“. Er lud mich ein, mit ihm zusammen Kurse am Philadelphia-Bibelcollege zu besuchen, und voll hungriger Freude und Erwartung saugte ich alles auf, was man uns dort lehrte. Abends hörten Ralph und ich uns einen Vortrag an oder saßen einfach bei einem Essen zusammen und unterhielten uns über Gott, das Leben, Mädchen und das überfließende Leben, von dem wir sicher waren, dass es vor uns lag. In jenem Herbst fuhr ich auf eine