Doch bei vielen von uns verebbten die Wellen der ersten Liebe im Wirbelwind christlicher Dienste und Aktivitäten, und allmählich entglitt uns die Romanze. Mit der Zeit fühlte sich unser Glaube immer mehr an wie eine Reihe von Problemen, die gelöst werden mussten, oder wie Prinzipien, die beherzigt werden mussten, bevor wir endlich Anteil an dem überfließenden Leben haben konnten, das uns von Christus versprochen wurde. Wir verlagerten unser geistliches Leben in die äußere Welt der Aktivität, und innerlich gerieten wir ins Treiben. Wir spürten, dass etwas nicht stimmte, und vielleicht versuchten wir es in Ordnung zu bringen – indem wir an unserem äußeren Leben herumreparierten. Wir versuchten es mit der neuesten geistlichen Mode, mit einer neuen Gemeinde, oder wir verdoppelten einfach unser Engagement, um den Glauben zum Funktionieren zu bringen. Doch trotz alledem waren wir erschöpft, abgestumpft oder einfach gelangweilt. Andere unter uns stürzten sich in Geschäftigkeit, ohne lange danach zu fragen, worauf all diese Aktivität hinauslaufen sollte. In meiner eigenen geistlichen Reise kam ich an einen Punkt, an dem ich mir die folgende Frage stellte: „Was soll ich denn nur tun, um das geistliche Leben auf eine Weise zu leben, die sowohl wahrhaftig als auch leidenschaftlich lebendig ist?“
Was wir auf diesen Seiten zum Ausdruck bringen wollen, ist einfach dies: Unser Herz sagt uns die Wahrheit – es fehlt wirklich etwas!
Die zentrale Rolle des Herzens
Denn vor allem anderen ist das christliche Leben eine Liebesaffäre des Herzens. Man kann es nicht in erster Linie als eine Reihe von Prinzipien oder ethischen Grundsätzen leben. Es lässt sich nicht mit Schritten und Programmen managen. Man kann es nicht ausschließlich als einen Moralkodex leben, der zur Gerechtigkeit führt. Auf die Frage, was man tun müsse, um wahres Leben zu erlangen, antwortet Jesus einem religiösen Experten mit einer Gegenfrage:
„Was steht denn darüber im Gesetz Gottes?
Was liest du dort?“
Der Schriftgelehrte antwortete: „Du sollst Gott, deinen Herrn, lieben mit deinem ganzen Herzen, von ganzer Seele, mit aller Kraft und deinem ganzen Verstand. Und auch deinen Mitmenschen sollst du so lieben wie dich selbst.“
„Richtig !“, erwiderte Jesus. „Tue das, und du wirst ewig leben.“
(Lukas 10,26-28; Hervorhebung von den Verfassern)
Die Wahrheit des Evangeliums soll uns dazu befreien, Gott und die Menschen mit ganzem Herzen zu lieben. Wenn wir diesen Herzensaspekt unseres Glaubens ignorieren und versuchen unsere Religion ausschließlich als korrekte Lehre oder Ethik auszuleben, dann wird unsere Leidenschaft verkrüppelt oder pervertiert, und die Kluft zwischen unserer Seele und den Herzensabsichten, die Gott für uns hegt, wird immer tiefer werden.
Die religiösen Technokraten der Zeit Jesu konfrontierten ihn mit dem, was sie für die Maßstäbe eines gottgefälligen Lebens hielten. Das äußere Leben, so meinten sie, das Leben der Gebote, Pflichten und Dienste, darauf kam es an. „Da liegt ihr völlig falsch“, sagte Jesus. „Ihr seid schlicht und einfach tot (wie die gepflegten Grabstätten). Worauf es Gott ankommt, ist das innere Leben, das Leben des Herzens“ (siehe Matthäus 23,25-28). Im Alten wie im Neuen Testament ist das Leben des Herzens eindeutig Gottes zentrales Anliegen. Als das Volk Israel auf den Abweg eines völlig äußerlichen Lebens der Rituale und der Gesetzlichkeit geriet, da klagte Gott: „Dieses Volk gibt vor, mich zu ehren – doch sie tun es nur mit den Lippen, mit dem Herzen sind sie nicht dabei“ (Jesaja 29,13).
Unser Herz ist der Schlüssel zum christlichen Leben.
Der Apostel Paulus sagt uns, dass die Härte des Herzens hinter all den Abhängigkeiten und Übeln des menschlichen Wesens steht (Römer 1,21-25). Oswald Chambers schreibt: „Mit dem Herzen wird Gott wahrgenommen [erkannt] und nicht mit dem Verstand … das also ist Glaube: Gott mit dem Herzen wahrnehmen.“ Darum sagt uns Gott in Sprüche 4,23: „Behüte dein Herz mit allem Fleiß, denn daraus quillt das Leben“ (Luther 84). Er weiß, wer sein Herz verliert, der verliert alles. Leider behalten die meisten von uns den Ölstand in unserem Auto besser im Blick als das Leben unseres Herzens.
In einer der großartigsten Einladungen, die den Menschen je zuteil geworden sind, stand Christus inmitten der Menschenmenge in Jerusalem auf und rief: „Wer Durst hat, der soll zu mir kommen und trinken! Wer an mich glaubt, wird erfahren, was die Heilige Schrift sagt: Wie ein Strom wird Leben schaffendes Wasser von ihm ausgehen“ (Johannes 7,37-38). Wenn wir uns des tiefen Durstes unserer Seele nicht bewusst sind, bedeutet uns dieses Angebot gar nichts. Aber wenn wir uns erinnern, war es gerade diese Sehnsucht in unserem Herzen, die Jesus bei den meisten von uns als Erstes ansprach. Irgendwie kommen wir Jahre später auf den Gedanken, dass er uns nun nicht mehr durch den Durst unseres Herzens ruft. Wie die Galater, die Paulus dafür tadelte, dass sie vergessen hatten, wie sie zu Christus gekommen waren, stellen wir fest, dass irgendetwas oder irgendjemand uns verführt hat, zu unserem äußeren Leben und zur Leistung als Weg zum Heil zurückzukehren. Diese äußerliche religiöse Fassade, die wir zu wahren versuchen, erkennt Gottes Stimme nicht, wenn er kommt, um uns tiefer hineinzurufen in die Romanze, die er in uns begonnen hat.
Es ist möglich, das verlorene Leben unseres Herzens und mit ihm die Intimität, die Schönheit und das Abenteuer des Lebens mit Gott zurückzugewinnen. Um das zu tun, müssen wir hinter uns lassen, was vertraut und bequem ist – vielleicht sogar Teile der Religion, zu der wir Vertrauen gefasst haben – und auf eine Reise gehen. Diese Reise führt uns zuerst zu einer Suche: nach dem verlorenen Leben unseres Herzens und nach der Stimme, die uns einst an jene geheimen Orte rief; jene Orte und Zeiten, als unser Herz noch bei uns war. Die Pilgerschaft des Herzens ruft uns gemeinsam in Erinnerung, was es war, das uns als Kinder zuerst ganz tief im Innern ansprach: „Wer nicht wie ein kleines Kind voller Vertrauen zu Gott kommt, dem bleibt das Reich Gottes verschlossen“, sagt Jesus (Markus 10,15).
Auf unserer Reise werden wir die verborgenen Fragen unseres Herzens erforschen, die sich aus unserer Lebensgeschichte ergeben. Nur dadurch, dass wir unser Zuhause verlassen und auf eine Pilgerfahrt gehen, werden wir allmählich erkennen, wie unsere eigene Lebensgeschichte mit der großen Liebesgeschichte verflochten ist, die Gott schon vor Anbeginn der Zeit zu erzählen begann. Auf dieser Pilgerfahrt erkennen wir allmählich, dass jeder von uns Anteil hat an der kosmischen Liebesaffäre, die im ganz persönlichen Blick auf uns entfacht wurde. Und zuletzt wird uns diese Pilgerfahrt zu dem Ziel führen, das wir alle im Herzen tragen und das wir irgendwie schon seit unserer Kindheit kennen, nach dem wir uns sehnten und das uns niemals losließ.
Dieses Buch ist aus der Reise entstanden, auf der John und ich seit einigen Jahren gemeinsam unterwegs sind. Ich bin etwa genauso lange als Seelsorger tätig, wie John Seminare für ein großes christliches Werk leitet. Beide haben wir früher in Gemeinden gearbeitet. Im Lauf unseres Lebens haben wir beide einen guten Einblick in das innere Leben der modernen Christenheit gewonnen, und was wir aus unserer eigenen Geschichte gelernt haben, wurde immer wieder in zahlreichen Begegnungen mit anderen Christen bestätigt: Die meisten Christen haben das Leben ihres Herzens und damit auch ihre Romanze mit Gott verloren. Wir versuchen eine Reiseroute dorthin zu zeichnen, wo die Auferweckung des Herzens durch Gott geschieht. Und wir hoffen, sie hilft Ihnen, die tiefste Sehnsucht Ihrer Seele zu erkennen, und lädt Sie ein, diese Sehnsucht als den wichtigsten Teil Ihres Lebens anzunehmen.
Unser Ziel ist es, Ihnen zu helfen, Ihr „Herz zu behüten“, die Feinde Ihres Herzens und der Herzen der Menschen, die Sie lieben, deutlicher zu erkennen.
Unsere Reise beginnt damit, dass wir Fragen stellen, dass wir die Bewegungen des Herzens in Worte fassen: „Was ist das für eine Rastlosigkeit und Leere, die ich empfinde, manchmal lange Jahre nach dem Beginn meiner Reise als Christ? Was hat mein geistliches Leben mit dem Rest meines Lebens zu tun? Was ist das,