Mona lächelte. »Sie sind also rundherum glücklich.« Spontan legte sie ihre schmale, sehr gepflegte Hand auf die von Dr. Daniel. »Das freut mich für Sie.« Sie wurde wieder ernst. »Ich stelle es mir ganz schrecklich vor, wenn man schon in so jungen Jahren verwitwet ist.«
Dr. Daniel nickte. »Das ist es auch.« Dann lenkte er ganz bewußt von diesem Thema ab. »Nun sollten wir uns aber um Sie kümmern.« Er warf einen Blick in die Karte, die seine junge Empfangsdame Gabi Meindl herausgesucht hatte. »Meine Eintragungen sind nach all den Jahren natürlich nicht mehr auf dem neuesten Stand.«
Mona schmunzelte. »Das glaube ich Ihnen gern. Allzu viel hat sich jedoch nicht verändert – abgesehen davon, daß ich seit drei Jahren keine Pille mehr nehme. Irgendwie hat sie mir nicht mehr gut getan. Ich habe damals auf Anraten einer jungen Ärztin, die ich während eines Urlaubs kennengelernt habe, mit der sogenannten natürlichen Familienplanung begonnen und bin bis jetzt ganz zufrieden damit.«
»Das kann ich mir bei Ihnen gut vorstellen. Sie sind eine überaus korrekte Frau, bei der es keine Nachlässigkeiten gibt. Im übrigen kamen Ihre Tage auch vor Einnahme der Pille immer ganz regelmäßig, und wenn man als Frau den eigenen Körper erst mal sehr gut kennt, dann ist die natürliche Familienplanung eine sichere Verhütungsmethode.«
Ein Hauch von Melancholie huschte über Monas Gesicht.
»Im Moment brauche ich mir um Verhütung ja keine Sorgen mehr zu machen.« Sie seufzte. »Durch die unselige Geschichte mit Dirk ist ohnehin mein ganzer Zyklus durcheinandergeraten. Meine Tage sind seit einer Woche überfällig.«
»So etwas kommt vor«, meinte Dr. Daniel. »Der Zyklus einer Frau ist äußerst störungsanfällig. Jegliche Streßsituation kann ihn durcheinanderbringen.« Er stand auf. »Gehen wir mal nach nebenan.«
Mona folgte ihm durch die Zwischentür in den Untersuchungsraum. Hier war alles noch so, wie sie es von ihren früheren Besuchen in der Praxis in Erinnerung hatte. Sie trat hinter den dezent gemusterten Wandschirm und machte sich frei, dann setzte sie sich auf den gynäkologischen Stuhl.
»Ich werde jetzt als erstes einen Abstrich nehmen«, erklärte Dr. Daniel, während er mit seinem fahrbaren Stuhl näherrückte.
Mit dem Spekulum spreizte er vorsichtig die Scheidenwände, doch was er sah, ließ ihn überrascht die Stirn runzeln.
»Seit einer Woche sind Ihre Tage überfällig?« vergewisserte er sich.
Mona erschrak. »Ja, warum? Ist etwas nicht in Ordnung?«
Dr. Daniel zögerte mit der Antwort und betrachtete noch einmal eingehend den Gebärmutterhals, der das typische purpursamtene Aussehen hatte. Vorsichtig nahm Dr. Daniel den Abstrich, dann stand er auf.
»Ich muß die Gebärmutter abtasten«, meinte er. Spätestens nach dieser Untersuchung war für ihn jeglicher Zweifel ausgeschlossen.
»Sie können sich wieder ankleiden, Mona«, erklärte Dr. Daniel. »Wir werden gleich darüber sprechen.«
Angst zeichnete sich auf dem Gesicht der jungen Frau ab, als sie jetzt von dem Untersuchungsstuhl kletterte und sich hastig anzog.
»Ist es etwas Schlimmes?« fragte sie bang, während sie Dr. Daniel gegenüber Platz nahm.
Der Arzt schüttelte den Kopf. »Nein, Mona, etwas Schlimmes ist es eigentlich nicht… höchstens in Ihrer momentanen Situation…« Er atmete tief durch. »Das Ausbleiben Ihrer Regelblutung liegt nicht an dem Streß, der Ihnen durch die Trennung von Dirk entstanden ist, sondern…« Er schwieg kurz, dann bekannte er: »Sie sind schwanger.«
Einen Augenblick lang herrschte in Monas Kopf absolute Leere, dann starrte sie Dr. Daniel verzweifelt an.
»Aber… das ist doch… unmöglich! Als wir zuletzt… es waren nicht meine fruchtbaren Tage…«
»Anscheinend doch«, entgegnete Dr. Daniel und seufzte. »Ich weiß schon, daß diese Schwangerschaft für Sie jetzt denkbar ungünstig kommt. Ihre Beziehung zu Dirk ist zerbrochen, Sie stehen mitten im Berufsleben, aber – so leid es mir tut – ein Irrtum ist völlig ausgeschlossen.«
Heftig schüttelte Mona den Kopf. »Das glaube ich nicht! Sie haben doch nicht mal einen Schwangerschaftstest gemacht!«
»Das ist auch nicht mehr nötig«, entgegnete Dr. Daniel ruhig. »Wir können den Test zwar noch nachholen, wenn sie diese Sicherheit haben möchte, aber am Ergebnis wird das nichts ändern. Sehen Sie, Mona, ich bin Gynäkologe und kann bei der körperlichen Untersuchung derartige Veränderung sehr leicht feststellen. Allein die Tastuntersuchung hätte schon ausgereicht. Ihre Gebärmutter hat sich nämlich bereits vergrößert, und das ist ein sehr deutliches Zeichen für eine Schwangerschaft.«
Mona sackte förmlich in sich zusammen. »Was soll ich denn jetzt nur tun?«
»In diesem Fall wäre es vielleicht nicht verkehrt, wenn sie mit Dirk doch noch einmal sprechen würden«, schlug Dr. Daniel vor, doch Mona hob sofort abwehrend beide Hände.
»Das werde ich ganz bestimmt nicht tun!« entgegnete sie entschieden. »Ich werde nur wegen eines Babys keine sogenannte Vernunftsehe eingehen. Damit täte ich weder dem Kind noch mir selbst einen Gefallen.«
»Ihren Worten entnehme ich, daß Sie das Kind bekommen wollen«, meinte Dr. Daniel.
Monas Kopf ruckte hoch. »Denken Sie vielleicht an Abtreibung?«
»Nein, ganz bestimmt nicht«, erwiderte Dr. Daniel ohne Zögern. »Allerdings wäre dieser Gedanke wohl den meisten Frauen in Ihrer Situation gekommen.«
Mona schluckte. »Ich will gestehen, daß er mich auch eine Sekunde lang gestreift hat, aber…« Sie schüttelte den Kopf. »Abtreibung kommt für mich nicht in Frage.« Entschlossen stand sie auf. »Ich muß erst darüber nachdenken, Herr Doktor. Im Moment herrscht in meinem Hirn ein totales Chaos. Da muß ich erst Ordnung hineinbringen, dann sehen wir weiter.«
Auch Dr. Daniel erhob sich jetzt.
»Meine Sprechstundenhilfe wird Ihnen noch Blut abnehmen. In vier Wochen sollten Sie zur nächsten Vorsorgeuntersuchung kommen, dann erhalten Sie auch Ihren Mutterpaß.«
Mona blickte zu Boden. »Darüber werden sich die meisten schwangeren Frauen sehr freuen, nicht wahr?«
Sie wartete Dr. Daniels Antwort gar nicht ab, sondern fügte leise hinzu: »Das kann ich im Moment nicht.«
»Dafür habe ich auch vollstes Verständnis«, räumte Dr. Daniel ein. »Eine junge Frau ohne Partner, die gerade dabei ist, die Spitze der Karriereleiter zu erreichen, kann über eine unverhoffte Schwangerschaft wohl nicht rückhaltlos glücklich sein.« Er nahm ihre Hand. »Aber in einem können Sie jedenfalls absolut sicher sein: Ich werde für Sie dasein, wann immer es nötig ist und gemeinsam werden wir auch eine Lösung finden, die Ihnen und dem Baby gerecht wird.«
Da brachte Mona sogar ein ansatzweises Lächeln zustande. »Danke, Herr Doktor.« Sie schwieg kurz. »Ich bin so froh, daß ich zu Ihnen gekommen bin. Wissen Sie, in Ihren Augen mag ich vielleicht herzlos wirken, weil ich mich über die Schwangerschaft nicht freuen kann. Es ist auch gar nicht so, daß mir die berufliche Karriere über alles geht. Ich wollte ja immer eine Familie, aber eben nicht jetzt schon und nicht…« Hilflos zuckte sie die Schultern. »Ich meine… wenn das mit Dirk nicht passiert wäre, aber so.« Sie dachte an den Posten, für den sie so hart gearbeitet hatte. »In zwei oder drei Jahren hätte alles anders ausgesehen…«
»Sie müssen sich gewiß nicht verteidigen«, fiel Dr. Daniel ihr sanft ins Wort. »Ich halte Sie auch nicht für herzlos. Wenn Sie das wären, würden Sie sich um Ihr Baby bestimmt keine Gedanken machen, sondern nur versuchen, es auf irgendeine Weise loszuwerden.«
»Das würde ich nicht übers Herz