Ein an der Decke des Gewölbes befindlicher Haken musste hier die Stelle des Galgens vertreten. Man befestigte ein Seil daran, warf die Schlinge dem armen Bertaut um den Hals und zog ihn empor.
Aber der Strick, der alt und mürbe war, riss, und der Delinquent rollte auf den Boden.
Während man nun in einiger Verwirrung einen neuen Strick suchte, bemerkte einer der Diebe ironisch, dass der Bettler von Notre-Dame-de-Bonne-Nouvelle ein ebenso guter Edelmann wie der Hauptmann sei, dass er daher ein Recht habe, durch das Schwert zu sterben, und dass man zu zartfühlend sei, ihn seines Vorrechts berauben zu wollen.
Eine der Bohlen, die den Fässern zur Unterlage gedient hatten, musste die Stelle des Blockes vertreten. Man zwang den unglücklichen Bertaut, seinen Kopf auf diesen Block zu legen, und der Kräftigste der Bande führte, nachdem er sich mit einer Art von großem Messer bewaffnet hatte, damit einen Schlag auf seinen Nacken.
War es nun aber Ungeschicklichkeit, oder folgte der Elende einer teuflischen Einflüsterung, die seiner Meinung nach zu kurzen und leichten Leiden zu verlängern, der Hieb ging fehl und machte eine furchtbare Fleischwunde, ohne die Lebensnerven zu treffen.
Ehe jener noch daran denken konnte, seinen Versuch zu wiederholen, erhob sich der Delinquent, dem Todesschrecken, der die menschlichen Kräfte verdoppelt, gehorchend, zerriss die Bande, die ihn fesselten, und begann, ganz außer sich, in dem Keller umherzulaufen.
Die Frauen hielten ihre Gesichter mit den Händen bedeckt und stießen ein wirres Schreckensgeheul aus, die Männer liefen, wie von einem Zauber getrieben, wild durcheinander, und Paul Bertaut, ganz von Blut übergossen, floh, während er mit einer Stimme, die nichts Menschliches mehr an sich hatte, nach dem Tode rief, vor dem, der ihm denselben geben sollte.
Bei diesem Anblick vergaß mein Ahne alle Gefahren, die ihn umgaben; er hatte nur noch den einen Gedanken, seinen unglücklichen Verwandten der Grausamkeit seiner Verfolger zu entreißen und sich an einem derselben zu rächen.
Mit unwiderstehlicher Gewalt und ehe Herr von Blignac seiner Absicht entgegentreten konnte, hatte er den Degen, den jener an der Seite trug, aus seiner Scheide gerissen.
In diesem Augenblick kam der Delinquent, immer noch gefolgt von seinem improvisierten Henker, an ihm vorüber. Der letztere machte sich eben bereit, seinem Opfer einen neuen Schlag zu geben; plötzlich aber pfiff das breite Schwert, das der alte Scharfrichter führte, durch die Luft. Paul Bertaut, der den Tod, die einzige Wohltat, die er noch zu erwarten hatte, von dieser befreundeten Hand empfing, stürzte, ohne einen Seufzer von sich zu geben, zu Boden, und ehe der Bandit, der unbeweglich stehengeblieben war, sich von seiner Betroffenheit erholt hatte, erhob Sanson von Longval die blutige Klinge noch einmal und stieß sie ihm tief in die Brust.
In demselben Augenblick legte sich eine Wolke auf die Augen meines Ahnen, seine Kräfte verließen ihn, und obgleich sich keine Waffe gegen ihn erhoben hatte, fiel er um, als sei er vom Blitz getroffen.
In der Frühe des folgenden Tages brachten Landleute, die Lebensmittel in die Stadt fuhren, den greisen Scharfrichter in seine Wohnung zurück.
Sie hatten ihn in einem Graben der nach der Pikardie führenden Landstraße gefunden, und da es ihnen schien, dass er noch atme, hatten sie ihn auf ihren Wagen gelegt.
Ein herbeigerufener Arzt erklärte, dass Sanson von Longval einen Schlaganfall erlitten habe, und staunte, dass er denselben überlebt hatte. Als er seinen Arm entblößte, um ihm zur Ader zu lassen, bemerkte er mit noch größerem Erstaunen, dass diese Operation bereits vollzogen sei und dass mein Ahne wahrscheinlich nur diesem Umstand sein Leben verdanke.
Es verging lange Zeit, ehe man sich das Geheimnis erklären konnte, denn eine lokale Lähmung war die Folge des Schlaganfalles gewesen, und solange diese anhielt, war Sanson von Longval nicht imstande, den Seinigen zu erzählen, was sich in dieser schrecklichen Nacht mit ihm zugetragen hatte.
Der Aufenthalt in Paris wurde ihm so verhasst, dass er endlich darauf ganz verzichtete; er zog mit Renée Dubut, seiner Frau, in eine kleine Meierei zu Condé im Lande Brie, die er ein paar Jahre zuvor gekauft hatte, zurück und fand dort endlich die einzige Ruhe, die unseresgleichen hoffen kann: den Tod!
Es scheint, dass Sanson von Longval einige Zeit vor seinem Tode das tragische Ende des Herrn von Blignac, dem er es allem Anscheine nach verdankte, dass er wohlbehalten aus der Banditenhöhle gekommen war, noch erfahren habe.
Der Tod des gaskognischen Edelmanns wurde von zu originellen Umständen begleitet, als dass ich ihn mit Stillschweigen übergehen könnte; übrigens scheint, ohne dass ich irgendeinen Schluss aus dem Zusammentreffen von Umständen, das man dem Zufall zuschreiben kann, ziehen wollte, dieser Tod die dritte Prophezeiung des Vaters der Marguerite Jouanne zu verwirklichen.
Damals lebte im Dorfe Cajeaux bei Palaiseau ein sehr reicher Priester, den man beschuldigte, seine Revenüen zusammenzusparen. Leider hatte der brave Priester die Manier, selbst in den unschuldigsten Gesichtern die von Dieben zu erblicken, und dieses von schlechtem Geschmack zeugende Misstrauen hatte bisher die Unverletzlichkeit seines Allerheiligsten bewahrt.
Dennoch glaubte Herr von Blignac eines Tages das Mittel, die Wachsamkeit dieses Drachen im Priesterrock täuschen und in seine Schatzkammer dringen zu können, gefunden zu haben.
Er schlug einem halben Dutzend seiner vertrautesten Leute vor, sich in Häscher zu verkleiden; dann sollten sie einen anderen der Ihrigen, der seine Banditenkleidung beibehalten und den sie ordentlich fesseln würden, mit sich führen, den Geistlichen in seinem Priesterhaus aufsuchen und ihm sagen, sie hätten einen Schuldigen ergriffen, den sie nach der Weisung ihrer Oberen an dem ersten besten Baum, aus dem sich ein Galgen machen ließe, aufhängen sollten, und sie nähmen sein heiliges Amt in Anspruch, die der Verderbnis preisgegebene Seele des armen Teufels zu retten.
Herr von Blignac versicherte, dass, wenn auch nicht die christliche Liebe, so doch der instinktive Hass, welchen der Pfarrer den Böhmen zutrage, ihm nicht erlauben werde, zu zögern. Und während man den Narren hier mit den Vorbereitungen zu der Exekution beschäftigte, würde eine andere Bande, die sich in der Umgegend bereitgehalten, einen Überfall nicht allein auf das Haus des Pfarrers machen, sondern auch auf die seiner Beichtkinder.
Dieser machiavellistische Plan erregte einen wahren Enthusiasmus; als er aber angenommen war, befanden sich die Banditen etwa in der Lage der Ratten nach ihrem Beschlusse. Niemand wollte die Rolle des armen Sünders übernehmen; in dem Einfalle des Hauptmanns kamen einige kleine Unbequemlichkeiten der Hängung vor, die auch die Entschlossensten zurückschreckten.
Man beschloss, das Los entscheiden zu lassen, wer die Rolle übernehmen sollte, und wie der Zufall gewöhnlich den trifft, der am wenigsten begierig darauf ist, d.h. den Ängstlichsten in der Bande, so war es diesmal ein armer Teufel, der schon leichenblass wurde, sobald er nur den Schatten eines Galgens bemerkte.
Seine Gefährten und besonders der Hauptmann amüsierten sich ungemein über seine vorzeitige Angst.
Am Abend vor dem zur Ausführung dieses schönen Planes bestimmten Tage waren die, welche daran tätigen Anteil nehmen sollten, in dem Wirtshaus »Zum Weißdorn«, das einer ihrer Verbündeten unterhielt, versammelt.
Alle waren lustig, nur die Traurigkeit dessen, der gehängt werden sollte, störte die allgemeine Heiterkeit.
Unter dem Vorwande, seinen Untergebenen zerstreuen zu wollen, schlug ihm der Hauptmann vor, eine Weile die Würfel rollen zu lassen; der andere nahm dies an, aber das Mitleid des Meisters der Bettler wurde durch das Glück schlecht belohnt, denn in weniger als einer halben Stunde hatte er sein ganzes Geld verloren.
Durch die liebenswürdige Familiarität seines Chefs ermutigt, schlug ihm sein Gegner vor, um die Rolle zu spielen, die ihm so wenig belustigend erschien. Wenn Herr von Blignac diese neue Partie gewann, so sollte er