Zitat 1: »Es ist unwahrscheinlich, dass SARS-CoV-2 durch Labormanipulation eines verwandten SARS-CoV-ähnlichen Coronavirus entstanden ist.«63
Klartext: Es ist unwahrscheinlich – aber eine Manipulation im Labor als möglicher Ursprung für SARS-CoV-2 wird nicht ausgeschlossen.
Zitat 2: »Theoretisch ist es möglich, dass SARS-CoV-2 während der Anpassung an die Zellpassage in einer Zellkultur RBD-Mutationen […] erworben hat, wie in Studien zu SARS-CoV[11] beobachtet wurde.«64
Klartext: Gewisse Mutationen seines Genoms hätte SARS-CoV-2 theoretisch auch innerhalb eines Labors (durch Zellpassagen in Kulturen) erwerben können.
Zitat 3: »Obwohl die Beweise zeigen, dass SARS-CoV-2 kein vorsätzlich manipuliertes Virus ist, ist es derzeit unmöglich, die anderen hier beschriebenen Theorien über seinen Ursprung zu beweisen oder zu widerlegen.«65
Klartext: Obwohl die in dieser Studie aufgeführten Beweise zeigen, dass es sich nicht um einen absichtlich manipulierten Virus handelt, können die Wissenschaftler die anderen in der Studie aufgelisteten Theorien nicht ausschließen. Und welche meinen sie damit? Womöglich die von den Forschern in ihrer eigenen Arbeit erwähnten.
Zitat 4: »Auswahl während der Zellpassage – Die Grundlagenforschung zur Zellpassage von Fledermaus-SARS-CoV-ähnlichen Coronaviren in Zellkulturen und/oder Tiermodellen wird seit vielen Jahren in Laboratorien der Biosicherheitsstufe 2 auf der ganzen Welt betrieben[27], und es gibt dokumentierte Fälle von Laborausbrüchen von SARS-CoV[28]. Wir müssen daher die Möglichkeit einer unbeabsichtigten Freisetzung von SARS-CoV-2 im Labor untersuchen.«66
Klartext: Die Theorie, dass es sich um ein aus einem Labor entwichenes neuartiges Coronavirus handelt, wird somit, wie auch Zitat 3 aufzeigt, weder widerlegt noch bestätigt. Zudem wird ausdrücklich darauf verwiesen, dass ein möglicher Labor-Ursprung von SARS-CoV-2 weiter erforscht werden sollte.
Zitat 5: »Mehr wissenschaftliche Daten könnten das Gleichgewicht der Beweise zugunsten einer Hypothese gegenüber einer anderen verändern.«67
Klartext: Ein Forscher kann nichts anderes sagen, als dass die wissenschaftlichen Beweise, die diese Studie untermauern, durch neu hinzukommende Daten widerlegt werden könnten und dass somit beide Hypothesen, das heißt Natur- oder Laborursprung, nach wie vor offen sind.
So viel zu Wahrheit und präziser Berichterstattung.
Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist auch, was der preisgekrönte US-Wissenschaftsjournalist Rowan Jacobsen (Scientific American) im Mai 2020 in einem detailreichen Artikel betont hat, und zwar, dass keiner der Wissenschaftler, mit denen er gesprochen hatte, »die Möglichkeit, dass es [SARS-CoV-2] versehentlich aus einem Labor […] entwichen ist, mit Sicherheit ausschließen konnte.« […].68
Und genau das steht im Raum. Könnte SARS-CoV-2 also nicht doch aus einem Hochsicherheitslabor stammen?
Bereits im Februar 2020, als SARS-CoV-2 noch den alten Namen trug (2019-nCoV), hatte ein französisch/kanadisches Forscherteam unter der Leitung von Bruno Coutard und Prof. Etienne Decroly von der Aix Marseille Université festgestellt, dass das neue Coronavirus eine Furin-Spaltstelle aufwies, die bei anderen SARS-Coronaviren nicht vorkommt.69
Ende Mai 2020 machte ein Forscherteam des Deutschen Primatenzentrums in Göttingen eine weitere bemerkenswerte Entdeckung, die in der Fachzeitschrift Molecular Cell veröffentlicht wurde.70 Es handelt sich um eine »ungewöhnliche Aktivierungssequenz« der SARS-CoV-2-Spikes: »Es erlaubt dem Virus, sich an Zellen anzuheften und anschließend mit den Zellen zu verschmelzen, um so seine Erbinformation für die virale Vermehrung in die Zellen einzuschleusen. Dazu müssen Aktivierungssequenzen des Spike-Proteins durch Enzyme der Zellen, sogenannte Proteasen (in diesem Fall Furin) gespalten werden. Das Spike-Protein von SARS-CoV-2 trägt eine Aktivierungssequenz an der sogenannten S1/S2-Spaltstelle, die man von hochpathogenen Vogelgrippe-Viren kennt, aber in SARS-CoV-2 eng verwandten Viren bislang nicht finden konnte. Die Bedeutung dieser Sequenz für das Virus war bisher unbekannt.«71
Im Virologen-Blog von Prof. Vincent Racaniello (Columbia University) tauschten sich Experten im Mai/Juni 2020 über dieses Thema aus – fernab vom Rampenlicht der Öffentlichkeit und der Medienwelt. Den Fachkonversationen dieser Virologen ist eindeutig zu entnehmen, dass sie die Hypothese, SARS-CoV-2 könnte einem Labor entstammen, untereinander »heiß« diskutieren. Die vorgebrachten Beweise betreffen die o. g. ungewöhnliche Furin-Spaltstelle von SARS-CoV-2, die in anderen humanen Coronaviren nicht vorhanden ist, »ebenso wenig [wie] in den SARS-verwandten Coronaviren, die man in Fledermäusen findet, einschließlich RaTG13, dem Virus mit der engsten allgemeinen Genomsequenzidentität mit SARS-CoV-2«.72
Dass sich dieser ungewöhnliche Genomteil natürlich entwickelt haben könnte, ist nicht besonders plausibel, denn dies hätte, wie im Blog zu lesen ist, eine Rekombination erfordert. Das heißt, eine Fledermaus hätte gleichzeitig von zwei unterschiedlichen Viren infiziert werden müssen, die ihr Genom in der Wirtszelle zusammengebastelt hätten – »ein Ereignis mit geringer Wahrscheinlichkeit, aber nicht unplausibel«.73
Einer der Virologen des Blogs betont, dass er einen natürlichen Ursprung bevorzugen würde. Leider sei aber die Möglichkeit, dass SARS-CoV-2 aus einem Labor komme, nicht auszuschließen, denn gerade in Laboren (selbst in solchen, die nur Sicherheitsstufe S2 haben) werden diese Furin-Spaltstellen bereits seit Jahren künstlich »erschaffen«.74
Das Thema ist hochbrisant, denn seit Langem werden in den Universitäten weltweit (insbesondere in den USA, aber auch in den Niederlanden und in China) gentechnisch manipulierte Viren hergestellt, um sie infektiöser zu machen, als sie von Natur aus sind (man nennt dieses Prozedere »Gain-of-Function«75) (siehe Kapitel »Hochsicherheitslabore – die Welt spielt russisches Roulette«).
Ein solcherart manipuliertes SARS-CoV-Virus wurde z.B. 2015 an der University of North Carolina erschaffen. Es wurde gentechnisch dergestalt »zurechtgebastelt«, dass seine Spikes besonders effizient an die ACE2-Enzyme tierischer und menschlicher Zellen andocken konnten, was dem Virus ein willkommenes Einfallstor bot. Auf diese Weise erhielt das Virus die besondere Eigenschaft, die auch SARS-CoV-2 kennzeichnet.76
Diese Arbeit wurde damals von Forschern scharf kritisiert, u. a. weil sie lediglich ein neues, im Labor erschaffenes, unnatürliches Gefahrenrisiko hervorbrachte.77
Was mit dieser Virus-Chimäre danach geschah, ist übrigens nicht bekannt.
Dr. Baric, Hauptautor der o. g. Studie, stand bereits seit Jahren in wissenschaftlichem Austausch mit dem militärischen US-Hochsicherheitslabor in Fort Detrick (USAMRIID).78
Am 11. Juli 2020 landeten die ersten Mitglieder der WHO-Untersuchungskommission in China.79 Vor ihrem Abflug hatte der Infektiologe Prof. Daniel R. Lucey von der Georgetown University an die WHO eine Liste mit den wichtigsten Fragen in Bezug auf diese Pandemie gesendet.
In seinem Blog, auf den sich die Berichterstattung der New York Times bezieht,80 stellt Prof. Dr. Lucey folgende Fragen.
Frage Nr. 6: »Es ist wichtig, Fragen bezüglich einer potenziellen Laborquelle des Virus zu stellen, ob in Wuhan oder anderswo usw. Welche Art von ›Gain-of-Function‹-Experimente, falls durchgeführt, fanden mit Coronaviren in Laboren statt – in Wuhan oder anderswo in China oder in ausländischen Laboren in Zusammenarbeit mit weiteren Ländern einschließlich USA, Singapur, Australien, Frankreich, Niederlande