Kurfürstenklinik Paket 1 – Arztroman. Nina Kayser-Darius. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nina Kayser-Darius
Издательство: Bookwire
Серия: Kurfürstenklinik Paket
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740970673
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      Lukas zwang sich dazu, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren. Sein Freund Wolfgang Ostermann hatte recht gehabt mit dem, was er am vergangenen Abend gesagt hatte. Er konnte nicht erwarten, daß die ganze Welt zum Stillstand kam, weil Feli ihn verlassen hatte. Die Geschäfte mußten weiterlaufen, und Liebeskummer war kein Grund, seine Partner dauerhaft zu vergrätzen.

      Das sah er ein, und so arbeitete er nun also.

      Zu seiner Verblüffung hatte er recht bald festgestellt, daß ihm die Arbeit sogar half, denn sie lenkte ihn von seinem Kummer ab. Er dachte bereits daran, von jetzt an nur noch zu arbeiten, wenn es ihm dadurch gelang, nicht mehr über das nachzudenken, was Feli ihm geschrieben hatte.

      Das Telefon klingelte, und er meldete sich, wobei er darauf achtete, daß seine Stimme ruhig und gelassen klang und nicht, als sei er gerade im Begriff, auf eine Beerdigung zu gehen.

      »Wie geht’s dir?« fragte Wolfgang. »Hast du den gestrigen Abend gut überstanden?«

      »Danke, ja. Ich fühle mich ganz gut, es ist besser zu arbeiten als zu grübeln.«

      »Hab’ ich dir ja gleich gesagt.«

      »Und wie geht’s dir? Wir beide haben ganz schön viel getrunken gestern abend.«

      »Ich bin noch ziemlich durcheinander wegen der Zeitumstellung, aber den vielen Wein habe ich erstaunlich gut verkraftet. Ich wollte dir noch etwas sagen, Lukas, und ich habe mir das wirklich alles noch einmal gut durch den Kopf gehen lassen, was du mir gestern erzählt hast. Ich glaube das nicht. Ich glaube nicht, daß Feli doch nicht liebt, schließlich habe ich euch oft genug zusammen erlebt. Es muß etwas anderes dahinterstecken, und du solltest herausfinden, was.«

      »Und wie soll ich das anstellen? Mal angenommen, du hättest recht – ich wünschte wirklich, es wäre so, das kannst du mir glauben – mal angenommen also, du hättest recht: Wo soll ich denn anfangen, nach ihr zu suchen?«

      »Was ist mit ihrer Wohnung? Sie hat doch alles dagelassen, oder? Was ist mit ihren Konten? Ihren Versicherungen? War sie in letzter Zeit mal beim Arzt? Es gibt tausend Möglichkeiten, Erkundigungen einzuziehen, wenn ein Mensch verschwindet. Engagiere einen Detektiv, denn es ist sicher sehr zeitaufwendig, jemanden zu suchen, der nicht gefunden werden will – aber versuch es wenigstens.«

      »Mensch, Wolfgang«, rief Lukas aus, »du hast vielleicht Ideen!«

      »Ja, habe ich. Einer muß sie ja haben, wenn du so gelähmt vor Kummer bist, daß du offenbar gar keine mehr hast.«

      »Ich rufe sofort in einer Detektei an«, sagte Lukas und hatte schon aufgelegt, bevor sein Freund etwas erwidern konnte.

      *

      Julia Martensen hatte Adrian Winter mit einem wissenden Lächeln angesehen, als er ihr gesagt hatte, er werde seine Pause außerhalb verbringen. Kurz war er in Versuchung gewesen, ihr zu sagen, was er vorhatte, aber er hatte es dann doch lieber für sich behalten.

      Und nun stand er in einem der Fahrstühle des King’s Palace und ließ sich in den vierten Stock hinauffahren. Sein Herz klopfte viel schneller als sonst, aber das sah man ihm zum Glück nicht an. Und hören konnte es auch niemand außer ihm selbst.

      Der Fahrstuhl hielt, seine Füße versanken fast in dem dicken, weichen Teppichboden, und schon stand er vor der Tür von Zimmer 403. Noch ein letztes Mal holte er tief Luft, wischte seine feuchten Handflächen unauffällig an seiner Hose ab und klopfte.

      Leise Schritte waren von drinnen zu hören. Im nächsten Augenblick wurde geöffnet, und Stefanie Wagner stand vor ihm. »Bin ich froh, daß Sie da sind, Herr Dr. Winter«, sagte sie leise und gab ihm die Hand. Dann drehte sie sich um und kehrte ins Zimmer zurück.

      Er folgte ihr zu dem Bett, auf dem die Frau lag, die er untersuchen sollte. Sie rührte sich nicht, ihre Augen waren geschlossen, das Gesicht war abgewandt.

      »Sie schläft jetzt, glaube ich«, sagte Stefanie Wagner leise. »Ich weiß auch nicht, warum sie nicht wollte, daß ich einen Arzt rufe – so etwas Unvernünftiges! Wenn man krank ist, soll man sich helfen lassen.«

      »Ganz meine Meinung. Wie heißt sie?«

      »Felicitas Markwart. Sie ist erst gestern gekommen. Und da ist noch etwas Merkwürdiges. Sie hat gebeten, keinerlei Gespräche zu ihr durchzustellen. Oder, um es noch deutlicher zu sagen, sie wollte nicht, daß irgend jemand ihren Aufenthaltsort erfährt.«

      »Merkwürdig«, murmelte Adrian und ging um das Bett herum, um das Gesicht der Frau zu sehen. Als er sich über sie beugte, stutzte er. Zuerst glaubte er, sich getäuscht zu haben, aber als er vorsichtig eine Haarsträhne zurückstrich, die ihr über die Wange gefallen war, wußte er, daß es nicht so war.

      Unwillkürlich rief er aus: »Frau Willbrandt!«

      Erschrocken öffnete sie die Augen. Es dauerte einige Sekunden, bis sie ihn erkannte, dann seufzte sie und sagte resigniert: »Ausgerechnet Sie!«

      »Sie kennen sich?« fragte Stefanie höchst erstaunt. »Aber da muß ein Irrtum vorliegen, Herr Dr. Winter, dies ist Frau Markwart, nicht Frau Willbrandt!«

      »Schon gut, Frau Wagner«, sagte die junge Frau auf dem Bett mit müdem Lächeln. »Herr Dr. Winter kennt mich unter den Namen Willbrandt, und er hat allen Grund, nicht gut auf mich zu sprechen zu sein.«

      Ratlos sah Stefanie von ihr zu dem Arzt. »Ehrlich gesagt, ich verstehe überhaupt nicht, wovon die Rede ist.«

      »Kann ich es Ihnen später erklären?« bat Adrian. »Ich würde Frau… äh, Markwart gern untersuchen, und danach komme ich zu Ihnen, wenn es Ihnen recht ist.«

      Stefanie zögerte noch einen Augenblick, dann nickte sie. »Gut, bis später.«

      Als sie das Zimmer verlassen hatte, wandte sich Adrian der Patientin zu. »Also, wie heißen Sie nun wirklich?« fragte er.

      »Felicitas Markwart«, antwortete sie leise. »Der Aufenthalt in Ihrer Klinik war nicht geplant – ein Betriebsunfall, wenn Sie so wollen.«

      »Ich schlage vor, Frau Markwart, daß Sie mir jetzt die Wahrheit sagen – und zwar die volle Wahrheit, ohne irgendwelche Auslassungen. Ich bin Arzt und unterliege der Schweigepflicht. Wenn Sie also wollen, daß alles, was Sie mir sagen, unter uns bleibt, dann werde ich mit niemandem darüber reden. Aber wenn ich Ihnen helfen soll, muß ich wissen, was mit Ihnen los ist.«

      »Mir kann niemand helfen«, sagte sie still. Es lag soviel Verzweiflung in ihrer Stimme, daß es ihm einen Stich versetzte.

      »Wer weiß«, sagte er ruhig. Dann wartete er. Es dauerte nur einige Augenblicke, bis sie anfing zu sprechen.

      *

      Stefanie sah nervös auf die Uhr. Er war schon seit über einer halben Stunde bei Frau Markwart – was hatte das zu bedeuten? So lange dauerte doch eine Untersuchung eigentlich nicht? Sie konnte sich das alles nicht erklären. Auch daß die beiden sich bereits kannten, war merkwürdig. Allerdings hatte Dr. Winter Frau Markwart offenbar unter einem anderen Namen kennengelernt. War sie eine Hochstaplerin?

      Sie schüttelte unwillig den Kopf. Sie hatte sich etwas Schönes eingebrockt mit dieser Geschichte, denn jetzt saß sie hier und vernachlässigte wichtige Arbeiten, weil sie insgeheim auf Dr. Winter wartete. Auf nichts konnte sie sich richtig konzentrieren, weil ihre Gedanken ständig zum Zimmer 403 wanderten.

      Sie hörte eine Sirene und sah unwillkürlich aus dem Fenster. Zu ihrem größten Erstaunen hielt ein Rettungswagen direkt vor dem Hotel, und jetzt sah sie zwei Sanitäter mit einer Trage auf den Eingang zulaufen. Was hatte das nun wieder zu bedeuten? Ließ Dr. Winter Frau Markwart ins Krankenhaus bringen? Und wenn es so war, warum teilte er ihr das nicht mit?

      Vielleicht stand es so schlimm um die Frau, daß er völlig vergessen hatte, sich noch einmal bei ihr zu melden.

      Doch noch während sie darüber nachdachte, klopfte es kurz und energisch an ihre Tür, und bevor sie etwas gesagt hatte, tauchte der Kopf von Dr. Winter auf. Er sagte: »Ich habe Sie nicht vergessen, Frau Wagner, aber das mit Frau Markwart