Oder: Die Menschen hören auf zu glauben, weil sie schlechte Erfahrungen mit religiösen Institutionen gemacht haben.
Das habe ich auch.
Na und?
Die Quantenphysik untergräbt die Ansprüche Jesu nicht. Die Evolution auch nicht. Unbeweisbare alttestamentliche Wunder bringen unser Haus nicht zum Einsturz.
Übrigens, wenn Sie etwas in den vorherigen Abschnitten zusammenzucken ließ, kann ich Ihnen gar nicht sagen, wie glücklich ich bin, dass Sie dieses Buch lesen. Lesen Sie weiter, dann werden Sie eine bessere, robustere Version Ihres Glaubens kennenlernen.
In all meinen Dienstjahren hatte ich nur ein einziges Gespräch mit einem Ungläubigen – einem jüdischen Freund von mir –, der einen Einwand gegen das Christentum hatte, der tatsächlich etwas mit den Ansprüchen Jesu zu tun hatte. „Andy“, sagte er, „ich glaube einfach nicht, dass jemand für die Sünden eines anderen bezahlen kann. Ich glaube, jeder von uns ist für seine eigenen Sünden verantwortlich.“ Ich lächelte und sagte: „Na, dann herzlichen Glückwunsch, du stehst gerade an der Schwelle. Genau darum geht es.“
DER WEG ZUM ZIEL
Der Weg zum Ziel ist nicht kompliziert, auch wenn er für manche kontrovers sein mag. Irgendwie war er das nicht, von Anfang an nicht. Er ist in den Evangelien und in den Paulusbriefen für alle sichtbar versteckt. Wir wissen, dass er funktioniert, weil er bereits funktioniert hat. Vor langer Zeit erregten die Mitglieder eines jüdischen Kults, der sich Der Weg nannte, gegen alle Widerstände die Aufmerksamkeit der heidnischen Welt und konnten letztendlich auch viele mit dem „Weg“ vertraut machen, sowohl innerhalb als auch außerhalb des Römischen Reiches. Vielleicht müssen wir also bei vielem, was wir heute tun – was ohnehin nicht so gut funktioniert –, mal auf Pause drücken und bei den Männern und Frauen in die Lehre gehen, die die Welt auf den Kopf gestellt haben.
Was wussten die Christen des ersten Jahrhunderts, was wir nicht wissen?
Was machte ihren Glauben so überzeugend, unverwüstlich und schließlich für unzählige Menschen so unwiderstehlich?
Wie konnte ein religiöser Kult, der in einem Winkel des Römischen Reiches entstanden ist und dessen Anführer von seinem eigenen Volk abgelehnt und von den politischen Machthabern als Möchtegern-König gekreuzigt wurde, trotz des überwältigenden Widerstands überleben? Wie kommt es nur, dass gerade diese plötzlich aufgetauchte Religion schließlich von genau dem Reich angenommen wird, das versucht hat, sie auszulöschen?
Ich bin nicht der Erste, der diese Fragen stellt. Bibelwissenschaftler und Historiker denken seit Generationen über diese Geheimnisse nach. Die meisten davon sind zum selben Ergebnis gekommen. Die britische Autorin Karen Armstrong fasst es so zusammen:
„Aber gegen alle Wahrscheinlichkeiten war das Christentum bis zum 3. Jahrhundert zu einer Kraft geworden, mit der man rechnen musste. Wir wissen bis heute nicht wirklich, wie das zustande kam.“1
Historisch gesehen hat sie recht. Es ist praktisch unmöglich zu erklären. Anthropologen, Historiker und sogar Tagungen kritischer Archäologen sind zu dem gleichen Schluss gekommen: Im ersten Jahrhundert ist etwas geschehen, das dazu führte, dass sich das Christentum wie eine durch Luft übertragbare Krankheit ausbreitete. Der Glaube dieser Gläubigen des ersten und zweiten Jahrhunderts hatte etwas an sich, das ihn attraktiv, überzeugend und für unzählige Menschen unwiderstehlich machte.
Wie bei Ärzten, die eine Krankheit diagnostizieren, besteht die Aufgabe von Wissenschaftlern und Historikern darin, nach natürlichen Ursachen zu suchen. Wir suchen nach rationalen Erklärungen, warum etwas so geschehen ist, wie es geschah. Wenn es also um den scheinbar unerklärlichen kometenhaften Aufstieg der Kirche geht, bin ich davon überzeugt, dass wir die Erklärung derjenigen akzeptieren sollten, die den tatsächlichen Ereignissen am nächsten sind. Die Zeugenaussagen von Petrus, Lukas, Jakobus, Paulus und anderen geben ausführliche Erklärungen dafür ab, warum die Jesus-Bewegung nicht nur das erste Jahrhundert überlebt hat, sondern am Ende gerade auch die politische und religiöse Maschinerie überwunden hat, die darauf abzielte, sie zu zerstören.
Im Spannungsfeld zwischen dem jüdischen Tempel und dem Römischen Reich hätte die Jesus-Bewegung direkt neben ihrem Gründer begraben werden müssen. Doch das wurde sie nicht. Genau jetzt, in diesem Moment, besuchen Christen aus aller Welt die Ruinen des Forum Romanum, während zweieinhalbtausend Kilometer entfernt andere Touristen ihre Erinnerungsfotos vom Tempelberg schießen. Rom ist mit Kreuzen geschmückt. Jerusalem ist voll von christlichen Touristen.
Rom und Jerusalem sind durch die Kirche wie siamesische Zwillinge verbunden. Vor zweitausend Jahren war das Kreuz ein ebenso häufiges wie brutales Hinrichtungsgerät. Ein Symbol für die Macht des Römischen Reiches. Heute ist es ein Symbol für die Macht Gottes.
Wie ist das geschehen?
Was können wir daraus lernen?
Und vor allem, könnte so etwas wieder geschehen?
Ich glaube, schon.
NEU, KEIN UPDATE!
Jesus betrat die Bühne der Geschichte, um etwas Neues vorzustellen.
Er kam nicht nach Jerusalem, um eine neue Version von etwas Altem oder ein Update von etwas bereits Bestehendem anzubieten. Er kam nicht, um etwas besser zu machen. Jesus wurde vom Vater gesandt, um etwas völlig Neues vorzustellen. Menschen versammelten sich zu Tausenden, um das zu hören. Um zu sehen. Um zu erfahren. Lesen Sie das Markusevangelium und streichen Sie das Wort Volk an. In praktisch jedem Kapitel gibt es eine Menschenmenge.
Aber es war nicht einfach nur seine neue Botschaft, mit der Jesus Menschen in Bewegung brachte. Es war Jesus selbst. Menschen, die überhaupt nicht wie er waren, mochten ihn. Und Jesus mochte Menschen, die überhaupt nicht wie er waren. Jesus lud ungläubige, sich schlecht benehmende, Unruhe stiftende Männer und Frauen ein, ihm nachzufolgen und etwas Neues anzunehmen – und sie nahmen seine Einladung an.
Als Nachfolger Jesu sollte man uns als Menschen kennen, die Menschen mögen, die nicht wie wir sind. Wenn wir ungläubige, sich schlecht benehmende Unruhestifter einladen, sich uns anzuschließen, sollten sie daran interessiert – wenn nicht sogar dazu geneigt – sein, unsere Einladung anzunehmen.
„Pastor Stanley, warum geht in Amerika nicht jeder in die Kirche?“
DIE WIDERSTÄNDLER
In den Evangelien finden wir zwei Gruppen, die Jesus als Bedrohung sahen – die Selbstgerechten und diejenigen, deren politisches und finanzielles Wohlergehen durch den zerbrechlichen Frieden zwischen Tempel* und Römerreich gesichert wurde.
In den meisten Fällen zielten die Kritiker Jesu nicht auf seinen Charakter ab. Niemand beschuldigte ihn, unmoralisch, unehrlich oder grausam zu sein. Nein, die meisten fühlten sich von seiner Lehre und seiner Popularität bedroht. Religiöse Führer rund um Jerusalem waren eifersüchtig auf die Gunst, die er beim Volk fand. Wenn man die Abschriften seiner Gerichtsverhandlungen liest, kommt man nicht umhin, Pilatus zuzustimmen, als er den Anklägern Jesu verkündigte:
„Ich sehe keinen Grund, diesen Mann zu verurteilen! Er ist unschuldig.“2
Er sah keinen Grund, weil da keiner war.
Pilatus wusste, warum die Anführer aus dem Tempel darauf bestanden, dass Jesus gekreuzigt wird. Es hatte nichts mit ihrem Gesetz oder ihrer exklusiven Religion zu tun. Sie wollten einfach nur Jesus aus „Eigeninteresse“ loswerden.3
Der entscheidende Punkt für die Gegner von Jesus war kein Skandal. Es war ein Wunder. Ein außergewöhnlicher Akt voller Mitgefühl. Jesus hatte einen bekannten Bürger der Stadt von den Toten auferweckt. Als die Nachricht dieses Wunders in Umlauf kam, beriefen die Hohepriester und Pharisäer eine Sitzung des Sanhedrins ein. Das mag für uns nicht viel bedeuten, aber im Judäa des ersten Jahrhunderts war es ungewöhnlich.
Diese