Das Wechselspiel von Köln. Franziska Franke. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Franziska Franke
Издательство: Bookwire
Серия: Krimi
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958132283
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Auftrag zu erklären.

      Nachdem wir das Haupttor des Lagers durchschritten hatten, kam uns ein Bauer entgegen, der einen mit zwei Körben beladenen Esel vor sich hertrieb. Offenbar war sein Ziel das Legionslager und ich ärgerte mich, dass mein Landgut der Armee zwar Getreide und Gemüse lieferte, aber man meinen Wein verschmähte. Dabei war er mein ganzer Stolz. Immerhin war ich früher Weinhändler gewesen und verstand etwas von der Materie. Wahrscheinlich war er den knauserigen Militärbeamten schlicht zu teuer.

      Verstimmt wie ich war, gelang es mir nicht einmal, die wärmenden Strahlen der Sonne zu genießen, die sich durch die Wolkendecke gekämpft hatten. Auch für die grandiose Aussicht auf Mogontiacum und den Rhein, der als breites, silbrig glänzendes Band die Siedlung begrenzte, war ich unempfänglich. Auf dem anderen Ufer zogen dichte Wälder die Hänge hoch, hinter denen die Barbaren wohnten.

      Als wir den Hauptplatz der Zivilsiedlung erreichten, blieb ich verblüfft stehen: Zwei der Händler verjagten schimpfend einen Straßenköter, der versucht hatte, eine der im Eingang eines Metzgergeschäftes hängenden geräucherten Würste zu ergattern, nebenan gackerten mindestens zehn Hühner in geflochtenen Transportkörben und gegenüber pries ein Bäcker seine Ware an. Aber diese Geräusche wurden noch übertönt vom ohrenbetäubenden Hämmern eines Kupferschmieds, der wegen des schönen Wetters sein Gewerbe im Freien ausübte. In der ländlichen Abgeschiedenheit war mir schon fast entfallen, wie viel Trubel an einem ganz gewöhnlichen Tag auf dem Forum herrschte.

      »Sei gegrüßt, Marcus! Dich habe ich ja seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen!«, begrüßte mich der Barbier, als ich dessen Laden unter den Kolonnaden des Forums betrat. Seit unserer letzten Begegnung war Tiberius noch fetter geworden. »Kein Wunder, dass dein Haar so ungepflegt ist! Du brauchst dringend einen neuen Haarschnitt!«

      Das war eine unverfrorene Lüge, denn ich besaß einen als Barbier ausgebildeten Sklaven, der sich meiner Frisur annahm. Leider würde Cicero seinen Auftrag nicht ausführen können, da ich der einzige Kunde war. Enttäuscht ließ ich mich auf den Barbierstuhl fallen. Der Lärm des Forums drang durch die offene Tür. Topfgeklapper und Gelächter mischten sich mit dem Jauchzen spielender Kinder, aber glücklicherweise hatte der Kupferschmied eine Pause eingelegt.

      »Nur Haare schneiden, bitte!«, instruierte ich Tiberius, denn bei meiner letzten Rasur hatte er mich in die Wange geschnitten.

      »Wie geht es eigentlich deinem Bruder?«

      Die massige Gestalt des Barbiers schob sich mit der Grazie eines tänzelnden Nilpferds durch den engen Raum. Dabei bedachte er Cicero, dessen Haar kurzgeschoren war, mit einem finsteren Seitenblick.

      »Schlechten Leuten geht es immer gut«, brummte ich, noch immer über den Schuldschein erbost, mit dem der Legat mich erpresst hatte. »Er hat sich mit Cornelia, einer Freigelassenen seines ehemaligen Patrons, verlobt.«

      »Wenn das mal gut geht«, meinte der Barbier, während er seine Schere zückte. Dann begann er, meine ohnehin schon recht kurzen Haare noch kürzer zu stutzen. »Schließlich war Cornelia früher die Braut des Jucundus und zu allem Überfluss ist Lucius bei der Armee. Kann er denn überhaupt eine Frau ernähren?«

      »Wem sagst du das!«, seufzte ich und unterbrach damit Tiberius, der noch immer über die Verbindung zwischen meinem Bruder und Cornelia sinnierte. »Hast du schon gehört, dass der Bankier Probus Marcellus gestorben ist?«

      »Nein! Das ist ja schrecklich!«

      Fast hätte der Barbier mich vor Überraschung ins Ohr geschnitten.

      »Damit musste man rechnen. Er war schließlich nicht mehr der Jüngste«, erklärte ich aufs Geratewohl.

      Der Barbier starrte mich entgeistert an, fuchtelte aber weiterhin mit der Schere vor meiner Nase herum.

      »Ich glaube, du verwechselst ihn mit jemand anderem«, meinte Tiberius dann in besserwisserischem Tonfall. »Probus Marcellus war höchstens Mitte dreißig.«

      Ich hatte auf ein höheres Lebensalter gehofft. Nun konnte ich unmöglich dem Lagerkommandanten gegenüber behaupten, der Bankier sei an Altersschwäche gestorben!

      »War es ein Unfall?«, fragte Tiberius mit unverhohlener Sensationsgier.

      »Nein, es war ein heftiges Fieber. Selbst der Arzt wusste nicht, wie die Krankheit hieß.«

      Der Barbier trat einen Schritt zurück und begutachtete meine Frisur mit kritischer Miene.

      »Ich habe den Eindruck, du ziehst das Unglück geradezu an. Jedes Mal, wenn ich mit dir rede, gab es einen Todesfall in deiner näheren Umgebung.«

      Fast wäre ich aufgesprungen und hätte den Barbier in seine Schranken gewiesen, aber ich beherrschte mich, denn ich würde ihn sicherlich auch in Zukunft als Informationsquelle benötigen. Also atmete ich tief durch, bevor ich fortfuhr.

      »Der Bankier ist nicht in Mogontiacum gestorben, sondern in …«

      Ich blickte mich fragend nach Cicero um, der auf der Wartebank Platz genommen hatte.

      »Colonia Claudia Ara Agrippinensium«, half er mir aus und seine Haltung straffte sich. Scherzhaft erwog ich, Cicero in Zukunft als meinen Nomenclator vorzustellen.

      »Das ist natürlich etwas anderes«, gab Tiberius nachdenklich zu.

      Im sonnigen Süden übten die Geldwechsler ihr Gewerbe im Freien aus. Ich hatte jedoch in der Zwischenzeit erfahren, dass Probus Marcellus eine Art Laden besaß, wusste aber nicht, wo sich dieser befand.

      »Sein Geschäft ist doch auf der anderen Seite des Forums?«, fragte ich so beiläufig wie möglich.

      Wieder kam die Schere einem meiner Ohren bedrohlich nah.

      »Nein! Es ist die Wechselstube hinter der nächsten Säule.«

      »Das meinte ich, ich habe mich nur versprochen«, murmelte ich in gespielter Zerstreutheit vor mich hin.

      »Und wann findet die Beisetzung statt?«, wollte der Barbier wissen, der oft an fremden Totenfeiern teilnahm, um den neuesten Klatsch zu erfahren.

      »Man hat ihn an Ort und Stelle verbrannt.«

      Um nicht wieder auf Ciceros Hilfe angewiesen zu sein, hatte ich die komplizierte Ortsangabe vermieden.

      »Das ist aber seltsam. In heißen Ländern mag das nötig sein, aber doch nicht in Germanien und schon gar nicht im Frühling«, kommentierte Tiberius nachdenklich und schnippelte noch etwas an meinem Haar herum. »Andererseits bei einem Seuchenopfer …«

      »Kennst du eigentlich die Witwe?«, unterbrach ich den Barbier, denn ich wollte lieber nicht über eine Epidemie nachdenken, die im Hause des Decurios grassierte.

      »Julia Marcella? Nur flüchtig. Sie ist eine eingebildete Person, die nicht mit mir redet!«, bemerkte Tiberius, der eine berufsbedingte Abneigung gegen schweigsame Zeitgenossen hatte. »Sie hat übrigens eine jüngere Schwester namens Pina, die Julia Marcellus bisher noch nicht verheiraten konnte. Seit einer Zeit macht ihr ein Tribunus Augusticlavius der 22. Legion den Hof, aber sie hat ihn noch nicht erhört. Ich glaube, er heißt Quinctilius Rufinus.« Der Barbier stapelte tief. Wie immer war er ausgezeichnet informiert. »Die junge Dame ist wohl etwas wählerisch. Aber sie ist bildhübsch und eine schlechte Partie ist sie sicher auch nicht. Vielleicht wäre sie etwas für dich?«

      Ich fragte mich, ob das ein Witz sein sollte, aber Tiberius wirkte nicht so, als ob er scherzte. Ob sich der Barbier neuerdings ein Zubrot mit Eheanbahnungen verdiente?

      »Ich dachte, als Gutsbesitzer willst du doch sicherlich endlich eine Familie gründen«, fügte er ungerührt hinzu.

      »Es reicht!«, fuhr ich Tiberius an, bereute aber im gleichen Augenblick meine harsche Reaktion. »Die Haare sind wirklich kurz genug! Du kannst aufhören!«, versuchte ich die Situation zu retten und erhob mich vom Barbierstuhl.

      Da ich meine Zeit und mein Geld mit einem unnötigen Haarschnitt verschwendet hatte, gab ich Tiberius nur ein dürftiges Trinkgeld. Dann schlenderte ich zum benachbarten Ladengeschäft, zog die massive Eichentür auf und