»Quatsch. Alfredo, der Gauner, hat mich beschwatzt. Für solche Dinge ist eine Frau empfänglich, das weißt du doch. Aber es ist vorbei. Der Kerl sitzt, und es geschieht ihm recht. Er hat nicht nur Unterschlagungen begangen, sondern auch Betrug in großem Stil. Übrigens heißt er Alfred Jablonka, ist gebürtiger Pole und kommt aus Deutschland. Das habe ich zuvor auch nicht gewußt.«
»Weißt du, welcher Art seine Geschäfte waren?« erkundigte sich Mike interessiert. Er dachte sofort an Anna, die vermutlich unschuldig im Gefängnis saß.
»Immobilien, glaube ich. Damit läßt sich viel Geld machen. Doch wir sollten den blöden Kerl vergessen. Reden wir lieber über uns. Ich liebe dich, Mike.«
»Er hat alle Schandtaten auf seine Partnerin abgewälzt, aber das ergaunerte Geld kassiert. Ein mieser Typ, und auf den fällst du rein!« Mike verdrehte die Augen. Es war ja anzunehmen, daß Annas Prozeß neu aufgerollt wurde, nachdem man Alfred geschnappt hatte. Diesmal kam Anna sicher besser weg.
»Hast du nicht gehört, was ich gesagt habe?« reklamierte Maurena. »Ich liebe dich!«
Mike war inzwischen bis ans Fenster zurückgewichen, weil die rothaarige Frau ständig näher kam. Er wollte die Berührung mit ihr vermeiden. »Diese Aussage ist für mich nicht glaubwürdig. Außerdem kommt sie zu spät. Ich habe mich bereits entschieden, Maurena. Es wird keine Hochzeit geben. Meine Angehörigen werde ich kurz informieren, damit sie nicht vergeblich anreisen. Die geladenen Gäste werden wir ebenfalls benachrichtigen. Die Kosten, die dadurch entstehen und die bereits durch die Vorbereitungen angefallen sind, übernehme ich.«
»Du redest, als wäre die Sache längst entschieden. Aber dabei habe ich auch ein Wörtchen mitzureden. Du hast mir die Ehe versprochen, und ich bestehe darauf, daß du dein Wort einlöst.«
»Dann hättest du dich nicht mit deinem Liebhaber treffen dürfen. Dieses Vorgehen macht jede Absprache hinfällig. Dein Verhältnis zu Alfredo ist hier in Marbella ein offenes Geheimnis. Es hat also keinen Sinn, daß du es leugnest.« Es war Mike bewußt, daß er Glück gehabt hatte, daß er noch vor der Hochzeit davon erfuhr. Eigentlich war es Anna gewesen, die den Stein ins Rollen brachte, als sie ihm am Flughafen die kleine Emely übergab. So gesehen mußte er Anna dankbar sein.
»Hast du noch nie einen Fehler gemacht?« Maurena trat zu Mike und legte schmeichelnd die Arme um seinen Hals. »Verzeih mir.«
Er spürte durch den hauchdünnen Stoff die Wärme ihres Körpers. Ein berauschender Rosenduft stieg ihm in die Nase. An seinen Wangen fühlte er Maurenas streichelnde Hände. Ihr Gesicht kam näher, ihre Lippen berührten seinen Mund. Warm, weich und anschmiegsam waren sie und doch erwiderte Mike diesen Kuß nicht.
So leicht ihn Maurena früher in Erregung versetzen konnte, nun blieb er ruhig und distanziert. Er empfand nichts mehr für sie. Das lodernde Feuer seiner Liebe war erloschen. Zurück blieb Asche, in der sich kein Fünkchen Glut mehr befand.
»Es bleibt alles, wie es war«, raunte Maurena mit dunkler, verführerischer Stimme. »Du brauchst nicht nach Deutschland telefonieren. Auch das Essen werden wir nicht abbestellen. Wir heiraten wie geplant. Du wirst es nicht bereuen, Mike.«
»Davon bin ich nicht überzeugt. Denn das alles sagst du nur, weil du im Moment keine andere Möglichkeit siehst. Ohne zu zögern hättest du deiner Mutter und mir die unangenehme Pflicht überlassen die Hochzeit abzublasen. Nun, da du nicht nach Südamerika fliegst, sondern hierbleibst, ist dir die Sache peinlich. Lieber eine Scheidung als eine geplatzte Hochzeit, zumal die Chose im ersten Fall für dich lukrativer wird.« Sanft schob Mike die schlanke Frau von sich.
»Denkst du immer nur in Zahlen? Hast du keine Gefühle?« warf ihm Maurena vor, die sich über die mißlungene Anbiederung ärgerte.
Mike fühlte sich getroffen und atmete schwer. »Du weißt genau, was ich für dich empfunden habe. Aber es war dir nie genug, und es würde dir auch in Zukunft nicht genügen. Da braucht nur ein verlogener Schwätzer zu kommen und dir schöne Augen zu machen und schon kannst du mich nicht mehr brauchen. Nein, Maurena, in dieser Gewißheit möchte ich nicht leben.«
»Du weiß ja nicht, auf was du verzichtest. Eine Frau wie mich findest du nicht wieder«, drohte Maurena beleidigt.
»Mag sein. Aber das Risiko gehe ich ein.«
»Dreckskerl, ich hasse dich!« zischte sie feindselig.
Es überraschte Mike nicht. »Hast du nicht eben das Gegenteil behauptet?« fragte er leise.
»Du kommst dir wohl besonders schlau vor. An meine Mutter, die mit deiner finanziellen Unterstützung gerechnet hat, denkst du wohl gar nicht.«
»Deine Mutter bekommt die ausgeschriebene Belohnung. Das ist eine schöne Summe, die reichen wird für einen neuen Anfang.«
»Wir müssen Schloß Derceville und unser Haus in Paris abgeben.«
»Das wäre ohnehin nicht zu vermeiden gewesen, denn beide Anwesen sind in der Unterhaltung viel zu teuer.« Mike blieb sachlich. Er wußte, daß Elèn mit seinem Geld gerechnet hatte. Doch vorerst gehörten die Cramer-Werke seinem Vater. Er selbst bekam ein recht gut bemessenes Jahresgehalt, das nie gereicht hätte, um die Schulden der Familie de Derceville zu bezahlen.
»Und was aus mir wird, interessiert dich wohl überhaupt nicht.« Maurena wirkte wie eine Katze auf dem Sprung, bereit, ihrem Gegenüber die Augen auszukratzen.
Das war nicht der Grund, weshalb sich Mike vorsichtig äußerte. Er wollte die Beziehung in gutem Einvernehmen lösen. Sich Feinde zu schaffen, lag ihm nicht. »Du bist so hübsch, Maurena, daß du sicher rasch einen anderen findest, der genug Geld hat, deine Wünsche zu erfüllen.«
»Worauf du dich verlassen kannst«, zischte die spärlich bekleidete Frau und sah Mike dabei verächtlich an. »Weshalb bin ich überhaupt noch hier? Du bist es nicht wert, daß ich mich auch nur eine Sekunde länger mit dir befasse. Für mich bist du abgeschrieben, Mike Cramer. Und wenn ich von Anfang an gewußt hätte, daß dich dein Oldie gar nicht an die Moneten läßt, wäre das mit uns ohnehin nichts geworden. Eigentlich muß ich froh sein, daß ich das noch rechtzeitg entdeckt habe.«
Maurena verließ das Gästezimmer und schlug die Tür hinter sich zu, daß der Knall durch das nächtlich stille Schloß schallte.
*
Noch bevor Katja zum Frühstück ging, rief sie die Nummer an, unter der Mike zu erreichen war. Bisher nahm Katja an, daß er in einer Pension wohnte, deren Besitzer die Familie de Derceville war. Mike hatte mit ihr nicht darüber gesprochen.
Wie schon am Morgen zuvor verlangte Katja Herrn Cramer. Dieselbe Stimme wie gestern antwortete ihr, nur sehr unfreundlich.
»Was wollen Sie von ihm?« fragte Maurena mißgestimmt. Es hätte ihr gleich sein können, doch sie gehört zu den Menschen, die ihren eigenen Ärger gern an andere weitergaben.
»Es geht um die kleine Emely«, antwortete Katja wahrheitsgemäß. Sie fand es unangebracht, daß sie nach ihrem Begehren gefragt wurde, doch sie nahm es hin. Im nächsten Moment horchte sie auf.
»Die Sache mit dem Kind hat ein Ende, ist das klar?«
»Wieso? Würden Sie bitte das Gespräch zu Herrn Cramer durchstellen?«
»Nein, das werde ich nicht. Es ist Ihnen wohl nicht klar, mit wem Sie reden. Ich bin Mike Cramers künftige Ehefrau. In einer Woche werden wir in der Kathedrale von Sevilla getraut. Da gibt es für Mike anderes zu tun, als sich mit einem Findelkind zu befassen.«
Katja lauschte verblüfft. »Davon wußte ich nichts«, versicherte sie rasch. Es war ihr so vorgekommen, als habe Mike ein Interesse an ihr. Doch wenn er in den nächsten Tagen heiratete, konnte das ja gar nicht sein. Hatte sie sich so sehr getäuscht?
»Deshalb unterrichte ich Sie jetzt auch davon. Und ich wünsche nicht, daß Sie sich nochmals mit meinem Mann in Verbindung setzen, auch nicht wegen dieses