Mami Staffel 9 – Familienroman. Stephanie von Deyen. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Stephanie von Deyen
Издательство: Bookwire
Серия: Mami Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740946593
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      Mike schüttelte den Kopf. »Das ist sie nicht. Im Gegenteil. Anna ist selbstlos. Sie liebt ihr Kind so innig, wie das jede gute Mutter tut. Gerade deshalb denkt sie nur an Emelys Wohl, nicht an das eigene. Sie glaubt, daß sie die sechzehn Jahre Haft nicht überleben wird, und deshalb will sie ihre Kleine versorgt wissen. Der Verzicht fällt ihr unheimlich schwer, und wahrscheinlich wird der Trennungsschmerz die Ursache für die zunehmende körperliche Schwäche sein. Übrigens halte ich diese Frau für unschuldig.« Bekümmert seufzte Mike, denn was ihm Anna erzählte, belastete ihn sehr.

      »Ein Justizirrtum?«

      »Nicht direkt. Mehr ein Urteil, das sich auf Indizien stützt. Aber die sind vermutlich gefälscht, was allerdings nicht zu beweisen ist.«

      »Das müssen Sie mir erzählen«, bat Katja interessiert. »Im Club gibt es eine gemütliche kleine Bar. Vielleicht können wir dort noch etwas zusammensitzen.«

      »Mit Vergnügen. Ich hätte nie den Mut gehabt, Sie darum zu bitten.«

      »Und warum nicht?« fragte Katja herausfordernd.

      »Weil sie schon zuviel für mich tun. Sie kümmern sich um Emely, um ein Heim und, und…«

      »Es macht mir Spaß«, verriet Katja strahlend.

      Mike fand, daß sie bezaubernd aussah, und nicht nur das, sie war es auch von ihrem Wesen her. Mit Katja konnte er über alles reden, sie verstand ihn. Nur von Maurena hatte er ihr noch nicht erzählt. Der Grund dafür lag darin, daß er befürchtete, daß sich Katja sofort zurückzog, wenn sie erfuhr, daß er eine andere heiraten wollte. Katja gehörte nicht zu den Frauen, die anderen skrupellos den Mann oder Freund wegnahmen.

      Morgen würde er alles klären, und dann konnte er Katja mit gutem Gewissen sagen, daß er sich in sie verliebt hatte. Mike empfand eine tiefe Freude bei diesem Gedanken. War es nicht wunderbar, daß er durch Zufall die richtige Frau gefunden hatte? Die Frau, die zu ihm paßte, die so goldrichtig war wie keine andere.

      Sie saßen noch lange zusammen an diesem Abend. Die Bar hatte einen Sternenhimmel mit vielen kleinen Lichtern, die aber den Raum trotzdem nur mäßig erhellten. Für romantische Stimmung sorgten Kerzen auf den einzelnen Tischen und leise Musik. Katja und Mike unterhielten sich gut, sahen sich dabei immer wieder in die Augen und lachten sich an. Längst war der berühmte Funke übergesprungen, der ihre Gefühle anwachsen ließ und die prickelnde Spannung zwischen ihnen auf den Höhepunkt trieb.

      Sie brauchten es nicht auszusprechen, sie wußten es beide: das Glück, ihr gemeinsames Glück, hatte begonnen.

      *

      Bei seiner Rückkehr auf Schloß Derceville war Mike davon überzeugt, daß dies die letzte Nacht war, die er in dem schweinchenrosa Bau verbringen würde.

      Seine Gedanken weilten noch bei Katja. Mit einem festen Händedruck hatten sie sich nach dem Barbesuch betrennt. Mike hätte die hübsche Katja gern in seine Arme genommen und zärtlich geküßt. doch er wollte zuerst frei sein, um ehrlich und aufrichtig um Katja zu werben.

      Es fiel Mike in seiner Zerstreutheit nicht auf, daß alle Fenster dunkel waren, obwohl sonst oft bis in die frühen Morgenstunden das Licht brannte.

      Er erschrak ein wenig, als sich plötzlich das Portal öffnete und der alte Rosario ihm entgegenhumpelte. »Monsieur Mike, ich bin in großer Sorge. Mon Dieu, es ist etwas sehr Schlimmes passiert.«

      »Ein Unfall?« vermutete Mike beunruhigt.

      »Nicht direkt. Aber man könnte es so nennen. Ich bin noch völlig durcheinander. Mein Herz hält das nicht mehr aus, diese Aufregungen.«

      »Kommen Sie, Rosario. Wir gehen hinein, und Sie erzählen mir in aller Ruhe, was vorgefallen ist.«

      Mike legte den Arm um die schmal gewordenen Schultern des Alten und führte ihn in die Halle. Dort drückte er ihn in einen Stuhl mit zwei reich verzierten Seitenlehnen, typisch für diese Gegend.

      Der Alte holte tief Luft wie vor einer schweren Anstrengung.

      »Es war wie gestern. Mademoiselle Maurena trug mir auf, im Keller aufzuräumen. Nötig ist es ja, aber es fällt mir so schwer die Kisten mit Büchern und Geschirr zu stapeln und die Kohlen, die nicht mehr gebraucht werden, in Säcke zu schaufeln.« Rosario legte ächzend die Hand an die linke Brustseite. »Das Herz, Monsieur. Madame sollte Besorgungen machen. Sie verließ auch das Haus, aber sie ging wohl nicht weit. Jedenfalls war sie gleich da, als die Polizei…«

      »Die Polizei?« wiederholte Mike verwundert.

      Der Alte nickte mehrmals. »Nun bin ich so alt und muß so etwas noch erleben, diese Schande. Der selige Monsieur wird sich im Grab umdrehen.« Rosarios Stimme wurde immer leiser.

      Mike mußte sich bücken, um den alten Diener zu verstehen.

      »Mademoiselle Maurena kam mit einem kleinen Koffer. Sie hatte sich angezogen, als wolle sie eine längere Reise machen. Kostüm und Mantel und Schmuck. Sehr viel Schmuck. Ich hab’s gesehen, weil ich eine Bürste holen wollte. Da waren nämlich alte Schuhe im Keller, und ich mußte doch feststel

      len, ob sie noch zu gebrauchen sind. Maurena hat mir dann gedroht, ich dürfe niemand etwas sagen. Hab’ ich ja auch nicht. Aber jetzt…«

      »Was geschah weiter?« fragte Mike, dem das alles zu lang ging. Vielleicht brauchte Maurena Hilfe, vielleicht war jede Minute kostbar. Mike dachte an eine Entführung, an einen Überfall oder einen dreisten Raub.

      »Sie hat lange in der Halle gewartet. Dann kam ein Auto. Dasselbe wie gestern. Ich habe das durchs Kellerfenster gesehen. Nicht, daß ich neugierig wäre. Aber wenn man so lange Jahre für eine Familie arbeitet, interessiert man sich doch für sie.«

      »Und?«

      »Alfredo stieg aus. Er kam schon früher hierher. Ich mochte ihn nie, weil er mal eine kostbare Schale zerbrochen hat und hinterher behauptete, ich sei’s gewesen. Was Maurena an dem findet, war mir nie klar. Ein unangenehmer Mensch.« Rosario schüttelte sich angewidert.

      »Hat er Maurena abgeholt?« fragte Mike, der inzwischen ahnte, daß dieser Alfredo, der Mann war, den Maurena ihm, Mike, vorzog.

      »Sie stieg zu ihm ins Auto. Das Köfferchen legte sie auf den Rücksitz.« Rosario verschwieg, daß sich die beiden zuvor noch erstaunlich lange küßten. Bei dieser Beobachtung hatte der Alte den Eindruck, in seiner Jugend allerhand versäumt zu haben. »Sie fuhren bis zur Straße, doch noch bevor sie die Ausfahrt erreichten, stellte sich ein Polizeiauto quer vors Tor. Da war keine Flucht möglich. Rückwärsts raste Alfredo wieder durch den Park. Er nahm sich nicht die Zeit zum Wenden. Maurena hatte ihn vermutlich auf den hinteren Ausgang aufmerksam gemacht. Aber die Polizei hat gründlich gearbeitet. Auch dort war die Ausfahrt verstellt. Diesmal vorwärts zurück zum Haus. Vielleicht wollten sich die beiden in Schloß Derceville verbarrikadieren«, Rosario wischte sich über die kleinen Greisenaugen. »Ich stand immer noch am Kellerfenster. Vielleicht hätte ich ihnen die Tür öffnen sollen. Aber ich konnte nicht. Vor Schreck und Angst war ich wie gelähmt.«

      »Das war ja wie in einem schlechten Krimi«, seufzte Mike, der sich das alles nicht vorstellen konnte.

      »Schlimmer, viel schlimmer«, bestätigte der Alte, für den dieses Erlebnis eine Aufregung bedeutete, die er kaum durchstehen konnte. »Ich zittere jetzt noch, und meine Beine versagen den Dienst. Gut, daß ich sitze. Obwohl Madame sagen würde, daß mir das nicht zukommt. Sie werden es ihr nicht erzählen, Monsieur Mike, nicht wahr?«

      »Bestimmt nicht«, versicherte Cramer unruhig. Noch wußte er nicht, wie die Sache ausgegangen war, und welchen Hintergrund sie hatte. »Was geschah weiter?« drängte er.

      »Das Auto stand unmittelbar vor dem Portal. Vom Kellerfenster aus konnte ich nur noch die Beine der Beteiligten sehen. Das war schon komisch. Alfredo trug wie immer weiße Hosen, Maurenas Füße steckten in hochhackigen Schuhen. Sie waren gut auseinanderzuhalten. Doch dann waren da noch Beine in grauen Hosen. Ganz plötzlich kamen sie von allen Seiten. Sie müssen sich zuvor im Gebüsch versteckt haben, die Polizisten.

      »Bleiben