Maurena wartete nicht, bis der Alte gegangen war. »Hast du wirklich geglaubt, ich würde dir nicht auf die Schliche kommen, du infamer Lügner!« schrie Maurena mit einer Stimme, die Mike gar nicht mehr als angenehm empfand. »Du hast mich betrogen! Was ist das für eine Schlampe, die du dir da angelacht hast?« In Maurenas Adern floß nicht nur französisches und deutsches, sondern auch spanisches Blut, das in diesem Moment kräftig in Wallung kam. Nicht umsonst waren die temperamentvollen Spanier für ihre lodernde Eifersucht bekannt.
»Das alles ist bestimmt ein Irrtum, eine Verwechslung, die sich aufklären wird«, versuchte Elèn die Tochter zu beruhigen.
Doch sie erreichte damit genau das Gegenteil. Wütend fegte Maurena ihr Frühstücksgedeck vom Tisch. Das Klirren der Scherben war Musik in ihren Ohren.
Elèn, die um ihr Service bangte, räumte rasch die übrigen Teile weg.
Mike blieb diesem Ausbruch gegenüber erstaunlich ruhig. »Ich habe vielleicht nicht ganz die Wahrheit gesagt«, meinte er sachlich, »aber betrogen habe ich dich nicht, Maurena. Dazu habe ich dich viel zu gern.«
»Ah«, schrie die rothaarige Frau so einschüchternd wie jemand, der einen Dieb auf frischer Tat erwischt. »Und das Kind, das du auf dem Arm hältst, stammt wohl vom berühmten Heiligen Geist!«
Mike seufzte. »Du wirst mir nicht glauben, aber ich kenne weder die Mutter, noch das kleine Mädchen. Es wurde mir auf dem Flughafen übergeben, und weil ich es eilig hatte, wollte ich es weitergeben an diese junge Dame, die mir dann allerdings einen Korb gab. Ich hätte dir das alles gleich erzählt, aber ich wußte, daß es nicht glaubwürdig klang, und deshalb habe ich die Geschichte vom verpaßten Flugzeug erfunden. Es tut mir leid, Maurena, und ich bitte dich herzlich, mir zu glauben.«
»Für wie blöde hältst du mich eigentlich?« fauchte Maurena wütend. »Du wirst doch nicht annehmen, daß ich mich von so plumpen Lügen beeindrucken lasse.«
»Es ist die Wahrheit«, erklärte Mike laut und deutlich. Daß Maurena eifersüchtig war, wußte er schon lange. Daß sie überhaupt kein Vertrauen zu ihm hatte, erfuhr er jetzt.
»Erzähl mir doch nicht, daß du ein fremdes Kind spazierenträgst!«
»Was hätte ich denn machen sollen? Die Mutter war weg, und ich hatte die Verantwortung für die Kleine.«
Maurena knirschte mit den Zähnen. »Mike, du bist ein schlechter Lügner. Kein Wort glaube ich dir! Kein Wort!«
»Ich mußte das Kind zur Polizei bringen. Dort existiert ein Protokoll. Damit kann ich meine Unschuld beweisen.«
»Soll ich mich noch mehr lächerlich machen? Das kannst du nicht von mir erwarten.«
»Kinder, hört auf zu streiten«, mischte sich Elèn ein. »Denkt doch daran, daß in zwei Wochen eure Hochzeit ist.«
»Das ist noch sehr fraglich«, keifte Maurena und verließ den Raum.
»Nimm’s nicht tragisch«, raunte Elèn dem künftigen Schwiegersohn zu. »Das Kind ist schrecklich nervös. Nach der Hochzeit wird das alles wieder besser, glaub mir. Im übrigen werde ich Maurena ins Gewissen reden. Ein Auftritt wie der eben schickt sich nicht für eine de Derceville.« Elèn ging ihrer Tochter nach, Mike blieb allein. Jetzt hatte er Zeit, sich das Bild in der Zeitung anzusehen. Wer es eingehend betrachtete, entdeckte sofort, wie ablehnend er sich verhielt. Schon daraus erkannte man, daß er zu etwas gezwungen worden war. Doch Maurena war das alles wohl nicht aufgefallen.
*
Mike wollte die unschöne Szene vergessen. Doch ganz so einfach war das nicht. Ihn beschäftigte die Frage, weshalb die sonst so strenge Elèn sich zu seinem Fürsprecher gemacht hatte. Irgendwie paßte das nicht zu ihr.
Die Antwort auf diese Frage bekam Mike durch Zufall. Er trat durch die Terrassentür hinaus in den Garten, der früher sehr gepflegt, jetzt aber verwildert war. In den Rabatten wuchs das Unkraut meterhoch, der Rasen war wohl schon lange nicht mehr geschnitten und auf den Wegen wuchs Gras.
Mike ging langsam am Haus entlang, um auf den Hauptweg zu kommen, der zum Meer führte. Aus einem Raum im Erdgeschoß waren erregte Stimmen zu hören. Zweifellos waren es Marena und ihre Mutter, die sich so lautstark unterhielten.
Lauschen wollte Mike nicht, doch das Gespräch war, auch bei geschlossenem Fenster, draußen einwandfrei zu verstehen.
»Über solche Kleinigkeiten mußt du hinwegsehen«, forderte Elèn gerade lautstark.
»Eine Freundin und ein Kind, das nennst du eine Kleinigkeit?« schrie Maurena aufgebracht. »Wo fängt denn bei dir der Grund für eine Trennung an?«
»Über eine Trennung brauchen wir gar nicht zu diskutieren. Sie ist unmöglich, das habe ich dir schon gesagt.«
»Nicht für mich! Cramer ist schließlich nicht der einzige Mann auf der Welt.« Es war sogar draußen zu hören, wie Maurena zornig mit dem Fuß aufstampfte.
»Er ist der einzige, der uns aus der Patsche helfen kann«, erwiderte Elèn sachlich, aber trotzdem draußen noch gut zu verstehen.
»Für mich ist die finanzielle Seite zweitrangig.«
»Noch, Maurena. Aber wenn publik wird, daß du den reichen Mike Kramer nicht heiratest, werden die Gläubiger über uns herfallen. Ich konnte sie gerade noch bis zu deiner Hochzeit vertrösten.«
»Hör auf mit diesen Horrorgeschichten! Ich kann sie nicht mehr hören!«
»Die Wirklichkeit ist schlimmer, glaub mir. Dein Vater hat unseren gesamten Besitz verspielt. Er hat das Haus in Paris und Schloß Derceville an die Bank verpfändet, hat uns nicht einen Sou übriggelassen. Bis zuletzt hoffte er, die Spielschulden wieder ausgleichen zu können, aber er kam immer tiefer in die Abhängigkeit der Bank.«
»Ja, das hast du mir schon mehrmals erzählt«, ächzte Maurena.
»Aber es ist dir wohl immer noch nicht klar, was es bedeutet. Die Bank wird Schloß Derceville verkaufen, wir werden ausziehen müssen. Außer einigen persönlichen Dingen wird uns nichts bleiben. Nach Paris können wir auch nicht zurück, denn unser Haus dort wird ebenfalls verkauft samt den Möbeln, unserem Schmuck und allen Wertsachen. Wir sitzen auf der Straße, Maurena. Weißt du, was das bedeutet? Das ist hundertmal schlimmer, als mit einem untreuen Ehemann zu leben, wobei das Foto in der Zeitung doch überhaupt kein Beweis ist.«
»Für mich schon. Ich lasse mich nicht für dumm verkaufen, und noch viel weniger lasse ich mich lächerlich machen.«
Mike war nachdenklich stehengeblieben. Jetzt verstand er Elèns Reaktion. Eigentlich tat ihm Maurenas Mutter leid. Sie war unverschuldet in eine Situation gekommen, die für sie sehr schlimm war, denn Elèn vermochte sich nicht zu helfen. Auf die Idee zu arbeiten, kam sie überhaupt nicht.
Zu keinem Zeitpunkt hatte Mike mit Maurenas Vermögen gerechnet. Daß sie nichts mehr besaß, störte ihn überhaupt nicht. Aber die Entschiedenheit, mit der sie sich plötzlich gegen eine Verbindung mit ihm wehrte, gab ihm zu denken. Maurena urteilte über ihn, ohne seine Rechtfertigung überhaupt in Erwägung zu ziehen. Handelte so eine Frau, die liebte? Wohl kaum.
In diesen Minuten wurde Mike klar, daß Maurena nur ein Werkzeug in ihm sah. Ein Werkzeug, um sich den verlorenen Reichtum wieder zu beschaffen.
Die Erkenntnis war schmerzlich. Bisher hatte Mike geglaubt, daß ihn die schöne Maurena ebenso liebte wie er sie. Das war eine Illusion, die plötzlich zerplatzte wie eine Seifenblase.
Mike lief in die entgegengesetzte Richtung. Er wollte nicht mehr hören, nicht noch mehr enttäuscht werden.
Auch wenn sich wieder alles einrenkte, konnte er eine Frau heiraten, die ihn gar nicht mochte, die nur ein notwendiges Übel in ihm sah?
Der strahlend helle Vorfrühlingstag wurde für Mike schlagartig grau und dunkel. Das Leben mit Maurena, auf das er sich so sehr gefreut hatte, erschien ihm plötzlich nicht mehr erstrebenswert.
Andererseits