»Jetzt bist du aus Erfahrung klüger geworden. Wir werden uns sicher öfter sehen.«
»Würdest du mich dann im Scheidungsverfahren vertreten, Alessandro?«
»Ob das klug ist? Carlos weiß, daß ich dich mal sehr mochte.«
Sie wagte nicht, ihn anzusehen. »Das ist lange her«, sagte sie leise. »Was solltest du jetzt noch an mir finden? Du kommst mir viel jünger vor, als ich es jetzt bin.«
»Sei nicht gar so hart mit dir«, meinte er lächelnd. »Wir sehen uns bald, Isadora. Ich werde ein Treffen mit Violetta vermitteln.«
»Sie ist eine sehr attraktive Frau, und ich glaube, Carlos fürchtet sie.«
»Das soll er auch. Sei zuversichtlich, Isadora.«
*
Fee Norden war im Garten und schnitt die Rosen zurück, die am Ende des Sommers erst richtig geblüht hatten, als Daniel heimkam. Die Dämmerung sank schon herab und am Horizont färbte sich der Himmel blutrot.
»Es herbstelt, Daniel«, sagte Fee gedankenvoll. »Vom Sommer haben wir heuer nicht viel gespürt.«
»Wer weiß, was Petrus gegen uns hat, im Norden und Westen war es schöner, dabei wird doch hierzulande am meisten gebetet.«
»Dafür hatten wir aber eine traumhaft schöne Sonnenfinsternis, die man nirgendwo so gut sehen konnte wie hier.«
Das war wirklich beeindruckend gewesen, wenngleich man dieses Naturspiel auch anderswo deutlich hatte sehen können, aber Fee war so begeistert gewesen und immer noch, daß er ihr diese Euphorie nicht ausreden wollte.
»Hast du schon was von Violetta gehört?« fragte Fee, als sie zum Haus gingen.
»Nein, leider noch nicht. Hoffentlich mutet sie sich nicht zuviel zu.«
»Ivi Rowland hat mir eine Einladung zur Modenschau geschickt im Auftrag von Violetta. Sie scheint sehr tüchtig zu sein, wenn Violetta ihr das Feld überläßt.«
»Ihr ist wohl das Kind jetzt wichtiger. Ich fürchte nur, daß dieser Santoro so raffiniert ist, daß sie nicht gegen ihn ankommt. Aber noch ist nichts verloren, sie wird sich schon melden. Du gehst natürlich zu der Modenschau, und sicher bekommst du Prozente.«
Fee lachte. »Ich habe ja gar keine Gelegenheit, solche Kleider zu tragen. Aber ich finde es bewundernswert, wie weit sie es gebracht hat, denn nötig hatte sie es ja nicht, sich so zu fordern.«
»Sie wollte ihrem Leben einen Inhalt geben, Feelein. Sie war sehr verliebt in diesen Mann, und die erste Liebe kann entscheidenden Einfluß auf das weitere Leben haben im positiven wie im negativen Sinne. Wir haben halt Glück gehabt, mein Schatz.«
»Du wirst doch nicht behaupten wollen, daß ich deine erste Liebe war.«
»Die bist du immer noch, die erste wirkliche Liebe. Manchmal meint man das nur, und ich hoffe, daß auch Violetta zu dieser Überzeugung gekommen ist und vielleicht die wirkliche Liebe noch kennenlernt. Aber solche Männer wie dieser Carlos Santoro hinterlassen schmerzhafte Wunden, die sich nur schwer schließen, noch dazu, wenn damit auch noch ein schrecklicher Betrug verbunden ist.«
»Am besten für Violetta wäre es, wenn es sich als Irrtum herausstellt, daß ihr Kind lebt«, sagte Fee leise. »Ich mag sie. Sie hat ihr Leben wunderbar gemeistert und ist jetzt eine realistisch denkende Frau. Das wird ihr helfen, die Vergangenheit zu vergessen.«
*
So schonend Alessandro es auch Violetta erklärte, daß Pepita an Leukämie erkrankt sei, es war ein gewaltiger Schock für sie.
»Sie sah doch so gesund aus, als ich sie in Marbella sah«, flüsterte sie. »Warum muß das Kind leiden, warum nicht die, die alles verschuldet haben?«
»Santoro hatte einen Herzinfarkt. Er liegt im Hospital, und Hernando wird von Angst gebeutelt, da bin ich sicher. Ich habe lange mit Isadora gesprochen. Ich kenne sie von früher. Sie möchte sich mit Ihnen treffen, Violetta.«
Sie waren sich schnell einig geworden, sich mit dem Vornamen anzureden und verstanden sich sehr gut. Er war nicht so reserviert wie Nicolas.
»Ich bin gern zu einem Treffen bereit«, erklärte sie. »Wir sind uns ja in Marbella schon begegnet, und eigentlich hatten wir gleich Kontakt gefunden. Ich wußte ja nicht, ob sie wirklich Santoros Frau war und wollte sie kennenlernen. Jetzt wird sie sich wohl Gedanken darüber machen und es bedauern, daß sie mich auf Pepitas Muttermal aufmerksam machte. Es war schon eigenartig.«
»Sie will sich von Santoro trennen, sie weiß Bescheid über seine Eskapaden.«
Eine kleine steile Falte erschien zwischen Violettas schöngeschwungenen Augenbrauen.
»Er sagte damals zu mir, daß eine Scheidung in dieser Familie nicht in Frage käme und ich mich danach richten solle, daß unser Verhältnis geheim bleiben müsse. Daß er verheiratet ist, hat er aber erst zugegeben, als ich ihm sagte, daß ich schwanger sei. Es war alles so ernüchternd, und heute kann ich darüber reden, als ginge es mich weiter nichts mehr an. Aber ich kann es nicht wegreden, daß Pepita mein Kind ist, wenn sie auch eine andere Mutter liebt. Ich befinde mich in einem tiefen Konflikt.«
»Aber Sie wären vielleicht die einzige, die Pepitas Leben retten könnte, Violetta.«
»Ich, wieso?«
»Weil sie eine Knochenmarkspende braucht, und zwischen Ihnen wäre eine Übereinstimmung denkbar.«
»Wie ist es mit ihrem Vater?«
»Er ist dazu wahrscheinlich nicht bereit, und außerdem würde sein derzeitiger Gesundheitszustand einen solchen Eingriff auch nicht gestatten. Er wird in Anbetracht seiner mißlichen Lage auch alles versuchen, um sich vor einem Gentest zu drücken. Immerhin ist von ihm eine Blutprobe vorhanden, die man auch für einen Vaterschaftstest verwenden kann.«
Violettas Blick schweifte zum Fenster hinaus. Der Himmel hatte sich wieder bewölkt. Es paßte zu ihrer Stimmung, denn sie ahnte schon, daß nicht die beiden Männer die Hauptleidtragenden sein würden, sondern ihre Frauen, die schuldlos in dieses tragische Geschehen verstrickt wurden.
»Ich bin bereit, mich bald mit Isadora zu treffen und werde auch mit Antonella sprechen. Pepita soll vorerst ganz herausgehalten werden.«
Er sah sie voller Bewunderung an. Keine Spur von Haß oder Rachsucht war ihr anzumerken.
»Sie sind sehr großherzig«, stellte er fest.
»Soll ich etwa hingehen und dem Kind sagen, daß ich seine Mutter bin? Sie liebt ihre Mama, und Antonella war immer gut zu ihr. Pepita wußte es nicht anders, ihr hat es an nichts gefehlt. Es wäre etwas anderes, wenn sie bei Leuten aufgewachsen wäre, für die sie eben nur ein Pflegekind blieb. Ich kann sie doch nicht herausreißen aus ihrer heilen Welt. Wenn ich ihr helfen kann, gesund zu werden, würde sie mich vielleicht auch mögen. Vielleicht sollte nur deshalb der Stein ins Rollen kommen, Alessandro. Glauben Sie an Schicksalsfügung? Ich glaube daran.«
Er war Realist, aber in diesem Augenblick glaubte auch er, daß es von einer höheren Macht gewollt sein mußte, daß sie gerade zu diesem Zeitpunkt den Entschluß gefaßt hatte, die ganze Wahrheit herauszufinden.
»Sind Sie bereit, sich morgen mit Isadora zu treffen?« fragte er.
»Ja, gern, machen Sie bitte einen Termin mit ihr und sagen Sie mir Bescheid.«
»Und würden Sie heute abend mit uns essen?« fragte er stockend.
»Wen meinen Sie?« fragte sie geistesabwesend.
»Meinen Bruder und mich.«
»Nimmt er sich denn dafür Zeit?« fragte sie erstaunt.
»Und wie gern.«
»Ich habe nichts vor.«
»Dann holen wir Sie gegen