Der Bergpfarrer Paket 2 – Heimatroman. Toni Waidacher. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Toni Waidacher
Издательство: Bookwire
Серия: Der Bergpfarrer
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740952006
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Thomas Neumayr war auf übelste Art und Weise eines Verbrechens bezichtigt worden, dessen er sich nicht schuldig gemacht hatte. Kein Wunder, wenn er auf seinen Bruder nicht gut zu sprechen war.

      »Und an den Computer müssen wir herankommen!« meinte der gute Hirte von St. Johann. »Gewiß kein leichtes Unterfangen.«

      »Deshalb bin ich hier«, antwortete Thomas. »Als mir klar wurde, daß ich Hilfe brauche, hab’ ich gleich an Sie gedacht, und Andrea hat mir bestätigt, daß Sie net der Mann sind, der einen unschuldig Verfolgten im Stich läßt.«

      »Das werd’ ich gewiß net«, sagte Sebastian. »Natürlich könnten S’ mir viel erzählen, ich kann net nachprüfen, ob es die Wahrheit ist. Aber ich verlaß mich auf meine Menschenkenntnis, und die sagt mir, daß Sie kein Verbrecher sind, Thomas. Selbstverständlich werd’ ich Ihnen helfen, aber es gibt da ein paar Dinge, die wir beachten müssen.

      Zum einem ist da mein Bruder, der eingeweiht werden muß. Max vertraut mir, und wenn ich ihm sag’, daß Sie kein Betrüger sind, dann glaubt er mir. Aber er muß seine Behörde benachrichtigen, daß Sie bei mir um Asyl nachgefragt haben und ich es Ihnen gewähr’. Dann sollten wir darum bitten, daß über Ihren Aufenthalt hier nix in der Zeitung erscheint. Vor allem, um Ihren Bruder net zu warnen. Schließlich frag’ ich mich, wie wir an die Unterlagen kommen, die Ihre Unschuld beweisen?«

      Thomas sah den Seelsorger geradeheraus an.

      »Ich werd’ alles tun, was Sie verlangen, Hochwürden«, versprach er. »Und was die Unterlagen betrifft – ich besitze immer noch den Schlüssel zu uns’ren Geschäftsräumen. Die Daten auf dem Computer meines Bruders sind verschlüsselt. Selbst wenn er sie findet, würde er nichts damit anfangen können, zudem aber hab’ ich die Datei mit einem

      Codewort versehen. So ohne weiteres ist sie nicht zu öffnen.«

      Sebastian überlegte einen Moment.

      »Das heißt also, daß wir nachts in Ihre Firma müssen und die Unterlagen herausholen?«

      »Ja, so hab’ ich mir das vorgestellt.«

      Der Seelsorger stand auf.

      »Gut«, sagte er. »Darüber reden wir morgen weiter.«

      Er sah sich um.

      »Leider kann ich Ihnen kein bequemes Bett im Pfarrhaus anbieten«, meinte er. »Aber ich hab’ drüben noch eine Liege stehen, die hol’ ich Ihnen, und Bettzeug dazu. Zum Waschen gibt’s nur das Waschbecken dort an der Wand. Aber für ein, zwei Tag’ wird’s reichen.«

      »Ich bin mit allem zufrieden«, erwiderte Thomas. »In der ersten Woche meiner Flucht hatte ich net einmal ein Dach über dem Kopf, und jetzt schlaf’ ich sozusagen im Schoß der Kirche.«

      Sebastian ging zum Pfarrhaus hinüber und holte die Liege, Bettzeug und eine Decke extra. Außerdem nahm er eine Flasche Mineralwasser mit.

      »Morgen bring’ ich Ihnen ein gutes Frühstück«, sagte er zum Abschied. »Dann sieht die Welt gleich ganz anders aus. Also, Thomas, schlafen S’ gut und lassen S’ den Kopf net hängen.«

      Der junge Mann sah ihn dankbar an.

      »Jetzt gewiß net mehr«, antwortete er.

      *

      Andrea hatte kein gutes Gefühl, als sie auf den elterlichen Hof fuhr. Auf der Fahrt nach Hause hatte sie überlegt, wie Vater und Mutter wohl reagieren würden, wenn sie wieder da war. Zu beiden hatte sie immer ein gutes Verhältnis gehabt, und die Eltern ließen die Tochter in allem gewähren. Daß sie sich aber in einen vermeintlichen Betrüger verliebt und ihm auch noch bei seiner Flucht vor der Polizei geholfen hatte, das würden sie bestimmt nicht gutheißen.

      Im Haus brannte noch Licht, als Andrea ausstieg. Ein sicheres Zeichen, daß beide noch nicht schlafen gegangen waren, obwohl sie am nächsten Morgen wieder früh raus mußten. Sowohl Thomas als auch Pfarrer Trenker hatten wohl recht, als sie sagten, daß ihre Eltern sich in größter Sorge befanden.

      Die Haustür wurde geöffnet, noch bevor das Madel die Klinke herunterdrücken konnte. Alois Brandtner sah seine Tochter mit funkelnden Augen an.

      »Sag’ mal, bist’ ganz und gar narrisch geworden, dich mit einem Verbrecher einzulassen?« polterte er los.

      Seine Erregung war nicht zu übersehen. Angst und Sorge mischten sich in seinen Worten.

      »Der Thomas ist kein Verbrecher«, erwiderte sie vehement. »Das sind alles Lügengeschichten, die über ihn verbreitet wurden.«

      »So, dann ist’s wohl auch eine Lügengeschichte, die Max uns erzählt hat, was?«

      Maria Brandtner schob ihren Mann zur Seite.

      »Schimpf net, Loisl«, sagte sie. »Sei’n wir froh, daß Andrea gesund und unbeschadet wieder da ist.«

      Sie nahm ihre Tochter am Arm und zog sie ins Haus. Tränen der Erleichterung standen in ihren Augen.

      »Wie kommst’ dazu, einem, der von der Polizei gesucht wird, zu helfen?« fragte ihr Vater, ohne auf das zu achten, was seine Frau gesagt hatte. »Ist dir eigentlich klar, daß’ dich damit strafbar gemacht hast?«

      »Thomas ist kein Verbrecher«, wiederholte Andrea. »Er ist unschuldig in eine Sache hineingeraten, mit der er nix zu tun hat.«

      »Ach so, und die Polizei verfolgt jetzt einen Unschuldigen? Was hat der Kerl dir eigentlich für Märchen aufgetischt, daß du ihm alles glaubst?«

      Sein Blick, mit dem er sie anschaute, wurde forschend.

      »Oder hast’ dich etwa gar in den Hallodri verguckt?«

      Andreas Körper straffte sich. Hoch aufgerichtet stand sie vor den Eltern. Den Augen ihres Vaters wich sie nicht aus.

      »Ja, ich liebe ihn«, antwortete sie. »Und wenn das alles überstanden ist, werden wir heiraten.«

      Einen Moment herrschte atemlose Stille. Dem Bauern und seiner Frau stand das Entsetzen ins Gesicht geschrieben.

      »Madel, mach’ dich net unglücklich«, kam es ihrer Mutter über die Lippen.

      »Dazu geb’ ich niemals meine Einwilligung«, brüllte Loisl.

      »Das brauchst’ auch net, Vater«, entgegnete sie. »Ich bin bereits volljährig und kann tun und lassen, was ich will.«

      »Andrea!«

      Ihre Mutter hatte den Schrei ausgestoßen. Entsetzt schlug sie die Hände zusammen. Der Bauer sah sie mit kalten Augen an.

      »Dann hab’ ich ab sofort keine Tochter mehr«, sagte er mit eisigem Ton. »Pack’ deine Sachen und mach’, daß du aus meinem Haus kommst. Mit Verbrecherpack will ich nix zu tun haben.«

      Maria Brandtner brach in Tränen aus. Andrea stand einen Moment da, als habe sie ein Wasserschwall unversehens getroffen. Sie unterdrückte die Tränen, die in ihr aufsteigen wollten.

      »Gut«, erwiderte sie leise, »wenn’s dein Wille ist, dann geh’ ich.«

      Sie wandte sich um und lief die Treppe hinauf in ihre Kammer.

      Maria Brandtner sah ihren Mann fassungslos an.

      »Weißt’, was du getan hast?« fragte sie mit zitternder Stimme. »Du hast uns’re Tochter aus dem Haus gejagt.«

      »Und da kommt sie net wieder herein. Net solang’ sie sich zu diesem Verbrecher bekennt.«

      »Aber… Pfarrer Trenker hat doch gesagt, der Thomas hätt’ nix verbrochen…«, wagte seine Frau einen Einwand.

      »Pfarrer Trenker«, schnaubte Alois Brandtner. »Der ist auch net allwissend. Dem haben wir das ganze Drama doch zu verdanken. Hätt’ er uns den Kerl net geschickt, dann wär’ jetzt alles in Ordnung.«

      Daß Sebastian diesen Irrtum längst aufgeklärt hatte, daran dachte der Bauer in seinem Zorn nicht mehr. Oder vieleicht wollte er es auch gar nicht. Er drehte sich um und