Der Bergpfarrer Paket 2 – Heimatroman. Toni Waidacher. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Toni Waidacher
Издательство: Bookwire
Серия: Der Bergpfarrer
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740952006
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können.

      Natürlich gab es nicht wenige Frauen, die ein Auge auf den attraktiven Witwer geworfen hatten, doch sie alle mußten sich an Clara Lindner messen lassen.

      Michael dachte einen flüchtigen Moment auch an Hanna, die sich immer wieder alle Mühe gab, ihn zu umgarnen. Etliche Einladungen hatte er schon ausgeschlagen, ehe er dann doch ein-, zweimal zustimmte. Es waren schöne Abende gewesen, und einen gemeinsamen Ausflug mit Lena hatte es gegeben. Doch immer hatte Michael das Gefühl gehabt, daß genau das fehlte, was zu einer neuen Beziehung fehlte – innige Zuneigung, wirkliche Liebe.

      Als er einmal davorstand, Hanna zu küssen, wandte er im letzten Moment den Kopf ab, wohl wissend, daß dieser Kuß für die Frau alles bedeutete. Die Enttäuschung in ihrem Gesicht war unübersehbar gewesen.

      Dennoch – Michael wußte, daß auch Hanna nicht die Frau war, mit der er und Lena ihren weiteren Lebensweg gehen würden.

      *

      Lena war außer sich vor Freude, als sie hörte, daß Andrea sich während der Ferien um sie kümmern würde. Noch während des Spielens auf dem Rasen wurden Pläne geschmiedet, was man alles unternehmen wollte, und gleich für den nächsten Tag wünschte die Kleine sich einen Ausflug an einen See, wo man schwimmen konnte.

      »Aber nur wir drei ganz alleine«, sagte sie. »Mein Papa muß immer soviel arbeiten. Jetzt soll er endlich auch mal Spaß haben.«

      Michael, der von seinem Platz aus den Satz mitgehört hatte, warf seiner Tochter eine Kußhand zu.

      »Wann genau kommt Ihr Vater an?« erkundigte sich Sebastian.

      »Das Zimmer im ›Löwen‹ ist ab dem Dreiundzwanzigsten reserviert, hat mir die Frau Steiner verraten.«

      »Also jetzt, kommenden Samstag. Na ja, bis dahin haben wir ja noch ein paar Tage Zeit uns etwas zu überlegen. Eine Idee hab’ ich da schon. Allerdings werden wir net umhin können, Andrea einzuweihen.«

      »Ich denk’ auch, daß wir das tun sollten«, stimmte Michael zu. »Überhaupt werd’ ich wohl ausführlich mit ihr sprechen müssen. Sie weiß ja noch gar nix über Lena und mich, und wahrscheinlich fragt sie sich, was mit meiner Frau ist. Sie soll’s net von der Kleinen erfahren und dann völlig unvorbereitet sein. Lena geht ja recht unbefangen damit um und erzählt jedem, daß ihre Mama tot ist.«

      »Was net schlecht ist«, meinte Sebastian. »Immerhin haben S’ ihr von der Mama erzählt. Viele and’re Kinder in Lenas Alter wissen überhaupt nichts darüber, wenn ein Elternteil verstorben ist.«

      Das Gespräch zwischen An-drea und Michael fand am Abend statt. Lena hatte darauf bestanden, daß die junge Frau zum Essen blieb. Sebastian wischte schnell die Bedenken fort, die Andrea hatte.

      »Natürlich bleibst’, wenn du keine and’re Verpflichtung hast«, sagte der Geistliche. »Ich würd’ überhaupt vorschlagen, daß du die Mahlzeiten gemeinsam mit uns einnimmst. Es wär’ ja viel zu umständlich, wenn du jedesmal zum Essen nach Haus’ laufen würdest, und meine Frau Tappert freut sich über jeden Esser, der mehr am Tisch sitzt.«

      Es verstand sich von selbst, daß Andrea das Madel nach dem Essen ins Bett brachte. Sie war erstaunt, wie gut Lena schon alleine die Zähne putzte, und überhaupt verblüffte das Kind sie immer wieder. Lenas Aussprache war weit über das Maß hinaus, das andere Kinder in ihrem Alter zeigten.

      Als Gute-Nacht-Geschichte wünschte sie sich das Märchen von Schneewittchen und den sieben Zwergen. Andrea las die ersten drei Seiten aus dem dicken Buch, dann bemerkte sie, daß die Kleine schon schlummerte.

      Sie deckte sie zu und strich ihr über das Gesicht. Dann löschte Andrea das Licht und ging hinaus. Michael kam eben die Treppe herauf. Das Kindermädchen legte seinen Zeigefinger auf die Lippen.

      »Schläft sie etwa schon?« fragte der Witwer überrascht.

      »Ja, gerad’ eben.«

      »Das ist ein gutes Zeichen«, meinte Michael, während sie wieder hinuntergingen. »Selbst bei uns’rer Nachbarin, wo Lena manchmal bleibt, wenn ich abends Termine hab’, dauerts immer noch eine ganze Weile, ehe sie einschlafen will.«

      Es war noch herrlich warm draußen. Sebastian hatte eine Flasche Wein aus dem Keller geholt. Er stellte sie, mit den Gläsern, auf den Gartentisch.

      »So, ihr zwei, ich laß euch jetzt allein«, sagte er. »Im Arbeitszimmer liegt noch einiges, was erledigt werden will. Ihr habt ja ohnehin noch was zu besprechen.«

      Andrea sah Michael fragend an.

      »Ich dacht’, es wär’ alles geklärt...?«

      »Das ist’s ja auch«, beruhigte er sie und bat sie, Platz zu nehmen. »Allerdings gibt’s da noch ein bissel was, über das ich mit Ihnen reden möcht’. Natürlich nur, wenn S’ noch Zeit haben, oder werden S’ erwartet?«

      Die junge Frau schüttelte den Kopf. Die Eltern wußten, wo sie war, und sonst wartete niemand auf sie. Vor ein paar Wochen hätte sie sich schon geärgert, noch aufgehalten zu werden. Da hatte es einen Mann in ihrem Leben gegeben, mit dem sie am liebsten jede freie Minute verbracht hätte. Aber... Andrea wollte nicht mehr an Hartmut Obermayr denken. Dazu hatte die Angelegenheit zu weh getan...

      Sie setzte sich und sah Michael Lindner erwartungsvoll an.

      »Tja, wie soll ich eigentlich beginnen?« sagte Michael nachdenklich, nachdem er den Wein eingeschenkt hatte. »Es geht darum, daß ich Ihnen erzählen wollt’, daß Lenas Mutter net mehr lebt...«

      Andrea schluckte. Beinahe hatte sie so etwas schon geahnt. Die Kleine hatte zwar nichts direkt darüber gesagt, aber während des Zubettgehens immer wieder von der Mama ihrer Freundin erzählt, die Iris heiße und im selben Haus wohne, wie Lena und ihr Papa. Die junge Frau hatte nicht gewagt zu fragen, wo denn die Mutter ihres Schützlings sei. Daß Michael Lindner geschieden sei, mochte sie nicht glauben. Es gab wohl keine Frau, die sich von diesem gutaussehenden und warmherzigen Mann trennen würde.

      »Das tut mir leid.«

      Lenas Vater verzog schmerzvoll das Gesicht.

      »Danke, für Ihr Mitgefühl. Es ist vier Jahre her, sie starb bei der Geburt unserer Tochter, aber immer noch ist’s, als wär’s erst gestern gescheh’n.«

      Er nahm sein Weinglas und prostete ihr zu.

      »Ich wollt’ net, daß Sie da so ganz unvorbereitet sind, Fräulein Mahlinger, wenn Lena von ihrer Mama spricht. Sie tut es eigentlich sehr oft, und darüber bin

      ich auch froh. Allerdings ist’s natürlich net sehr leicht für mich.«

      »Das glaub’ ich gern, und ich bin Ihnen auch sehr dankbar, daß Sie so offen mit mir darüber sprechen«, sagte sie leise. »Ich werd’ sehr behutsam mit Ihrer Tochter sein, falls sie mir davon erzählen will. Außerdem möcht’ ich vorschlagen, daß wir uns mit dem Vornamen anreden. Es wird auch für Lena leichter sein. Schließlich werden wir ja die nächsten Wochen mehr oder weniger eng zusammen verbringen.«

      Der junge Witwer lächelte.

      »Das wollt’ ich auch noch vorschlagen«, nickte er. »Jetzt sind S’ mir zuvorgekommen.«

      Während sie sich den Wein aus Sebastian Trenkers Keller – einen Portugieser Weißherbst – schmecken ließen, wandte sich die Unterhaltung bald einem anderen Thema zu. Michael erkundigte sich nach Andreas Ausbildung und ihrer Familie. Er erfuhr, daß die junge Frau in St. Johann geboren wurde. Der Vater arbeitete bei einer Behörde in der Kreisstadt, die Mutter arbeitete nur aushilfsweise.

      Es war schon erstaunlich, wie schön dieser Abend wurde. Unbefangen erzählten sie miteinander, und nicht selten gab es etwas, das beide zum Lachen brachte. Dann wieder saßen sie sich still gegenüber, und jeder hing seinen eigenen Gedanken nach.

      Als später Sebastian zu ihnen stieß, stellten sie fest, daß es nur noch eine Stunde bis Mitternacht war.

      »Du liebe Güte, jetzt muß ich aber nach Haus’«, sagte Andrea.