Der etwas andere Kurzgeschichten-Adventskalender
Mit 24 Türchen zum Träumen, Lachen, Gruseln, Mitfiebern und Genießen
Sandra Bollenbacher und Lisa Darling
www.sandrabollenbacher.com
https://instagram.com/lisadarlingbooks
Korrektorat: Claudia Grube
Satz und Umschlaggestaltung: Sandra Bollenbacher
Herstellerische Beratung: Melinda Rauh und Stefanie Weidner
Verlag und Druck: tredition GmbH, Hamburg
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN: | |
Paperback | 978-3-347-14358-6 |
Hardcover | 978-3-347-14359-3 |
E-Book | 978-3-347-14360-9 |
© 2021 Sandra Bollenbacher und Lisa Darling
tredition GmbH
Halenreie 40–44
22359 Hamburg
Die vorliegende Publikation, einschließlich ihrer Teile, ist urheberrechtlich geschützt.
Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und der Autorinnen unzulässig.
Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung,
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Grafiken:
Cover Graphic designed by pikisuperstar/Freepik • Autorenfoto Sandra Bollenbacher von Veronika Schnabel (@oni_fotografie) • Autorenfoto Lisa Darling von Studioline Photography Chemnitz (https://www.studioline.de/fotostudios/chemnitz-sachsen-allee)
Fonts:
Crimson Pro © 2018 The Crimson Pro Project Authors (https://github.com/Fonthausen/ Crimson Pro). This Font Software is licensed under the SIL Open Font License, Version 1.1.
• Louis George Café © 2017 Yining Chen ([email protected]). All rights reserved.
• NorthernSoul & Bloomsbury © Ian Barnard ([email protected]). • Xmas tfb Christmas © Kaiserzharkhan (http://truefonts.blogspot.com).
Für Holli und Julie
Lisa Darling
DAS GESCHENK
Ella quetscht sich mit den Einkäufen am prachtvoll geschmückten Weihnachtsbaum im Wohnzimmer vorbei in die Küche und geht zum wiederholten Mal ihre To-do-Liste durch: Das Haus auf Vordermann bringen. Ente und Kartoffelbrei kochen. Den Tisch decken und dekorieren. Dieses Weihnachtsfest zum besten aller Zeiten machen. Genauso wie letztes Jahr und all die Jahre zuvor. Sie wischt sich den Schweiß von der Stirn und seufzt: »Warum heißt dieser Tag überhaupt Heiligabend? Eiligabend wäre treffender.« Aber Ella macht das schon. Ella kann das. Ella kann alles. Und Ella ist immer gut drauf und perfekt – die perfekte Ehefrau und Mutter eben.
Schon den ganzen Tag ist sie auf den Beinen, um ihr Vorstadthaus noch perfekter zu machen, als es eh schon ist. Und Pepe? Der ist mit den Kindern auf dem Weihnachtsmarkt. »Natürlich, gar kein Problem«, hatte sie gesagt. Genauso, wie es natürlich kein Problem ist, dass sie alleine das Festessen kocht oder dass nicht nur Pepes Eltern, Oma Erna und Opa Bernhard, zu Besuch kommen, sondern auch sein Bruder Tobias. Tobias, der sich wie jedes Jahr hier breitmachen wird und denkt, er sei der Allerbeste und wisse alles und der sich wie immer in den Mittelpunkt drängen wird. Auf ihn hat sie am meisten Lust an diesem Abend … nicht.
Ella blickt auf ihre verkratzte Armbanduhr, die wie sie selbst ihre besten Tage schon hinter sich hat, und erschrickt: In weniger als drei Stunden kommen die Gäste! Eilig holt sie Schneidebrett und Küchenmesser hervor, um die Zwiebeln zu schneiden, da klingelt es an der Tür.
»Wer kann das nur sein? Pepes Familie doch noch nicht! Vielleicht hat Pepe seinen Schlüssel vergessen«, stöhnt Ella und öffnet die Tür.
Davor steht ein Postbote. Ein Postbote? Um diese Uhrzeit an diesem Tag?
»Guten Abend«, grüßt Ella ihn leicht irritiert, aber der Postbote schaut sie gar nicht wirklich an. Stattdessen wirkt er ein wenig nervös und legt schließlich das Päckchen, welches er in der Hand hält, vor der Tür ab. Dann verschwindet er. Stirnrunzelnd hebt Ella das Päckchen auf und schließt die Tür wieder.
Für Ella. Erst öffnen, wenn du es verstanden hast, steht darauf.
Wenn sie es verstanden hat … Das tut sie jetzt definitiv nicht! Aber sie hat auch gerade keine Zeit zum Geschenke auspacken, immerhin müssen das Essen fertig gemacht, der Tisch gedeckt und die Geschenke unter dem Baum ausgelegt werden. Auf dem Weg in die Küche legt sie das Geschenk schon mal unter den Weihnachtsbaum und macht sich wieder an die Arbeit.
Als die Familie langsam eintrifft, ist Ella immer noch in der Küche beschäftigt. Dieses Jahr gibt es für sie so viel Arbeit wie nie. Nicht mal herzliche Begrüßungen schafft sie, nur flüchtige Hallos mit einem Winken. Das Geschnatter aus dem Wohnzimmer dringt leise zu ihr in die Küche hinüber und ab und zu kommt jemand herein, um etwas vom fertigen Essen hinüberzutragen.
Als auch Ella endlich fertig ist, begibt sie sich in das weihnachtlich dekorierte Wohnzimmer zum Rest der Familie. Sie nimmt ihren Stammplatz ein und betrachtet stolz das Essen, das dampfend auf dem Tisch steht. Ihre Familie wird still und schaut einander an. Es ist Zeit, mit dem Essen zu beginnen, und danach würde es die große Bescherung geben.
»Meine Lieben«, erhebt Pepe das Wort. »Es freut mich, dass wir heute alle gemeinsam hier sitzen, auch wenn ein geliebter Mensch in unserer Runde fehlt.« Oma Hannelore war Anfang des Jahres von ihnen gegangen. Ella hatte das tief getroffen, denn es war ihre Mutter. Von da an hatte sie gar kein Elternteil mehr gehabt. »Aber sie wird in unserem Herzen sein. Und auch heute ist sie bei uns …« Alle am Tisch bekommen glänzende Augen. Es rührt Ella, dass alle ihrer lieben Mama so gedenken und es ist auch das erste Weihnachten seit Jahren, das sie ohne Oma Hannelore feiern. »… so wie wir heute bei ihr sind. Und immer bei ihr sein werden«, sagt Pepe mit erstickter Stimme.
Alle schweigen, bis ihre 4-jährige Tochter Tina fragt, ob sie essen dürfe, sie sei so hungrig. Am Tisch lachen alle leise und erklären das Essen – nach einem »piep piep piep« – für eröffnet.
»Das schmeckt so gut!«, verkündet Tina. »Als hätte Mama es gemacht.«
Ella lächelt. »Aber das habe ich doch auch, mein Schatz«, sagt sie lächelnd und Tina schaut zu ihr hinüber.
»Wir haben es nach ihrem Rezept zubereitet«, erklärt Oma Erna. Stirnrunzelnd blickt Ella sie an. Wir? Ella will nicht unhöflich sein, schon gar nicht an Weihnachten, aber sie hat den ganzen langen Tag in der Küche gestanden!
»Erna«, sagt Ella mit einem Lächeln und bemüht sich um Contenance. »Ich habe –«
»Es hätte ihr geschmeckt«, unterbricht Opa Bernhard lächelnd und legt seine Hand auf Ernas.
Ella ist etwas verwirrt. Pepe sieht zu ihr hinüber und sie blickt ihn fragend an, aber von ihm kommt keine Reaktion. Nur eine stumme Träne, die seine Wange hinunterrollt.
»Darf ich heute Mamas Kugel an den Baum hängen?«, fragt der 7-jährige Leo. Nicht, dass Ella etwas dagegen hätte, aber eigentlich ist es Tradition, dass jeder seine eigene Kugel an den Baum hängt.
Bevor Ella überhaupt etwas sagen kann, antwortet Pepe für sie: »Aber natürlich, mein Schatz, ihr dürft das gern gemeinsam machen.« Er schaut sowohl Leo als auch Tina an.
»Ich