Vergangenheitskampf. Corinna Lindenmayr. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Corinna Lindenmayr
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Контркультура
Год издания: 0
isbn: 9783967526554
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Klaps auf den Hinten. Dieses Ritual vollführte er nun schon seit zwei Jahren und er beteuerte auch nach etlichen Niederlagen und der schlechten vorherigen Saison, dass es ihnen Glück bringen würde. Nun, daran zweifelte er, aber was soll´s. Ein bisschen Aberglaube gehört eben einfach dazu.

      Als sein Name aufgerufen wurde, zog er seinen Helm wieder auf, holte sich seinen Klaps auf den Allerwertesten ab und fuhr durch den Nebelschleier hindurch aufs Eis, gefolgt von seinen Namensrufen durch die Zuschauer und dem heftigen Kribbeln in seinem Bauch, dass ihm jedes Mal aufs Neue vor Augen führte, wie wichtig ein jedes Spiel war. Und Heute ging es um Alles oder Nichts.

      Emma-Sophie starrte ungläubig auf das rote Kärtchen mit der weißen Schrift, dass sie in den Händen hielt. Wieso musste ausgerechnet sie, als absoluter Nicht-Eishockeyfan, ein VIP-Ticket mit anschließendem Treffen des gefragtesten Spielers, Max Christensen, gewinnen? Aber die Grundfrage war ja sowieso, wie man etwas gewinnen konnte, woran man gar nicht teilgenommen hatte?! Stirnrunzelnd legte sie das Ticket auf ihre alte Wandkommode. Vielleicht konnte sie es verkaufen. Es gab sicher Duzende, vorzugsweise sicherlich Frauen, die nur zu gern mit ihr tauschen würden und das Geld konnte sie dann in den Rettungsfonds für ihr Kinderheim stecken.

      Jenes Kinderheim in dem sie arbeite und in dem sie gelebt hatte, seit ihre Mutter gestorben war. Damals war sie gerade einmal vier Jahre alt gewesen. Da man keine Anhaltspunkte für ihren Vater fand und auch sonst niemanden, bei dem sie hätte bleiben können, wurde das Heim ihr zu Hause. Und entgegen aller Meinungen über solche Einrichtungen war es gar nicht so schlimm gewesen.

      Sie besuchte die Schule wie andere Kinder auch, bekam Essen und einen Schlafplatz. Die Erzieherinnen waren sehr nett zu ihr und es gab nie Zeiten, in denen man alleine war. Sie verbrachte ihre Kindheit mit ihren Freunden die ebenfalls ohne Eltern aufwachsen mussten, zumindest solange, bis jemand adoptiert wurde. Es war ein Kommen und Gehen. Nur ihre beste Freundin Bea und sie waren bis zuletzt dort geblieben. Obwohl Bea grundsätzlich einen Vater und ein zu Hause gehabt hätte. Nur war dieses zu Hause eben nicht immer perfekt.

      Und jetzt, nach dem sie beide nach München gegangen waren um Erziehungswissenschaften zu studieren, leiteten sie ihr ehemaliges Zuhause. Zusammen mit ihrem neuesten Praktikanten Nick und der Nonne Schwester Margarethe, die von allen nur liebevoll »Gretchen« genannt wurde.

      Sie liebte ihren Beruf und ihr jetziges Leben. Wäre da nur nicht die finanzielle Situation ihres Kinderheims. Niemand wollte mehr Geld für das schon ziemlich marode Haus investieren, sodass der Stadtrat nun vor wenigen Tagen in einer dieser totlangweiligen Sitzungen beschlossen hatte, das Heim zu schließen und die Kinder auf andere Unterkünfte zu verteilen.

      Gäbe es nicht in weniger als einem Monat jemand, der für die Renovierung aufkam, würde »St. Jose« nicht länger existieren.

      Emma-Sophie stieß einen kurzen Seufzer aus und nahm die Karte wieder in die Hand. Sie musste wenigstens versuchen, sie zu verkaufen. Kampflos würde sie nicht aufgeben. Sie hatten immerhin noch einen Monat das Geld aufzutreiben. Es wäre zwar nur der sprichwörtliche Tropfen auf dem heißen Stein, aber Kleinvieh machte eben auch Mist.

      Allerdings war das Spiel schon heute Abend, was die Möglichkeiten erheblich eingrenzte.

      Gerade als Emma-Sophie sich an ihren kleinen Schreibtisch setzen wollte klingelte ihr Telefon.

      Sie beugte sich über ihren Laptop und griff nach dem Hörer. »Manning.«

      »Hey Süße, ich bin´s.« Erklang die Stimme ihrer Freundin Bea aus der Leitung.

      »Hey. Was gibt´s?« fragte Emma-Sophie zurück.

      »Nichts besonderes. Ich wollte nur mal fragen, was du heute noch so vorhast.«

      Emma-Sophie dachte an das Eishockeyspiel und die gewonnene Karte. Dann runzelte sie die Stirn. »Du hast nicht zufällig an einem Gewinnspiel teilgenommen? Noch dazu in meinem Namen?« fragte sie dann zuckersüß und erntete ein überraschtes Schnaufen durch den Hörer, gefolgt von einem kurzen Räuspern. »Willst du damit sagen, dass du gewonnen hast?«

      »Also ja.«

      »Ich habe auch eine Karte für mich ausgefüllt. Aber offenbar hattest du mehr Glück.«

      »Ich würde das jetzt nicht unbedingt als Glück bezeichnen.« murmelte Emma-Sophie.

      »Hallo? Hast du dir diesen Max einmal angesehen? Außerdem kann man sich das Spiel aus einer der VIP-Loungen ansehen, wo es sicherlich einige sehr lukrative Möglichkeiten gibt, Leute in den richtigen Positionen kennen zu lernen, die in unser Kinderheim investieren könnten.« erwiderte Bea.

      »Fein. Dann geh du doch hin.« Ihre Freundin wäre da sicherlich sowieso viel besser aufgehoben. Bea war impulsiv, schlagfertig und so gar nicht auf den Mund gefallen. Sie hingegen, war eher ruhig und vernünftig. Sie mochte es, wenn die Dinge nach Plan liefen. Und ein Besuch in einem Eishockeystadion mit einem Treffen eines dieser selbstverliebten Spielers gehörte definitiv nicht dazu.

      »Ich kann nicht. Ich treffe mich mit Leonhard.«

      »Aha.«

      »Komm schon Emma. Du weißt, wie selten wir uns sehen können.« klagte Bea.

      »Was ja wohl hauptsächlich daran liegt, dass du die meiste Zeit immer eine perfekt zurecht gelegte Ausrede hast um ihn abblitzen zu lassen.«

      »Nur weil ich nicht immer nur dann springen will, wenn der gnädige Herr Doktor einmal Zeit hat.« echauffierte sich ihre Freundin.

      »Und ausgerechnet heute hast du deine Sprungfertigkeit entdeckt?«

      Aus der Leitung erklang ein genervtes Stöhnen. »Musst du so zickig sein?«

      Musste sie nicht. Eigentlich war das auch gar nicht ihre Art. Aber diese verdammte Karte machte sie wahnsinnig. »Nein.«

      »Schön. Dann geh zu diesem Spiel, triff dich mit einem knackigen Kerl und hab einen tollen Abend. Und ganz nebenbei kannst du ja versuchen unser zu Hause zu retten.«

      Da es jetzt ohnehin zu spät war, irgendwelche Versuche zu unternehmen noch einen Gewinn aus dem Verkauf dieses Treffens zu erzielen, gab Emma-Sophie sich geschlagen. »Also gut.«

      Sie konnte es zwar nicht sehen, aber sie wusste dennoch, dass Bea gerade breit grinsend vor ihrem Telefon saß. »Er ist wirklich heiß.«

      »Ich dachte du stehst auf deinen Arzt.« fragte Emma-Sophie scheinheilig, während sie aufstand, sich schwerfällig ins Bad begab und den Wasserhahn der Badewanne aufdrehte.

      »Er ist ganz okay. Aber Max Christensen? Der spielt in einer ganz anderen Liga.«

      Und das, dachte Emma-Sophie, während sie in das heiße Wasser stieg, war genau das Problem.

      Seine Laune war auf dem Tiefpunkt. Und das war noch milde ausgedrückt. Sie hatten ein grottenschlechtes Spiel abgeliefert und erst in der Verlängerung den entscheidenden zweiten Punkt für sich gewinnen können. Zu allem Überfluss musste er sich jetzt auch noch zu einem Treffen mit einem dieser verrückten Groupies begeben.

      Max drehte den Duschhahn zu und fuhr sich mit der Hand durch das nasse Haar. Vielleicht sollte er einfach nicht hingehen.

      Vermutlich müsste er sich dann wieder eine ellenlange Standpauke von seinem Trainer anhören, bei welchem sich wiederum die beteiligten Sponsoren beschwerten und so weiter.

      Aber irgendeine fadenscheinige Ausrede würde ihm schon einfallen.

      Er verstand sowieso nicht, warum ausgerechnet er immer für solche Aktionen herhalten musste. Okay, er war der Kapitän, aber mal ernsthaft, wen interessierte schon mit welchem von ihnen man ein paar Selfies schoss und versuchte einen Wortwechsel aufrecht zu erhalten, von dem man noch nicht einmal wusste, wie man ihn beginnen sollte?

      Er schlüpfte in seine Levi´s und das schwarze Polo-Shirt, dann stopfte er die restlichen Sachen in seine Sporttasche. Natürlich war er mal wieder der Letzte. Aber das störte ihn nicht. Um ehrlich zu sein ließ er sich sogar mit Absicht Zeit. Er genoss die Ruhe in der Kabine, die dann eintraf.

      Gerade als