Traumprotokolle. Christof Wackernagel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christof Wackernagel
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783866747784
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als sei es normal, aber es ist gefährlich, es kann sein, dass sie mich umbringen will, dann sagt sie aber plötzlich, dass sie sich endgültig von mir trennen und weit weg gehen will, weil es keinen Zweck mehr habe; sie gibt mir einen Haufen Geldscheine und stopft sie unters Kopfkissen, ich ahne aber schon, dass sie gefälscht sind, und man sieht es auch auf den ersten Blick, schlechte Kopien zum Teil nur; kurz bin ich sehr traurig und bitte sie, dass wir weiter ein solidarisches Vertrauensverhältnis haben sollten, wozu sie zu meiner Erleichterung bereit ist; das Geld gebe ich Ebby, der es wegmachen soll – er stopft alles ins Klo, aber ich rate ihm, er solle es vorher einzeln zerreißen; sie packt ihre Sachen, und ich sehe, dass sie ein altes Buch von mir mitnimmt, einen riesigen Band von »Peterchens Mondfahrt«, ich sage, dass das unmöglich geht, weil es tiefste Kindheitserinnerung von mir ist, auch wenn sie das zur finanziellen Absicherung brauche; ich biete ihr andere Bücher an, eine Reihe alter, aber nicht so pompös aufgemachter deutscher Novellen aus mehreren Jahrhunderten; es wurmt mich genauso, das herzugeben, weil seltene alte Ausgaben, und wir einigen uns darauf, dass ich ein Vorkaufsrecht habe, wenn sie es nicht mehr will; sie hat zwei Kinder, die drängeln, ich nehme den »Peterchens Mondfahrt«-Band, blättere ihn durch, überall sind Vierfarbdrucke; später dann auch andere Bilder und Erklärungen; an die Stelle, wo die Kiste mit den anderen Büchern stand, stelle ich Essensvorräte und bin froh, dass da jetzt etwas mehr Platz ist; dann nimmt Olga auch noch meine Wachsfarben mit, wohl für ihre Kinder, ärgert mich leicht, aber ich denke, dass ich sie ja neu kaufen kann; dann der Abschiedskuss in der Tür – ich denke nochmal, dass es das war, wieso wir zusammen waren, total aufeinander eingespielt, aber der Kuss ist schon gefühllos –

      – in einem Wolkenkratzerappartement bin ich mit einer Frau zusammen, die etwas von mir will; es ist eine jüngere Frau, und ich bin unschlüssig, weswegen ich vorschlage, dass wir woanders hingehen – im Aufzug schmusen wir etwas, aber unten kommen wir nicht weiter und müssen in einer hässlichen Vorhalle warten; andere Leute sind dabei, Geschäftsmänner – sie schläft irgendwo in der Ecke, und als wir endlich weiterkönnen, wecke ich sie freundlich, aber alles ist aussichtslos mit uns und traurig –

      – Ralf und Willi kommen uns bei meinen Eltern zuhause besuchen, wir wollen reden, aber sie verschieben es immer wieder; ich frage Fips, was denn jetzt zu tun und zu sagen sei, aber er nennt die beiden enigmatisch, und ich fürchte, die Debatte geht in den Eimer –

      – bin in einem irrenhausartigen Knast und bekomme eine Broschüre in die Hand mit einem Zitat eines »Rosenkreuzerbundes«, die Broschüre erscheint mir faschistisch und ich schicke sie als Beispiel für die Zeitläufte Heiner, der sie zurückschickt und sagt, ich solle doch so etwas nicht versenden, das gebe es schon seit Neunzehnhundertunddreiunddreißig; ich rede mit einer älteren Frau darüber, die mir zustimmt, und als ich wieder in meiner Zelle liege, kommt plötzlich eine junge Frau hereingestürzt und schreit um Hilfe: sie solle weggebracht werden, wolle aber hier bleiben, und ich solle ihr helfen, zitternd legt sie sich aufs Bett und Güldenstern15 will sie wegholen; ich bitte darum, keine Gewalt anzuwenden, aber sie sagt, das sei ohnehin nicht der Fall; Güldenstern geht beleidigt ab –

      – soll Felle für ein Schlagzeug kaufen, weiß aber nicht einmal die Firma und habe auch nur ganz wenig Geld, vierzig Mark oder so ähnlich, gehe trotzdem in einen piekfeinen Laden, wo viele verlockende Musikinstrumente hängen; der Verkäufer bringt ein wunderschönes Rennrad, grau und leicht – es kostet allerdings zwanzigtausend Mark und man kann nur vierzig Kilometer pro Stunde damit fahren; ich probiere es aus und stelle fest, dass es sich viel leichter fährt als meines; für den Zweck, zu dem es gebraucht wird, aber nicht geht, ist ja auch nicht für mich –

      – endlich hat jemand das Foto von Baudelaire aus der Zeitung für mich – macht aber ein genervtes Gesicht dazu –

      – biege in eine dunkle, aufsteigende Straße, in der ich in ein Haus will, und entdecke plötzlich Bullen; je mehr ich sehe, desto mehr Bullen, alles voll, mit Maschinenpistolen, Uniformierte wie Zivile, aber lautlos und in sprungbereiter Stellung; offensichtlich wollen sie das Haus stürmen: lautlos, aber eindringlich fordern sie mich auf zu gehen, die Maschinenpistole ist auf mich gerichtet, und ich weiß nicht, wie ich reagieren soll, ziehe mich aber dann verzweifelt zurück; offensichtlich wissen die da drinnen nicht, dass sie die Bullen drauf haben; wenn ich sie jetzt aber warne, schießen sie mich ab und das wage ich wiederum auch nicht; kaum bin ich aus der dunklen Straße, fange ich schon an zu rennen; kurz bin ich nackt, dann habe ich aber wieder was an, erkenne bald, dass um ein paar Ecken rum ich bei Burckhardts in Basel bin –

      – Arafat will unbedingt vor Habasch mit den Amerikanern reden; ich denke, dass das doch die Verhältnisse umdreht, aber dann geht’s auch schon um –

      – will einen Text von mir selbst überarbeiten – er ist mir nicht rigide genug; Problem scheint, dass das Objekt des Textes keine richtige Substanz hat –

      – in der linken Szene tauchen antisemitische Flugblätter auf und wir regen uns furchtbar auf, finden es typisch für die Begriffslosigkeit, die herrscht; in einer provisorischen Druckerei soll etwas überdruckt werden, aber dort herrschen ja wirklich archaische Zustände, eine selbstgemachte Repromaschine mit Ansaugfläche, die man erst umklappen muss; plötzlich klingelt das Telefon und Hasi ist dran; Gert freut sich sehr, aber wir müssen so tun, als seien wir gerade erst gekommen, dabei sind wir schon einen ganzen Tag lang da; wollen aber nicht erkannt werden –

      – meine Freundin und ihre Mutter nehmen mich mit nach Hause; Neubauwohngebiet, Backsteinhäuser, die Mutter findet ihr eigenes Haus erst nicht, aber dann doch; es ist ein Reihenhaus, aber größer als die anderen; innen komfortabel und weitläufig eingerichtet, piekmodern und mit vielen Bildern und Bemalungen, die wie meine Bilder aussehen; ich bin etwas eingeschüchtert, weil alles so fein und rein ist, und beim Essen weiß ich nicht, wie ich mich benehmen soll, esse meinen Teller Suppe ganz auf und als sie fragt, ob’s geschmeckt hat, sage ich begeistert »ja«, aber sie fand sie nicht gut und ich frage mich, ob sie mich damit als Deppen hinstellen will; der Tisch ist mit luxuriösem Gedeck gedeckt und es sitzen noch mehrere Leute mit dran; dann stehe ich mit ihrer Schwester in der Küche und unterhalte mich angeregt; sie ist sehr nett und kann Chinesisch, macht aber dann was vor, was klingt, wie wenn Kinder Chinesisch nachmachen, und ich weiß nicht, ob sie mich verarschen will oder kokettieren –

      – Zeitungsfoto von einem missmutigen Fußballer mit Unterschrift: »sein Kunststudium vom letzten Sonntag konnte er wiederholen, aber er konnte sich nicht darüber freuen, denn er wurde vom Platz gestellt« –

      – auf der Flucht; auf einer schmalen Landstraße, links ansteigend eine Wiese, rechts abfallend ein Wald; links auch eine Straßenabzweigung, in die ich einbiege, aber der Verfolger bleibt dran; ich drehe wieder um, springe aus dem Auto und renne in den Wald, derjenige, der mit mir unterwegs ist, fährt auf dem Fahrrad durch den abschüssigen Wald – aber auch da bleibt der Verfolger drauf; unten angekommen, ein paar Häuser stehen da, schlägt mein Begleiter den Verfolger ungespitzt in den Boden, haut ihm einfach auf den Kopf und er versinkt im Boden, der Rest klappt zu einem kleinen gelben Häufchen in Viereckform zusammen; jetzt müssen wir erst recht weg und vor allem darauf achten, dass uns niemand hört; auf Zehenspitzen schleichen wir uns einen Weg entlang, an dem rechts der Wald ist und links ein Zaun; am Ende des Weges erscheint eine Gegend, die wie Englschalking aussieht, der mit mir könnte Ebby sein und wir sehen den Kinderspielplatz, auf dem wir früher auf LSD öfters waren, aber dann verschiebt sich die Optik und es ist ein Autobahnrastplatz –

      – bin konspirativ unterwegs, sehr früh morgens, in irgendwelchen unterirdischen Gängen zwischen der Sowjetunion und Ungarn; als ich von einem in den anderen gehe, sage ich, dass es schon viel besser riecht, und denke, dass trotz allem der Sozialismus noch das Beste ist, ärgere mich aber, dass dieses Argument auf dieselbe Weise von anderen verwandt wird; dann gehen wir hoch, kommen auf einen Bahnsteig, auf dem Arbeiter alle in einer Richtung, schräg zu uns, gehen und es ist uns sehr unangenehm, in eine Gegenrichtung zu gehen, um zu einer Bahnhofstheke zu kommen, wo wir frühstücken können, und wo Leute stehen, die Eier auf die Theke aufschlagen, wie in den Bistros in Paris –

      – stelle fest, dass ich Karbonbänder in der Schreibmaschine habe, sogar schon damit schreibe, ohne es gemerkt zu haben, und die Os und Es alle vollkommen durchgedrückt, ausgeschlagen sind –

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