Henkersmahl. Bärbel Böcker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Bärbel Böcker
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Триллеры
Год издания: 0
isbn: 9783839234549
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seinen Bauch. Florian zuckte zusammen und fluchte. Kleines Miststück. Als der Schmerz nachließ, begann er sich über ihren Besuch zu freuen und streichelte zärtlich ihr orangeweiß gestreiftes Fell. Beruhigt von der wohltuenden Wärme des Katzenkörpers, fiel er in einen tiefen traumlosen Schlaf.

      11

      Die Trauerrede, die Regine Liebermann aus dem Stegreif vor der Belegschaft gehalten hatte, war kurz und knapp gewesen, dennoch ergreifend. Die Redaktion war völlig schockiert. Es hatte einige Stunden gedauert, bis sich die Aufregung und Betroffenheit so weit gelegt hatte, dass die Kollegen wieder an die Arbeit gehen konnten. Doch die Stimmung blieb gedrückt. Niemand brüllte, keine Tür knallte, und selbst die Telefone schienen nicht so schrill zu klingeln wie sonst. Glücklicherweise hatte Florian nichts mit der heutigen Sendung zu tun, die mussten Katja und Curt irgendwie hinkriegen, und nicht er.

      Vielleicht hoffte Curt bereits, dass er Max’ Nachfolge antreten würde. Florian presste die Lippen zusammen. Er saß an Max’ Schreibtisch und versuchte, die Traurigkeit, die ihn lähmte, beiseitezuschieben und nachzudenken, aber es gelang ihm nicht. Die Frage, ob Max umgebracht worden war, hämmerte in seinem Kopf.

      Katja und Curt hatten ihn zuvor gefragt, ob der Spinner sich noch mal gemeldet hatte. Bei ihm hatte er nicht wieder angerufen, aber das musste nichts heißen. Florian machte sich eine Notiz, er wollte sich nicht nur im Fitnessstudio umhören und in Erfahrung bringen, ob und mit wem Max dort gesprochen hatte, sondern sich auch Max’ Handy besorgen und sich in seiner Wohnung umsehen. Vielleicht fand er dort Informationen über die Jugendbanden.

      Er durchsuchte Max’ Schreibtisch, entdeckte aber nichts, was ihm in irgendeiner Weise wichtig erschien, außer der Adresse von Peter Mallmann. Er steckte sie in seine Jacketttasche.

      In diesem Moment öffnete sich die Tür, und Jana, sich vorsichtig auf dem Flur umblickend, kam rückwärts ins Zimmer. Florian sah überrascht auf. Reflex­artig schob er die halb geöffnete Schublade des kleinen Schränkchens zu, das unter dem Schreibtisch stand. Jana drehte sich erschrocken um. Ihre Augen waren rot und verquollen.

      »Was machst du denn hier?« Überrascht sah sie ihn an.

      »Wollte mich nur mal ein bisschen umsehen.«

      »Das wollte ich auch. Glaubst du, dass Max an Herzversagen gestorben ist?«

      »Nicht wirklich.« Florian merkte, wie eine Gänsehaut seinen Körper überzog. Für den Bruchteil einer Sekunde verspürte er den Impuls, Jana in den Arm zu nehmen, aber es kam ihm unpassend vor, und so ließ er es bleiben.

      Jana kam näher. »Und, was gefunden?«

      Florian sog tief die Luft ein, aber er roch nichts. Auf ihr Parfum schien sie heute verzichtet zu haben. Aus Pietät vermutlich. Ob das alle Frauen so handhabten, wenn jemand gestorben war? Er wischte den Gedanken schnell beiseite, Jana hatte heute früh ja noch gar nichts von Max’ Tod gewusst.

      »Nur die Adresse des Toten aus ›Köln-Ehrenfeld‹.«

      »Die habe ich Max gestern noch gegeben. Sonst nichts?«

      »Nein. Aber ich vermisse seinen Laptop.«

      »Wenn er nicht hier ist, finden wir ihn bestimmt bei ihm zu Hause«, sagte Jana. »Übrigens, die Substanz, die im Magen der Erkrankten nachgewiesen wurde, ist ein Glutamatderivat.«

      Florian starrte Jana irritiert an.

      »Das ist die neue Form eines Geschmacksverstärkers.« Jana fingerte ein Taschentuch aus ihrer Jeanstasche und schnäuzte hinein.

      »Wie machst du das eigentlich?«

      »Was?«

      »Ich meine, wie kommst du in fremde Computer?«

      »Ach, da gibt es verschiedene Möglichkeiten. Oft brauchst du gar nicht mehr in die Computer, also auf die Festplatten. Am einfachsten funktioniert es direkt über das Internet. Du musst dir das so vorstellen: Viele Unternehmen häufen so viele Daten an, dass sie manchmal gar nicht mehr wissen, was sie wo abgelegt haben. Unzählige Menschen arbeiten damit, die Daten werden ergänzt, korrigiert, versehentlich falsch gespeichert, ohne dass es bemerkt wird, und unendlich oft intern und extern verschickt. So sind häufig ungewollt mehr Informationen über das Internet zugänglich, als die Anwender auch nur im Geringsten ahnen.«

      Florian zog die Augenbrauen hoch und Jana setzte ihren Vortrag fort: »Hacken war gestern, heute reicht in der Regel schon gekonntes Suchen im World Wide Web. Darüber sind sich alle Experten einig. Ein Beispiel. Kürzlich erst gelangten durch einen Anwenderfehler geheime Konstruktionszeichnungen einer im Bau befindlichen US-Botschaft ins Internet.«

      »Tatsächlich?«

      »Ja.«

      »Eine immer wieder auftauchende Dummheit ist beispielsweise, dass Daten an Stellen gespeichert werden, wo sie nichts zu suchen haben, zum Beispiel auf der Festplatte des Webservers. Selbst wenn du also auf der offiziellen Webseite nichts siehst, ist oft doch etwas im Hintergrund vorhanden.«

      »Und wie kommt man da dran?«

      »Du brauchst nur die richtige Suchmaschine, und schon wirst du fündig.«

      »Und woher weiß ich, welche das ist?«

      »Das verrate ich dir leider nicht.« Jana lächelte verschmitzt und sagte bestimmt: »Außerdem ist die Lektion nun beendet.«

      »Fortsetzung folgt?«

      »Vielleicht später irgendwann. Lass uns erst einmal von hier verschwinden.«

      Florian nickte und nahm sein schwarzes Jackett, das er über die Stuhllehne gehängt hatte. »Ins Maybach?«

      »Gut, da ist um diese Zeit nicht so viel los.«

      Florian folgte Jana über den Flur. Ihr Gang erinnerte ihn an seine Katze, wenn sie mit erhobenem Haupt vor ihm her über den langen Wohnungsflur lief. Mit einem Seitenblick registrierte er, dass das Foto von Jörn Carlo nicht mehr an der Wand hing. Vielleicht regierte doch nicht in erster Linie Geld, sondern Eitelkeit die Welt.

      Nach wenigen Minuten waren sie bereits im Restaurant Maybach angekommen, das am Ende der Mediapark-Grünfläche im Direktionsgebäude des ehemaligen Kölner Güterbahnhofs lag und mit seinen weitläufigen Räumlichkeiten ein angenehmes Großstadtflair verbreitete. Im Sommer genoss Florian es, im Biergarten sitzen zu können, der sich großer Beliebtheit erfreute. Nicht zuletzt wegen der guten Küche und der ansprechenden Weinkarte. Heute war es im Maybach so gut wie leer, die Leute vom benachbarten Kölner Filmhaus und die Mitarbeiter aus den Unternehmen rund um den Mediapark waren offensichtlich noch nicht in der Mittagspause. Florian und Jana nahmen an einem Ecktisch Platz. Es waren nur zwei weitere Tische besetzt, und die waren weit genug entfernt. Nachdem die Bedienung zwei Tassen Kaffee gebracht hatte, begann Jana zu berichten. »Stell dir vor, die Kripo ermittelt im Fall Mallmann.« Sie beugte sich Florian über den Tisch entgegen und flüsterte: »Genauer gesagt, die Mordkommission.«

      Das wusste Florian bereits von Eddie Klump, ließ es sich aber nicht anmerken.

      Jana senkte die Stimme: »Hat sich der Typ, der dich und Max angerufen hat, eigentlich noch mal gemeldet?«

      »Nein.«

      »Gut.« Jana seufzte erleichtert. »Dann also zurück zum Glutamatderivat. Der Tote aus Ehrenfeld hatte das Derivat im Magen, ebenso wie alle anderen Erkrankten. Allerdings steht noch nicht fest, ob diese neue Form des Glutamats tatsächlich auch Mallmanns Tod herbeiführte.«

      »Hoffentlich finden die Gerichtsmediziner das bald heraus. Wissen sie schon, in welchen Lebensmitteln es enthalten ist?«

      »Unter Verdacht stehen zwei neue Produkte, die vor zwei Wochen auf den Markt kamen. Eine Vollmilchschokolade und ein Frischkäse. Vermutlich reden sie gerade mit den Herstellern.«

      »Hast du die Namen?«

      Jana nickte und zog einen Zettel aus ihrer schmalen, dunkelbraunen Aktentasche. Florian streckte die Hand aus und Jana schob den Zettel über den Tisch.

      »Ziemlich