Sechs utopische Thriller. Conrad Shepherd. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Conrad Shepherd
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Научная фантастика
Год издания: 0
isbn: 9783745202267
Скачать книгу

      »Kommen Sie, Sie schrecklicher Mensch«, sagte sie undeutlich und biss sich auf die Lippen. Sie schien verärgert, aber sie beherrschte sich schnell wieder. »Möchten Sie etwas essen? Ich kenne da ein paar ausgezeichnete Speiselokale...«

      »Danke. Ich hab' schon im Hover gegessen. Wenn Sie nichts dagegenhaben, möchte ich so schnell wie möglich ins Hotel. Was ich am dringendsten brauche, ist eine kalte Dusche und eine Rasur.«

      Sie sah ihn prüfend an. Dann nickte sie; um sein Kinn wucherte ein üppiger Stoppelbart.

      »Mein Hover steht draußen. Ich bringe Sie ins Hotel.«

      Sie hängte sich ihre Tasche um die Schulter. Ihre Augen verbarg sie hinter einer Sonnenbrille mit riesigen runden Gläsern und einem blauweiß geringelten Gestell. Sie ging voraus und fragte über die Schulter: »Haben Sie Gepäck?«

      »Nur leichtes.« Er hielt seine Tasche hoch. »Hab' mich ganz darauf verlassen, dass Rimtec mich mit allem ausstattet, was ich hier für meine Arbeit brauche.«

      Sie nickte bestätigend.

      »Liegt schon alles im Hotel für Sie bereit.«

      Beim Hinausgehen bemerkte Morton den Mann. So unauffällig wie ein Paradiesvogel zwischen einer Gruppe Pinguine lehnte er an einer Säule und starrte in ihre Richtung. Für einen Augenblick schien die Szene wie in einer Standbild-Sequenz erstarrt. Dann schob sich die Gruppe kichernder Chinesinnen zwischen Conroy und dem Mann. Als die Sicht wieder frei war, war von ihm nichts mehr zu sehen.

      Conroy legte die Stirn in Falten. Während er seiner jungen Begleiterin folgte, beschäftigte ihn die Frage, weshalb jemand so großes Interesse an seiner Person zeigte? Oder lag er falsch mit seiner Vermutung, und die Neugierde des Mannes galt lediglich seiner Begleiterin?

      Conroy zuckte die breiten Schultern und beeilte sich, seiner Führerin auf den Fersen zu bleiben.

      Nomi McIrnernys Hover stand in einer Parkreihe; ein Honda Ramfire IIe. Die feuerrote Kunststoffschale des Renners war in der Reihe der behäbigeren Hovercrafts so fehl am Platz wie ein Hightech-Trimaran zwischen halbzerfallenen Dhaus.

      Morton pfiff laut und anerkennend.

      »Stopp, Mister!«, rief sie. »Ziehen Sie keine voreiligen Schlüsse auf die Höhe meines Gehaltes. Es ist ein Wagen aus dem Fuhrpark von Rimtec. Möchten Sie vielleicht fahren?«

      Er winkte ab.

      »Ich ziehe von Zeit zu Zeit die Annehmlichkeiten des Beifahrersitzes vor. Außerdem kenne ich die Straßen Schrinagars nicht. Vermutlich hätte ich in allerkürzester Zeit mehr Strafmandate am Hals als Sie im ganzen Jahr.«

      »Danke für das Vertrauen«, antwortete sie trocken. »Hoffentlich werden Sie jetzt nicht allzusehr von meinen Fahrkünsten enttäuscht.«

      »Nur zu!«, sagte er leichthin und warf die Reisetasche auf den Rücksitz. »Ich bin hoch versichert.«

      Er griff an ihr vorbei, berührte zufällig ihre Brust unter dem dünnen Stoff des Kleides und registrierte anerkennend, dass sie sich dem Druck seiner Hand kaum entzog. Als er ihr die Tür öffnete, nahm er den schwachen Duft von Sandelholz wahr. Danach ging er um den Wagen herum und warf sich in die kochend heiße schwarze Lederpolsterung des Schalensitzes.

      Mit einem schwachen Fauchen erwachte das Aggregat.

      Die junge Frau manövrierte den Gleiter gekonnt aus der Parkbucht heraus, wendete, beschleunigte mit der Kraft einer startenden Rakete und reihte sich in den schnellfließenden Verkehr auf der zweispurigen Straße ein, die vom Hoverport ins Stadtzentrum führte.

      *

      Sie fuhren nach Schrinagar hinein.

      Die Luft war vom schweren Duft blühender Jakaranda und Hibiskus erfüllt. Die jenseitigen Hänge trugen Teepflanzungen und Wälder, die sich fast bis zum Fluss zogen.

      Morton Conroy betrachtete die dahinterliegenden, gewaltigen weißen Gipfel, die wie eine ausgezackte Silhouette vor dem leuchtendblauen Himmel standen.

      »Das also ist das Tal von Kaschmir«, meinte er.

      »Richtig. Enttäuscht?«

      »Nicht die Spur«, beteuerte er. »Leben Sie schon länger hier?«

      »Seit etwa drei Jahren.«

      Sie verlangsamte die Geschwindigkeit des Hovers, um eine Reihe gelbgekleideter Mönche mit kahlgeschorenen Köpfen über die Straße zu lassen.

      Danach beschleunigte sie wieder.

      Conroy hielt die Hand in den Fahrtwind.

      »Würden Sie mich über die Lage hier informieren, Miss McIrnerny?« Er musste fast schreien.

      »Wie meinen Sie das? Politisch? Ökonomisch? Soziologisch?«, rief sie zurück und lächelte. Ihr Haar flatterte im Fahrtwind, trotz des Windabweisers. »Nennen Sie mich nicht dauernd Miss McIrnerny. Sagen Sie Nomi. Und wie darf ich Sie nennen?«

      »Morton, natürlich. Wie ist es nun mit den Informationen – ganz allgemein?«

      Sie fuhren an den düsteren, halbzerfallenen Mauern eines alten Klosters vorbei; es lag auf einem Felsgrat, der sich wie ein Messerrücken aus dem Boden erhob

      Nomi verlangsamte etwas die Geschwindigkeit, so dass eine normale Unterhaltung möglich wurde, während sie in die Stadt hineinfuhren.

      »Die Lage ist, wörtlich und politisch und ganz allgemein, hochexplosiv. China macht sich Sorgen über eine neue Rebellenbewegung, deren Führer die ständigen Kontroversen um die Nordostregionen beenden möchten – zu seinen Gunsten natürlich.«

      »Das dürfte schwierig werden«, bemerkte Conroy. »Derartige Versuche hat es seit der Vertreibung des Dalai Lama vor über einem Jahrhundert immer wieder gegeben. Sie scheiterten alle.«

      »Diesmal handelt es sich aber um mehr als nur eine Gruppe moralisierender Mönche. Die Bewegung umfasst weite Kreise der Bevölkerung. Die Rebellen kommen aus allen sozialen Schichten. Die Organisation hat mehrere prominente Namen im Briefkopf – Anwälte, Richter, Manager, Priester.«

      »Und ihr Ziel?«

      »Der Anschluss der Nordostregionen Ladak, Kaschmir, Karakorum, Rungmar Thok, Aksai Tschin und Lingsi Tang an Tibet...«

      Conroy versuchte, nicht allzu überrascht zu wirken, während er dachte: Das könnte – wieder mal! – Krieg bedeuten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Neue Chinesische Kaiserhaus auf die Gold- und Uranfelder von Rungmar Thok verzichtet, ohne dass es zu einem mörderischen Kampf innerhalb des Pan-Pazifischen Blocks kommt.

      »... und es halten sich hartnäckige Gerüchte, dass eine Rebelleninvasion bevorstünde«, erreichte ihn Nomis Stimme.

      »Von welcher Seite?«

      Sie zuckte die Schultern. »Das weiß man nie genau...« Sie schaute ihn von der Seite an. »Aber lassen wir das. Es würde im Augenblick zu weit führen, Morton, näher darauf einzugehen. Ich werde Ihnen gerne mehr darüber erzählen, nur nicht jetzt. Im Augenblick haben Pouls, ich meine Mister Devlins Anordnungen Vorrang.«

      »Und wie lauten diese... hm... Anordnungen?«

      Wieder erschien das merkwürdige Lächeln auf ihrem Gesicht.

      »Dass ich Sie zunächst im Hotel abzuliefern und später dann mit diesem Ray Haan bekanntzumachen habe.«

      »Und wann werde ich Mister Devlin zu Gesicht bekommen?«

      Sie schwieg einige Sekunden und blickte konzentriert auf die Straße. Schließlich erwiderte sie: »Ich erwarte ihn nicht vor heute Nacht zurück. Er musste dringend nach Lhasa.«

      »So. Wer kümmert sich zwischenzeitlich um die Geschäfte von Rimtec?«

      »Wer