»Er wär beinahe gestorben«, flüsterte Paula. Plötzlich stieg ihr ein Schluchzen in die Kehle und die ganze Anspannung der letzten Stunden entlud sich in einer Sturzflut von Tränen. Püppi legte ihr tröstend die rechte Vorderpfote aufs Knie und sah aus ihren klugen braunen Hundeaugen zu ihr auf.
Als Paula sich ausgeweint hatte, kramte sie in ihrer Schultasche nach einem Tempotaschentuch, schnäuzte sich und stand auf.
»Komm mit, Püppi«, sagte sie und ging ins Bad.
Als die erste Haarsträhne zu Boden segelte, hielt Paula inne. »Ein Junge wie Paul«, murmelte sie. Püppi wedelte beim Stichwort Paul freudig mit dem Schwanz und schaute zur Tür.
Entschlossen schnibbelte Paula weiter.
Paul und Paula, dachte sie. Mama hatte während der ersten Monate der Schwangerschaft immer gesagt: »Wenn es ein Junge wird, heißt er Paul, und wenn es ein Mädchen wird, heißt es Paula.« Dann hieß es plötzlich: »Herzlichen Glückwunsch! Es werden Zwillinge!« Und von da an hatte Oma Helga nur noch von Paul und Paula gesprochen. Es gab einen Film namens Paul und Paula, den sie ganz, ganz toll fand. Genauer gesagt hieß er Die Legende von Paul und Paula; ein anscheinend ziemlich abgefahrener DDR-Film aus den Siebzigern. Und obwohl der Film eigentlich traurig endete und die Namensgebung von daher ziemlich daneben war, blieb es schließlich in dem ganzen Trubel von Kaiserschnitt-Geburt und zwei gnadenlos gleichzeitig schreienden Babys bei Paul und Paula.
Auf dem Fußboden um Paula herum bildete sich ein riesiges Nest aus abgeschnittenen Haaren, als hätte sich ihre dichte blonde Mähne im Herunterfallen noch einmal verdoppelt.
Paula schluckte. Nicht hinsehen, redete sie sich tapfer zu. Einfach nicht hinsehen.
Sie holte den Besen aus der Teeküche, fegte die Haare zusammen und verstaute sie in einer alten Plastiktüte. Es würde Jahre dauern, bis das alles wieder nachgewachsen war. Paula schluckte. Dann schaute sie in den Spiegel.
»Ein Junge wie Paula«, murmelte sie.
Irgendwo in den Umzugskisten musste Pauls Spielerausweis sein. Morgen Nachmittag war das erste Training. Mama, Oma Helga und Hotte hatten alle Hände voll mit dem Um- und Ausbau der Lucullus zu tun. Und Mama wird wahrscheinlich sowieso erst mal nach Jena in die Klinik fahren, dachte Paula, egal, ob sie Paul schon besuchen darf oder nicht.
Das Letzte, woran sie alle denken werden, ist, beim Trainer anzurufen. Sie würde einfach hingehen. Als Paul. Niemand würde etwas merken und keiner würde davon erfahren.
Nicht einmal Carlotta.
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