Ulrike Bliefert
Voll verliebt im Tor
Ulrike Bliefert, Jahrgang 1951, ist den Fernsehzuschauern u. a. als Ulla in der Comedyserie Das Amt bekannt. Sie schreibt zudem erfolgreich Drehbücher (u. a. für den Tatort). Ulrike Bliefert ist mit einem Schauspielerkollegen verheiratet, hat eine Tochter und lebt in Berlin.
1. Auflage 2011
© Arena Verlag GmbH, Würzburg 2011
Erstmals erschienen unter dem Titel »(K)ein Junge wie Paul(a)«
© Arena Verlag GmbH, Würzburg 2008
Alle Rechte vorbehalten
Einband: Frauke Schneider unter Verwendung zweier Fotos von
Brad Wilson/Photonica © gettyimages und
Jupiterimages/Comstock Images © gettyimages
ISBN 978-3-401-80361-6
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Herzlichen Dank den Jungs der U11/2006–07 von Hertha BSC Berlin
Jason Burmeister, Jasin Ghandour, Max »Schucki« Schuckert, Marcel Rausch, Nico Beyer, Dominik Pelivan, Leo-Jonathan Teßmann, Fabian Engel, Yanni Regäsel, Cem Kagitci, Bilal Kamarieh, Maximilian »Maxi« Hofmann, Orkan Cinar, Marc Moldenhauer und ihrem wunderbaren Trainer Michael Dober
für ihre Hilfe, Unterstützung und gute Laune!
Die Braut trug Pink. Der Bräutigam war ganz in Weiß. Himbeereis mit Sahne, dachte Paula und versuchte tapfer, gegen die aufsteigende Rührung anzukämpfen. Warum musste man bei Hochzeiten bloß immer heulen?
Sie schaute verstohlen zu Paul hinüber. Ihr Zwillingsbruder hatte trotz Mamas Protest darauf bestanden, seine Haare zu einer Irokesenbürste hochzugelen. Wie Bastian Schweinsteiger. Schweini war zumindest frisurtechnisch sein großes Vorbild, auch wenn er als Spieler eher von einer Torwartkarriere träumte.
Unwillkürlich musste Paula grinsen: Paul sah in seinem schwarzen Samtanzug eher aus wie irgendein Geigen-Wunderkind. Oder wie dieser nervig niedliche Junge aus der Kaffeewerbung. Oder wie Lord Fauntleroy, Der kleine Lord. Jedenfalls nicht wie ein hoffnungsvoller Nachwuchs-Kicker von Hertha BSC.
Obwohl er genau das war. Vor einer Woche war die Bestätigung gekommen: Paul Schmidtke, neues Mitglied der D-Jugend des Berliner Traditionsvereins! Er hatte den Brief über seinem Kopf geschwenkt und war in der Küche herumgetanzt wie ein Derwisch und die ganze Familie hatte mit Kochlöffeln und Topfdeckeln ein Höllenkonzert dazu veranstaltet: Paul war auf dem Weg zum Fußballprofi einen Riesenschritt weitergekommen; schließlich wurden auch die Schweinis, Podolskis und Timo Hildebrands mal alt.
Paula seufzte. Fast konnte man ein bisschen neidisch werden. Aber Schweini hin, Podolski her: Sie hatte als Keeperin ihrer Schulmannschaft sowieso ganz andere fußballerische Vorbilder. Allen voran Ursula Holl. Hübsch, pfiffig und unschlagbar darin, die angreifenden Gegnerinnen …
»Liebe Gemeinde, wir sind heute hier zusammengekommen, um dieses Brautpaar …«
Jetzt reiß dich zusammen und versuch, dich zu konzentrieren, rief Paula sich zur Ordnung. Da vorne heiratet deine Oma und du denkst mal wieder nur an Fußball!
Andererseits half das ganz gut, die albernen Tränen in den Griff zu kriegen.
Der Pfarrer schlug feierlich seine dicke, ledergebundene Bibel auf. Vier verschiedene Lesezeichen. Da konnte man sich leicht mal verheddern.
Und während der Pfarrer umständlich dafür sorgte, dass er bei der Trauung nicht versehentlich einen Tauf- oder Beerdigungsspruch vorlas, liefen vor Paulas innerem Auge noch einmal die Fernsehbilder von damals ab: Uschi Holl! Wenn die im DFB-Finale die zwei Elfmeter nicht gehalten hätte, wäre es um den FFC Frankfurt geschehen gewesen!
Die Hochzeitsgesellschaft stand auf und faltete die Hände: »Vater unser, der du bist im Himmel …«
Ich möchte einmal so toll sein wie Uschi Holl, dachte Paula, kniff die Augen zu und faltete fest die Hände. Bestimmt hatte man als Gott Wichtigeres zu tun, aber: Schön wär’s schon. »Wie im Himmel, so auf Erden …«
Der Stadionrasen flirrte in der Sonne. Am Elfmeterpunkt der Star der gegnerischen Mannschaft. Frauschaft müsste es eigentlich heißen, unterbrach Paula ihre Tagträumerei, um gleich darauf wieder in ihrem imaginären Tor zu stehen. Jetzt riss sie wie in Zeitlupe die Arme hoch und flog mit untrüglichem Instinkt in die richtige Ecke. Der Ball landete in elegantem Schwung zwischen ihren behandschuhten Händen und die jubelnde Menge hielt es nicht länger auf ihren Stadionbänken: »Paula! Paula! Paula!«
»In Ewigkeit, Amen«, murmelte die Gemeinde.
Paula öffnete die Augen und blies die angehaltene Luft aus. Als sie sich wieder hinsetzte und gegen die Rückenlehne der Kirchenbank fallen ließ, drückte sie die Schleife im Rücken. Oma Helga hatte auf einer richtigen Frisur bestanden und Paulas fast polange blonde Haarmähne in zwei kunstvoll ineinander verschlungene Zöpfe gebändigt. Unten hatte sie das Zopfgebilde dann mit einer riesigen Samtschleife dekoriert. Das Ding wog gefühlte drei Zentner. Und das Ganze in Babyrosa.
Keine gute Farbe, wenn man fast zwölf ist.
Die neuen Schuhe drückten auch.
Seufzend legte Paula die Hände in den Schoß und schaute an sich herunter. Na ja, das Kleid war okay.
Wenigstens hatte keiner verlangt, dass sie als Zwillinge im Partnerlook gingen. Ihre Mama hatte diesen Zirkus von Anfang an nicht mitgemacht. »Ich hab zwei Illinge«, pflegte sie zu sagen, »und jeder Illing hat seinen eigenen Kopf. Also soll er auch seinen eigenen Stil entwickeln!«
Paul mochte am liebsten Jeans und Poloshirts. Ein bisschen zu brav für Paulas Geschmack. Sie selbst experimentierte gern. Je schriller, desto besser: knallgrüne Chucks zum rot karierten Schottenrock oder ein ausgeleiertes Secondhand-Glitzertop überm Rollkragenpulli.
»Bei