Die Originalausgabe dieses Buches erschien unter dem Titel
»Colombia Es Pasión! – The Generation of Racing Cyclists Who Changed Their Nation and the Tour de France« bei
Weidenfeld & Nicolson, London, einem Imprint der Orion Publishing Group Ltd, London.
© Matt Rendell 2020
Gemäß UK Copyright, Designs and Patents Act 1988
ist Matt Rendell der Urheber dieses Werkes.
Matt Rendell:
Colombia Es Pasión! – Wie eine Generation kolumbianischer Radrennfahrer
die Tour de France eroberte und eine ganze Nation beflügelte
Aus dem Englischen von Olaf Bentkämper
© der deutschsprachigen Ausgabe: Covadonga Verlag 2020
Covadonga Verlag, Spindelstr. 58, D-33604 Bielefeld
ISBN (Print): 978-3-95726-048-2
ISBN (E-Book): 978-3-95726-051-2
Umschlaggestaltung: Matt Thame @ Studio Auto
Umschlagfotos: Foto Roth & Roth
Portraitfoto des Autors: © Gary Imlach
E-Book-Herstellung und Auslieferung: readbox publishing, Dortmund, www.readbox.net
Alle Rechte vorbehalten. Wiedergabe, auch auszugsweise, nur mit
ausdrücklicher Genehmigung des Verlags.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation
in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische
Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
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Für Ana Marín
… hasn’t the point
Of all this new construction been to provide
A protected medium for the exchanges each felt of such vital Concern, and wasn’t it now giving itself the airs of a palace?
And yet her hair had never been so long.
John Ashbery, »Clepsydra«
Inhalt
Einleitung: Eine Veränderung des Klimas
1 Kalte Energie
2 Colombia Es Pasión!
3 Darwins Papagei
4 Zimmermänner und ihre Söhne
5 Gegen den Strich
6 In die Zukunft
7 Lotterie
8 Radwechsel
9 Ein glücklicher Mann
10 Wiedergeboren
11 Zwei Sekunden
12 Einsatzbezogene Regeln
13 Der Agrarbotschafter
14 Alltäglicher Schmerz
15 Schnelle Beine
16 Annäherung
17 Der Junge, der zu schnell erwachsen wurde
18 Keine Atempause
19 Gelb
20 Auswanderergeschichten
21 Thronfolge
22 Ewige Gärtner
23 Chiaroscuro
24 Tsantsøn Kauyi
Danksagung
Quellen
Einleitung:
Eine Veränderung des Klimas
Gewaltige Hagelkörner prasselten auf den harten Erdboden. Grelle Blitze machten die Nacht zum Tag – 73.700 von ihnen waren es an einem ausnehmend stürmischen Samstag, der nationalen Wetterbeobachtung zufolge. Und zwischen den Stürmen war die Hitze so intensiv, dass der Himmel selbst aus Feuer gemacht zu sein schien. Am Tag, als die Tour de France 2019 die Alpen erreichte, wurde für 80 der 96 französischen Festland-Départements eine Unwetterwarnung ausgegeben. Am Tag darauf schlossen, 35 Kilometer vom Etappenziel in Valloire entfernt, Schlammlawinen rund hundert Touristen ein, während in Paris die Shoppingwilligen auf den Champs-Élysées bei 42 Grad schmorten.
Es war ein Sommer der Extreme.
In Saint-Jean-de-Maurienne aber, zum Start der 19. Etappe, begrüßte ein blauer Himmel die Fahrer und hing 85 Kilometer lang über ihnen. Lediglich hoch oben auf dem Col de l’Iseran verloren die Schatten ein wenig von ihrer Schärfe. Dunkle Wolken brauten sich jenseits des Passes zusammen, aber da noch 44 Kilometer zu fahren waren, hatte Egan Bernal ganz andere Dinge im Kopf.
Bernal, der jüngste Fahrer im Feld der Tour, hatte im März die achttägige Fernfahrt Paris–Nizza gewonnen und anschließend bei der Katalonien-Rundfahrt den dritten Platz belegt. Danach war er ins weit entfernte Kolumbien zurückgekehrt, um sich in der Höhe auf den Giro d’Italia vorzubereiten. Doch am Samstag, dem 4. Mai, traf ihn in Andorra im übertragenen Sinne ein Donnerschlag, als er auf der Abfahrt vom Port d’Envalira stürzte. Er wusste sofort, dass er nicht nach Italien fahren würde.
Hinter ihm im Wagen fuhr sein Trainer Xabier Artetxe.
»Als ich bei ihm ankam, saß er auf der Straße. Er sagte: ›Xabi, es tut mir leid. Das Schlüsselbein ist gebrochen.‹ Er erwähnte den Giro nicht einmal. Abends, noch bevor er sich dem Eingriff unterzog, wollte er ein Trainingsprogramm besprechen, das ihn zur Tour de France in Topform bringen würde. Unser Ziel war, so stark wie möglich in die letzte Tour-Woche zu gehen.«
Auf dem Iseran hielt sein Teamkollege Wout Poels das Tempo hoch, sodass sich die Gruppe der Favoriten wie ein sauber genähter Saum auseinanderzog, während weiter hinten die Nähte aufplatzten und ein Fahrer nach dem anderen abreißen ließ. Ein anderer Teamkollege, Geraint Thomas – der amtierende Tour-Sieger –, versteckte sich in Poels’ Windschatten. Dahinter folgte Egan und hinter ihm wiederum ein Knäuel, das es irgendwie zu lösen galt.
Julian Alaphilippe hatte die Saison nicht damit zugebracht, sich nach und nach auf die hohen Anforderungen der großen dreiwöchigen Landesrundfahrten vorzubereiten. Er hatte das ganze Frühjahr über explosive, hart umkämpfte Etappen und Eintagesrennen gewonnen. Dann war er zur Tour gekommen und hatte zwei verwegene Etappensiege geholt, ohne sich auch nur im Geringsten um das Prinzip der ökonomischen Fahrweise zu scheren, das nach gegenwärtig herrschender Meinung unerlässlich war für den Erfolg bei einer Grand Tour. Er war so stark, dass die Frage aufkam: Könnte die gegenwärtig herrschende Meinung womöglich irren?
Ja, 24 Stunden zuvor hatte er auf dem Col du Galibier Anzeichen von Schwäche gezeigt und ein paar Sekunden hinter seinen Rivalen den Pass überquert, aber auf der langen Abfahrt nach Valloire hatte er wieder zur Gruppe aufgeschlossen und vor dem Start der 19. Etappe lag er in der Gesamtwertung weiterhin eine Minute und 30 Sekunden vor Egan Bernal, Geraint Thomas folgte weitere fünf Sekunden dahinter. Thomas und Bernal waren in der Überzahl und mussten diesen Vorteil nutzen, allerdings ohne dass andere von ihrer Arbeit profitierten. Aber wie? Würde es ihnen an diesem Tag nicht gelingen, Alaphilippe zu distanzieren, und